Warmwasser!
Ein neuer Tagebuchschreiber ist zu begrüßen: mart, der seit letztem November in der Republik Moldau seinen Dienst als Europäischer Freiwilliger versieht. Auch er hatte, wie Johannson, Probleme mit der Warmwasserversorgung vor Ort, doch dank neuer Unterkunft gehören die nun der Vergangenheit an. Dafür lebt er nun im gleichen Ort wie seine neue Freundin, Cristina.
Bis jetzt habe ich mein Tagebuch auf travelpod.com/member/mart geführt, deshalb kommt erst nach der Hälfte meines EVS mein erster Eintrag...
Gestatten, Martin, 19, Dresdner - ja, ich habe schon gehört, in der Heimat brennen die Autos. Seit November bin ich also nun in Chisinau (sprich: Kischinau), der Hauptstadt der Republik Moldau – einem kleinen Ländchen zwischen Ukraine und Rumänien – dem ärmsten Europas, noch dazu. Das könnt ihr aber im bereits Geschriebenen nachlesen.
Die letzte Woche war recht nett gefüllt, mit Abwechslung abseits der NGO. Nach etwa zwei Monaten Aus- und Spazierengehen mit Cristina, einer 18-jährigen Schülerin, sieht es jetzt so aus, als hätte ich eine neue Freundin. Sie lebt im Stadtteil Ciocana, dem jungen, neuen Stadtteil. Alles geht ganz langsam, recht so - und wegen ihres Ehrgeizes ist die Zeit immer recht knapp. Samstag besuchte ich mit ihr einen Singabend. Dabei trafen sich Freunde und die Eltern mancher Freunde und sangen Lieder bei gutem moldawischen Wein, Lasagne und Kuchen, um Cristinas Geburtstagsgeschenk, eine Gitarre, zu testen. Echt klasse Atmosphäre.
Am selben Tag kam auch eine österreichische Death-Metal-Band nach Chisinau, "Possession". Die wollte ich natürlich nicht verpassen, und mein bester Freund (der Stadt), Radu, fand Zeit, mit mir hinzugehen. Die Musik war laut, das Publikum rar, dafür musste ich mit ansehen, wie Typen vor der Bühne für ein Foto posierten, mit gehobenem rechtem Arm. Ja, der 9. Mai kam näher, der Tag des sowjetischen Sieges. Vor dem Kino hatten schon die Panzer Stellung bezogen...
Sonntag wollte ich eigentlich umziehen, denn unser Vermieter hatte ja unsere Wohnung, die ich mit zwei Brüdern teilte, verkauft. Wir, einer der Brüder, Cornel, und ich, hatten zunächst nichts Passendes gefunden. Deshalb wollten wir eigentlich in eine Villa in einem entfernten Zipfel der Stadt ziehen, die unbewohnt, da unbewohnbar, ist. Kein fließendes Wasser, Stromausfälle, eine Baustelle, bei Regen unzugänglich. Im Sommer aber ein recht netter Fleck :D Und den Winter hatte ich ja bereits ohne warmes Wasser und Waschmaschine verbracht, in einer 2raumwohnung mit zwei bis vier Jungs, alle Raucher... Auf einmal zogen wir dann doch noch nicht um, scheinbar war der Vermieter gnädig gewesen. Stattdessen hatte Ana, meine Mentorin, bei einer Verwandten einer Arbeitskollegin ihrer Mutter einen freien Platz ausgemacht – in Ciocana, wo Cristina lebt :) Montag wollten wir die Wohnung besichtigen, am 9. Mai, der mit dem orthodoxen "Ostern der Toten" zusammenfällt.
In Moldawien ist die Mehrheit orthodox. Wobei die orthodoxe Kirche in zwei Abwandlungen vertreten ist: die "bessarabische" Kirche, die sich an Rumänien orientiert und den gregorianischen (unseren) Kalender verwendet, und die "moldawische" Kirche, die der russischen orthodoxen Kirche untersteht und den julianischen Kalender nutzt, der etwa einen Monat hinter dem gregorianischen herhinkt. Was zum Beispiel zu irreführenden Revolutionsbezeichnungen geführt hat, denn im Oktober in Russland war ja bereits November in Europa, damals…. So kam es, dass am 1. Mai Ostern war und letztes Wochenende nun das Ostern der Toten - bei dem die Familien gemeinsam auf den Friedhof gehen, und die toten Verwandten beschenken.
Die neue Vermieterin war also auf dem Lande, unser Besuch verschoben. An jenem Tag hätte ich vielleicht sowieso nicht den besten Eindruck gemacht, ich war recht lang wach gewesen. Das kam so: Auf dem Heimweg von der "Villa" hatte mich ein Mitglied der NGO, Daria, mit der SMS "R u feeling like going out?" zu einem Disco-Besuch getrieben. Nach dem Dinner in den Edelschuppen mit Bier für 2 Euro, wo wir Darias Freunde – ukrainische, rumänische und moldawische Studenten aus Bukarest – trafen, bis 4.00 Uhr feierten, und dann noch bei ihr einen Film"abend" dran hängten. So verging dann auch mein neunter Mai recht schläfrig.
Schließlich bin ich heute zu der neuen Vermieterin, einer Witwe mit zwei 16- und 18-jährigen Kindern gezogen. Sie mag es sehr ruhig, ich darf niemanden mit heimbringen und Alkohol ist verboten. Die beste Wohngelegenheit, um noch mehr zu lesen, schreiben, und lernen zu können also… :/
Jetzt muss ich aber erstmal eine Ausstellung organisieren, um mehr Freiwillige zu gewinnen, und eine Reise vorbereiten. Gestern Abend habe ich eine Einladung für ein Seminar in Krivoi Rog, in der Ostukraine bekommen. Undzwar für dieses Wochenende – also schnell kommunizieren, Tickets kaufen, Sachen waschen ist die Devise. Denn mein neuer Lebensraum hier hat sowohl warmes Wasser, als auch eine funktionierende Dusche, als auch eine Waschmaschine! Sogar der Teppich ist so sauber, dass ich mir vielleicht ein paar Liegestützen trauen werde. :D Der Himmel auf Erden! Zivilisation, Du hast mich wieder!