Was bisher geschah
Über dies und das. Irgendwo muss man ja anfangen.
Endlich komm ich dazu, mich hier mal zu Wort zu melden. Nach etwas mehr als einem Monat würde ich langsam sagen, dass zumindestens einige der anfänglichen Schwierigkeiten überwunden sind. Nur auf meine französische Bankkarte warte ich inzwischen auch schon 4 Wochen. Aber immerhin arrangiere ich mich langsam mit dem Essen (Kombination aus Keksen, Mikrowellenessen, Tütensuppen und gelegentlichem „Kochen“ in der Hortküche), mit dem Internet (Kombination aus SEHR langsamen Internet auf Arbeit, teurem Surfstick zu Hause und regelmäßigen, ungesunden Besuchen beim Fastfoodrestaurant Quick) und auch sprachtechnisch sind schon einige Fortschritte zu verzeichnen.
Wenn ich natürlich 8-Jährige zusammenscheißen soll ist die Gefahr immer noch ziemlich hoch, dass meine Rede mit grammatikalischen Fehlern gespickt ist, ungenaue Beschreibungen wie „das Ding da“ oder „diese Sache dort“ enthält bzw. mir einfach zwischendurch die Worte wegbleiben, was natürlich meine Autorität und Glaubwürdigkeit stark untergräbt! Nicht nur deswegen bin ich lieber bei den Kleinen, da kann man mit wenig Worten noch viel erreichen.
Ich muss trotzdem stolz bemerken, dass ich schon das ein oder andere Mal erfolgreich laut geworden bin und sogar die ein oder andere „Sitzstrafe“ durchsetzen konnte. Häufiger hab ich allerdings erlebt, dass sich ein anderer „animateur“ einschalten musste um mal klarzustellen, dass auf mich auch gehört wird und dass jetzt mal Schluss ist mit den Faxen!
Es gibt natürlich immer ein paar Problemkinder bzw. Problemjungs. In der maternelle, bei den Kleinen, gibt’s zwar noch 2 Mädels die oft Quatsch machen aber in dem Alter stellen die eh noch nix Schlimmes an. Spätestens in der Grundschule machen dann normalerweise nur noch die Jungs Probleme. In der Grundschule gibt’s einen Jungen, den kriegt keiner unter Kontrolle, aber der sitzt auch regelmäßig mit seinen Eltern beim Direktor. Meine wenigen Auseinandersetzungen mit ihm ließen mich aber also entsprechend hilflos zurück! Einmal hörte er vor der Kantine nicht auf, die anderen zu treten, da konnte ich mir den Mund fusselig schimpfen. Zurück kam von ihm nur ein „Du bist moche“ - blöderweise wusst ich damals aber noch nicht, dass das hässlich heißt. Hab das also auf mir sitzen lassen. Mmpf.
Glücklicherweise entgehe ich ja aber mit meinem Wechsel für die Mittagsstunden zu den Kleinen nicht nur meinen ignoranten und unreifen Kolleginnen sondern auch diesem charmanten, jungen Kerl, da der sofort nach der Schule von seinem Eltern abgeholt wird. Touché.
Langsam kommt auch die Sonne wieder zurück und das sind meine Lieblingsmomente: Die Straßen langlaufen, im Sonnenschein, um mich rum alles so französisch und friedlich. Am Samstag war schönes Wetter und ich bin zu Fuß in die Stadt – über den Fluss Meurthe, das Wasser glitzert, die Schwäne am Ufer, die Rue Grandville lang, die mir so gut gefällt, durch den Park La Pépinière, der mir noch besser gefällt und der voller Familien war, auf den Place Stanislas, der fast schon überquoll mit Menschen und Cafétischen und der einen trotzdem immer wieder ganz tief drinnen beeindruckt. Und weiter auf die Rue St. Jean, die Einkaufsstraße, wo jemand mit Hasenkostüm rumlief und wo mir eine Gruppe mit „free hugs“-Schildern entgegenkam und mich alle drückten. Dabei war auch ein Geschwisterpaar aus der Grundschule, Marine und der kleine Valentin mit seinem Lächeln das einfach zuckersüß ist und den man sich am liebsten gleich klauen würde. Die Kinder schaffen es natürlich sowieso immer, einen zum Lächeln zu bringen, da kann man einfach nicht widerstehen. Zumindestens bis zum Alter von etwa 6 Jahren, bis dahin sind sie noch so klein und niedlich. Und bleib da dann mal die distanzierte und strenge Autoritätsperson.
Was mir natürlich trotzdem immer noch zu schaffen macht, ist das alleine sein. Am Abend springen die Kleinen dann schließlich alle der Mama oder dem Papa in die Arme, der sie abholt und gehen nach Hause und auch die Kollegen lassen sich von Freund oder Papa abholen und verschwinden. Zum Glück hab ich ja meine allerliebste Claudi, die in einem Dorf nicht weit von Nancy ihren SVE macht. Spontane Treffen oder lange Nächte sind aber dadurch leider nicht oft drin, weil sie eine ganze Weile bis in die Stadt braucht und der letzte Bus nach Hause kurz nach 20h fährt. Und sie kann ja auch nicht immer bei mir schlafen, bzw. im Moment warte ich ja sowieso noch darauf, dass mir hier eine Decke für das zweite Bett besorgt wird.
Mein anderer Rettungsanker ist meine Kollegin Virginie, die auch schon für meine Vorgängerin eine wichtige Bezugsperson geworden war. Sie ist unglaublich hilfsbereit, auch wenn mich das letzte Nacht ziemlich genervt hat, weil Sie mich um 5 Uhr morgens nach dem Club nicht alleine nach Hause laufen lassen wollte. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das hier gefährlicher sein soll als gewisse Ecken in Berlin. Ich wollte ja auch keine dunklen Gässchen lang laufen – aber gut.
Ja, gestern war ich also das zweite Mal mit Virginie und ihren Freunden weg. Ansonsten kenn ich ja hier nicht wirklich Leute, einmal war ich mit einem Kollegen etwas trinken und neulich haben wir in einer Bar eine deutsche Erasmusstudentin getroffen, mit der wir vielleicht in der nächsten Zeit mal was machen können.
Aber was ich noch schnell erzählen muss: Virginie ist wirklich ein Glückstreffer, sie kennt nämlich genau die richtigen Leute. Wenn wir in den Club L'Envers gehen (der einzige, in dem ich bisher war, aber er ist auch ziemlich gut), dann spielt sich das folgendermaßen ab: Am Eingang geht’s rein, ohne Ausweis- oder Taschenkontrolle. Gut, das ist bei allen so, aber jetzt wird’s spitze: An der Kasse werden wir mit Küsschen begrüßt und kriegen unsere Tickets in die Hand gedrückt (da weiß ich jetzt leider auch nicht ob es nicht nur vielleicht eh wieder kostenlos war oder ob das wirklich nur für uns so lief). Aber jetzt, passt auf: An der Garderobe wartet schon der Chef persönlich auf uns und begrüßt uns ebenfalls mit Küsschen, besorgt uns unsere VIP-Sitzecke und Drinks. Spitze, oder?
Wie ich also gestern so im Club rumsaß und den Franzosen bei ihrer unglaublichen Begeisterung für Gruppenchoreographien bestaunt habe (ja, z.B. Macarena. Und dann tanzen wirklich alle ganz ernsthaft mit. Und sie drehen sich auch synchron!), da habt ihr mir trotzdem wieder alle ganz furchtbar schlimm gefehlt. Ich hatte euch praktisch direkt vor Augen, wie wir in der Kantine rumhopsen und ich konnte mir jeden einzelnen so gut vorstellen, beim Tanzen und Lachen und totalen Quatsch machen. Ich vermisse euch.