Was ist Freiheit? - ein neues Gefühl?
„Freiheit: Sie wird von vielen Jugendlichen als ambivalent empfunden.“ Dieser Satz hat sich mir stark eingeprägt. Ich konnte ihn zwar damals im Religionsunterricht verstehen, trotzdem war er eher 'graue Theorie' für mich - bis ich es nun selbst erleben 'durfte'!
„Freiheit: Sie wird von vielen Jugendlichen als ambivalent empfunden.“
Dieser Satz hat sich mir stark eingeprägt. Ich konnte ihn zwar damals im Religionsunterricht verstehen, trotzdem war er eher 'graue Theorie' für mich - bis ich es nun selbst erleben 'durfte'!
Was ist passiert? Ich bin vor meinem einjährigen Einsatz ein paar Tage früher nach England geflogen, da ich noch Bristol anschauen wollte. Es war sehr schön, dennoch mutete es komisch an: „Das, was du gerade erlebst, kannst du nicht gleich jemanden mitteilen. Es wird nicht gleich Bekanntes um die Ecke kommen. Du hast momentan jetzt und hier kein zu Hause!" Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf.
In dem Moment war ich wahrscheinlich frei. Zum ersten Mal erlebte ich es bewusst, richtig frei zu sein.
Ich hatte zwar Geld in der Tasche und mit meinem halben Kleiderschrank eine vorübergehende Unterkunft in der Jugendherberge Bristol gefunden - aber keine Verpflichtung. Ich musste nicht umkehren, weil jemand auf mich wartete. Stattdessen konnte ich mir anschauen, was ich wollte, essen was ich wollte, und wusste, dass ich gerade keine Aufgabe erfüllen musste.
Als ich in die Schule ging oder gerade Ferien hatte, war ich zwar auch frei - aber nicht so komplett, so umfassend. Ich wusste, zu einem bestimmten Zeitpunkt würde ich mein gewohntes Leben weiterführen mit Hausaufgaben, Klausuren und Freunden.
In England war es anders. Ich wusste zwar, dass ich bald mit der Arbeit beginnen würde. Da ich aber weder eine genaue Vorstellung davon hatte, wo, was und mit welchen Menschen ich es zu tun haben sollte, war es ein unbekanntes Gefühl.
Auch in meinem Verhalten, meiner Persönlichkeit war ich bis zu einem gewissen Grad frei. Natürlich waren meine Ängste, Sorgen, Hoffnungen, Wünsche und mein Charakter nicht plötzlich verschwunden. Aber dadurch, dass mich niemand kannte, ich niemand kannte, konnte ich mich 'ausprobieren': Eine erste große bewusste Freiheit!
Ich glaube, dass jeder, der die Schule, die Uni oder seinen Arbeitsplatz verlässt, freier wird. Doch Menschen, die über längere Zeit ins Ausland gehen, erleben das Gefühl intensiver. Die ganze Umgebung ist neu: Sprache, Kultur und Umgangsweise der Menschen miteinander gilt es erst zu entdecken.
Einerseits habe ich das Gefühl genossen, und nach 13 Jahren Schule wohl auch ein Stück weit gebraucht. Andererseits war es beängstigend, und ich war froh, zu wissen, dass es bald vorbei sein wird. In der Freiheit fehlt einem etwas - jedenfalls, wenn man so ein „Gewohnheitsmensch“ ist wie ich.