Von Abschottung und Toleranz
September 2015: Flüchtlinge weigern sich Züge zu verlassen oder laufen entlang des Standstreifens der Autobahn, der deutsch-dänische Zugverkehr wird eingestellt und es kommt zu verstärkten Grenzkontrollen. Aber warum die vielen Berichte von der deutsch-dänischen Grenze? Was hat es mit der dänischen Flüchtlingspolitik auf sich?
Ich wohne seit einem Monat in Sønderborg, einer dänischen Stadt, die eine halbe Autostunde von Flensburg entfernt liegt. Die deutsche Minderheit ist hier stark vertreten, weshalb ich morgens die Nortschleswiger Zeitungen lesen und mich ohne Probleme mit vielen Dänen auf deutsch unterhalten kann.
In Dänemark Asyl beantragen wollen nur die wenigsten Flüchtlinge. Diejenigen, die es bis nach Skandinavien schaffen, versuchen meist nach Schweden zu gelangen. Syrische Asylbewerber bekommen dort automatisch eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung und können so einfacher ihre Familien nachholen. Allgemein ist Schweden im Gegensatz zu Dänemark für seine liberale Flüchtlingspolitik bekannt.
Letzte Woche las ich in der Zeitung von Menschen, die im Grenzort Padborg für die Schließung der dänischen Grenzen protestierten. Die Demonstranten scheinen ihr kleines Land von einer gemeinsamen EU-Politik abkapseln zu wollen und demonstrieren dies mit abweisendem und ausländerfeindlichem Verhalten. Was nicht wunderlich scheint, in einem Land in dem es die rechtspopulistische Dansk Folkeparti seit der Wahl diesen Jahres als zweitstärkste Partei ins Parlament schaffte. In ihrem Wahlprogramm hatte die Partei unter anderem gefordert, dass Dänemark gar keine Flüchtlinge mehr aufnehmen solle.
Auf Demonstrationen gegen Fremdenhass fanden sich jedoch sowohl in Padborg als auch in Kopenhagen Menschen zusammen. In der Hauptstadt hatten sich tausende Dänen versammelt um gegen die Asylpolitik ihrer Regierung zu demonstrieren. Ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit wurde auch im öffentlichen Fernsehen gesetzt. In einer großangelegte Spendenaktion hatten „Danmarks Radio“ und „TV2“ die Bürger Dänemarks dazu aufgerufen für flüchtende Syrer zu spenden. Auch Kronprinz Frederick war im Laufe der Sendung zugeschaltet worden und sprach sich für Hilfe aus. Seine Meinung vertreten längst nicht alle Dänen. So verbreiteten viele Bürger ihren Unmut darüber, dass lieber für bedürftige Dänen Geld gesammelt werden solle.
Die Schleswigsche Partei der deutschen Minderheit forderte vor einigen Tagen mehr Toleranz gegenüber Flüchtlingen. Diese seien im Ladesteil Nordschleswig herzlich willkommen da es genügend Platzt für Vielfalt gäbe. Daraufhin wetterten sowohl eigene Parteimitglieder als auch die Dansk Folkeparti im großen Stil gegen die, in deutscher und dänischer Sprache verfassten, Zeitungsanzeigen. Die rechtspopulistische Dansk Folkeparti ist der Meinung die deutsche Minderheit solle sich nicht in landespolitische Themen einmischen sondern solche „Provokationen“ unterlassen.
Ich bin jedenfalls froh, zu wissen, dass sich die Schleswiger Partei von der rechten Stimmung, die in der dänischen Politik zu dominieren scheint, distanziert und klar Stellung bezieht. Nicht selten habe ich das Gefühl, dass bei vielen europäischen Bürgern, unabhängig ihrer Nationalität, in Sachen Flüchtlingsfrage die Menschlichkeit schon längst verloren gegangen ist.
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