Warum die Uhren in Spanien anders ticken – oder eben nicht.
In Spanien fängt alles später an. Wenn man morgens um halb 8 Uhr auf die Straße geht, begegnet man selten einem Menschen und hat eher das Gefühl mitten in der Nacht unterwegs zu sein. Warum ist das so?
Erst ab 8 Uhr öffnen sich langsam die Rollläden vor den Fenstern und die Leute machen sich auf den Weg zur Arbeit, die um 9 oder 10 Uhr beginnt. Dadurch verschiebt sich der ganze Alltag nach hinten, Abendessen gibt es meist erst um 21 oder 22 Uhr. Auch Freizeitaktivitäten und Konzerte oder Partys fangen viel später an, als man es aus Deutschland gewohnt ist. So ist man beispielsweise erst gegen 3 Uhr morgens in der Disko endlich nicht mehr alleine auf der Tanzfläche. Woran liegt das alles? Ticken die Spanier einfach anders?
Nicht die Spanier ticken anders, sondern ihre Uhren und das wiederum liegt an der Zeitzone Spaniens. Um das zu verstehen hilft es, einige Schritte zurückzugehen. Das weltweite Zeitzonensystem entstand vor 131 Jahren in Washington. Dort wurde im Oktober 1884 bei der „Internationalen Meridiankonferenz“ festgelegt, dass der Nullmeridian durch die Sternwarte in Greenwich, einem Londoner Stadtteil, verläuft. Der Nullmeridian oder auch nullte Längengrad ist eine senkrecht zum Äquator stehende Linie, die vom Nord- bis zum Südpol geht und wichtig für die Orientierung auf der Erde ist, da sie Ost und West trennt. Von ihm ausgehend wurden die Erde umrundend 24 Zeitzonen in Abständen von je 15 Grad festgelegt. In der Mitte jeder Zeitzone steht die Sonne um 12 Uhr mittags am höchsten Punkt, im Zenit. Die Festlegung der Zeit ist also unmittelbar mit dem Sonnenstand verbunden, der eine starke Auswirkung auf den menschlichen Biorhythmus hat.
Geographisch betrachtet liegt Spanien in der Zeitzone „Mittlere Greenwich Zeit“ (GMT), heute Koordinierte Weltzeit (UTC) genannt, und müsste dadurch die gleiche Zeit wie beispielsweise England, Irland oder Portugal haben. Dass in Spanien aber die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) mit einer Stunde Zeitverschiebung (nach hinten) gilt, hat politisch-historische Gründe. Von 1936/39 bis 1975 herrschte der rechtsgerichtete Diktator General Franco über Spanien. Im Jahr 1942 verfügte er die Angleichung der Zeit an die Nazi-Deutschlands, die genauen Gründe dafür sind bis heute umstritten. Auch nach dem Tod Francos wurde die Zeit nicht wieder geändert.
Der Tagesrhythmus in Spanien richtet sich eher nach dem Sonnenstand als nach der tatsächlichen Uhrzeit, deshalb ist im Vergleich zu Deutschland trotz gleicher Zeit vieles eine Stunde „zu spät“. Es gibt zwar Forderungen, wieder in die UTC-Zeitzone zu wechseln, um die Produktivität des Landes zu erhöhen, doch bisher waren diese erfolglos.
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