Wie verstehen sich eigentlich Litauen und Russland?
Alleine schon durch ihre Vergangenheit sind Litauen und Russland untrennbar verbunden, doch wie ist die Beziehung zwischen den beiden Ländern heute – ist es eine gute Beziehung oder doch eher eine schlechte?
Am 3. August 1940 war es soweit: Litauen wurde zum Mitglied der Sowjetunion erklärt und es begann eine 50-jährige Besatzung der ehemals unabhängigen litauischen Republik durch sowjetische Truppen. Es war das zweite Mal, dass Litauen unter russischer Herrschaft stand.
Als erstes der drei baltischen Ländern erklärte Litauen seine Unabhängigkeit und darauf sind die Litauer stolz.
Alleine schon aufgrund der Besetzung des Landes durch Russland, ist die Beziehung der beiden Staaten starken Spannungen ausgesetzt. Schon bei der Frage, warum Litauen Mitglied der UdSSR wurde, gehen die Meinungen auseinander. Litauen sieht sich als Opfer eines Angriffs – Russland dagegen behauptet, das Land habe sich freiwillig der Sowjetunion angeschlossen. Laut europäischem Völkerrecht stellt ein Angriff auf einen anderen Staat ein Verbrechen dar und deshalb erließ Litauen im Jahr 2000 ein Gesetz, in dem Russland zur Wiedergutmachung des Schadens, der durch die Besatzung entstanden ist, aufgefordert wird. Bis heute ist Russland dieser Aufforderung nicht nachgekommen und erst kürzlich hat Litauen erneut 200 Milliarden Dollar "Schadensersatz" von Russland gefordert.
Und auch im Fall Snowden hat Litauen Vorbehalte gegen Russland: Man meint, dass der Fall Snowden ein Versuch der russischen Geheimdienste sei, die Gespräche über die Schaffung einer transatlantischen Freihandelszone zu sabotieren. Dazu sagte die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite: "Wenn ich derartige Berichte aus Moskau vernehme, bin ich doppelt vorsichtig." Und auch ein Regierungsvertreter reagierte ähnlich und vor allem deutlicher: "Die Amerikaner tun das nur, um uns Europäer zu schützen." Und im nächsten Satz wies er auf zwei russische Horchposten hin, die von Weißrussland aus den gesamten litauischen Mobilfunk überwachen sollen.
Dies sind nur zwei Beispiele für den offenen Schlagabtausch zwischen Russland und dem durch die anderen baltischen Staaten unterstützten Litauen dar, der allerdings vor allem von Litauen ausgeht. Gemeinsam mit Lettland und Estland will Litauen dabei vor allem eins zeigen: "Russland stellt keine Bedrohung mehr für uns dar. Wir sind unabhängige Staaten, die ihre Positionen und Ansichten mit politischen und diplomatischen Mitteln zum Ausdruck bringen können."
Doch so schön das in der Theorie auch klingen mag, so einfach ist die Unabhängigkeit Litauens und der anderen baltischen Staaten von Russland nicht. Keiner der drei Staaten hat eigene Gas- und Ölvorkomnisse und somit ist jedes einzelne der drei Länder von der Energiegroßmacht Russland abhängig. Dabei zahlt Litauen einen Spitzenpreis: rund 500€ pro 1000 m³. Dieser Preis ist 30 Prozent höher als der, den Deutschland zahlt. Deshalb will sich Litauen während seiner Ratspräsidentschaft auch für die Integration der europäischen Strom- und Gasnetze und die Trennung zwischen Gaslieferanten und Netzbetreibern einsetzen – ein direkter Angriff auf Gazprom, das russische Monopol.
Die Beziehung zwischen Litauen und Russland ist von einer starken Abhängigkeit seitens Litauens und einem ständigen Schlagabtausch geprägt. Das Verhältnis ist in keinem Fall ein gutes und in der andauernden Diskussion ist in keinem Fall das letzte Wort gesprochen. Litauen sieht sich als unabhängiges Land, was politisch auch der Fall ist, doch vor allem in Sachen Energieversorgung ist Litauen noch lange nicht unabhängig von Russland.