Und wieder wird gestreikt in Frankreich
Der Fortsetzungsroman wird hiermit fortgesetzt: Wie wir dem Streik entkommen sind, dann wieder von ihm gefangen wurden und wie ich mein erstes Seminar überstanden habe.
Für den Donnerstag hatten wir uns wieder vorgenommen, schwimmen zu gehen – an jedem zweiten Tag, ein super Intervall. Morgens auf dem Weg zur Sprachschule mussten wir noch zittern, denn es war wieder mal ein Streik angesagt wegen der Rentenreform (zwei Tage nach meiner Ankunft in Lyon durfte ich gleich den ersten Streik erleben…). Dass die Metro normal fährt, wussten wir dank der Informationen im Internet, die Tram würde aber weniger häufig fahren. Zum Glück lief aber alles glatt und wir kamen pünktlich zum Kurs. So sind wir dem Streik an diesem Tag wenigstens einmal entkommen, er hat aber weiter reichende Folgen…
Am Nachmittag, nachdem wir ohne Schwierigkeiten nach Hause gekommen sind, machten sich Hristina und ich sofort zu Fuß auf den Weg zum Schwimmbad, denn das Wetter war schön und wir wollten nicht auf den Bus angewiesen sein. Auf dem Weg wurden alle wichtigen Dinge abgeklärt: Was nach dem Schwimmen gegessen, wie es zubereitet wird und wie man die Zubereitungsgeschwindigkeit durch Arbeitseinteilung bestmöglich maximieren kann.
Mit diesen erfreulichen Überlegungen kamen wir gut gelaunt am Schwimmbad an und wurden dort von einem jungen Mann auf einem Stuhl sitzend empfangen, der sogar auf Englisch wechselte, als er merkte, dass unser Französisch noch etwas holprig über die Lippen kommt. Das änderte nichts daran, dass ich seine Verkündigung lieber gar nicht gehört hätte: Das Schwimmbad sei wegen des Streiks geschlossen und wir könnten es ja mal im Schwimmbad in Bron versuchen.
Toll. Eigentlich hörte man nur davon, dass Metro, Tram und Züge bestreikt werden, aber dass sich die Schwimmbadarbeiter auch anschließen? Wie loyal.
Das konnte unsere optimistische Einstellung aber nicht trüben, unsere Lust auf Wassersport überwog und so nahmen wir den Weg ins (quasi) Unbekannte auf uns (Pierre war einmal mit uns für eine Besichtigung dort hin gefahren und uns war bewusst, dass es schwierig zu erreichen war, also genau der richtige Typ Herausforderung für uns beide). Es handelt sich nämlich um ein großes Schwimmbad, das es sich doch nie leisten könnte, wegen eines Streiks zu schließen? – PAH! Wenn die Franzosen streiken, dann aber richtig und ich weiß nicht, welche Einrichtungen noch betroffen waren, die Schwimmbäder gehörten aber alle dazu.
Man kann sich unsere Reaktion vielleicht in etwa ausmalen, als wir zwei Stunden nachdem wir die Wohnung verlassen hatten und mehrere Male FAST vom Weg abgekommen wären vor verschlossen Türen standen.
Tja, wir wussten nicht, ob wir lachen oder weinen sollten, wir setzten uns einfach auf den Boden und starrten auf den Gebäudekomplex.
Nach einigen Minuten traten wir leicht niedergeschlagen den Rückweg an und strichen für jeden von uns ein Ei fürs Abendessen weg, auf das wir nun ja nicht mehr angewiesen waren. Immerhin sind wir wieder viel gelaufen und das war ja auch was wert…
Am Freitag hatten wir ein Treffen mit unserem Tutor Julien, der noch ein paar Fragen an uns hatte und sich mit uns über Unis-Cité allgemein unterhielt und abends hatte sich unsere Sprachklasse in einem Restaurant verabredet. Darauf freute ich mich sehr, denn es wird bis auf weiteres das letzte mal gewesen sein, dass ich mit meiner Sprachklasse zusammen bin, weil ab Oktober mein Projekt losgeht und ich vormittags keine Zeit mehr haben werde für Sprachschule.
Ich kannte das Restaurant nicht und – wie immer – verlief ich mich auf dem Weg dorthin. Aber nachdem mir ein junger Mann mithilfe seines GPS fähigen Handys den Weg gezeigt hatte, stand ich schließlich vor dem „Léon de Lyon“, einem nicht gerade günstigen Restaurant. Aber Freitagabends ist es schwierig, kurzfristig für eine größere Gruppe einen Tisch zu reservieren und deshalb mussten wir etwas mehr Geld ausgeben. Ich empfand aber keinen Skrupel, es war der letzte Abend mit meiner Sprachklasse und wann würde ich das nächste Mal in ein teures Restaurant gehen?! Und wir hatten so einen Spaß! Es war wirklich lustig und wir hatten einen schönen Abend. Ich weiß jetzt, wie mein Name in Arabisch geschrieben wird und ich hab verschiedene andere Schriften gesammelt, zum Beispiel koreanisch, vietnamesisch, japanisch … Und wir wollten das gern noch mal wiederholen!
Den Samstag verbrachten wir gemütlich zu Hause und abends hatten wir Besuch von einem Madagassi (so nennen sich die Menschen auf Madagaskar), der bei uns im Haus wohnt. Er studiert in Frankreich und lebt in einer WG mit zwei anderen Studenten und wir fanden es gut, endlich mal Leuten in unserem Alter zu begegnen. Cas brachte seine Gitarre mit und mit den Texten aus dem Internet sangen wir viele verschiedene Lieder und hatten einen amüsanten Abend.
Am Sonntag dann ging es los in die Bretagne, zu unserem On-Arrival Seminar. Mit den beiden Freiwilligen aus St. Etienne (Laura, aus Deutschland und Deirdre aus Irland) trafen wir uns am Bahnhof in Lyon und los ging die Reise. Wir mussten mit insgesamt drei Zügen fahren und in Paris umsteigen und das mit sehr schweren Rucksäcken, weil für eine Woche bepackt. Da konnte viel schief gehen, aber wir sind heil angekommen. Und ich war zum ersten Mal in Paris! Nun ja, in den Metroschächten von Paris. Ich habe die Stadt nur kurz von oben gesehen, beim Ein- und Ausfahren von den Bahnhöfen. Wir haben fast eine Stunde zum Umsteigen in Paris gebraucht und zum Glück hatte Hristina ihren Kalender griffbereit, der als Zusatz auch den Metroplan von Paris beinhaltete. Mit dem haben wir nämlich unsere Verbindung ausgewählt und unseren Weg schließlich gefunden.
Am Bahnhof im kleinen Städtchen Rédon angekommen, hielten wir Ausschau nach anderen schwer bepackten Jugendlichen, die ebenfalls im MAPAR untergebracht waren (das MAPAR vermietet günstige Zimmer an junge Erwachsene, die arbeitssuchend sind oder weniger Geld für eine Unterkunft zahlen möchten).
Es war nicht schwierig, die anderen Freiwilligen auszumachen und als wir unsere schweren Rucksäcke einem Auto übergeben durften, lief es sich gleich viel schöner. Rédon ist wirklich ein niedliches Städtchen, vor allem wenn man gerade aus Lyon kommt kann der Gegensatz kaum größer sein. Wir waren die einzigen Menschen, die durchs Zentrum stapften, an verschiedenen Geschäften und Bars vorbei und in mir keimte dabei eine Art Urlaubsfeeling auf. Das Wetter war sonnig und in der Ferne konnte man die Berge sehen. Ich fühlte mich wirklich gut, aber das hielt nur etwa bis zur Mitte der Woche an, wo etwa die Hälfte von uns erkältet war. Das kam daher, dass die Heizungen auf unseren Zimmern nicht angemacht wurden und damit habe ich ein großes Problem. Ich bin eine Riesenfrostbeule, mir war die zweite Nacht noch unter zwei Decken und fünf Klamottenschichten kalt. Vielleicht hat sich da ja schon die Erkältung angebahnt. Oder wir haben uns alle gegenseitig angesteckt. Ab Mitte der Woche war – egal wo man sich befand – jemand mit einer Erkältung in Hustweite, Entfliehen war also zwecklos.
Nicht nur die Zimmertemperatur war bescheiden, sondern auch das Frühstück. Es gab jeden Morgen trockenes Baguette, drei verschiedene Marmeladen in diesen Pöttchen und kleine Schmierkäsepöttchen. Der Kaffee war lecker.
Auch das Mittagessen war gut und das Abendessen auch und somit wurde das magere Frühstück dadurch ausgeglichen und es hat sich niemand über zu wenig Essen beklagt.
So viel zu den räumlichen Begebenheiten, aber wir waren ja dort, um uns mit unserem Freiwilligendienst zu beschäftigen. Ich habe nicht wirklich neue Sachen gelernt, weil meine Organisation mich mit allen wichtigen Informationen ausgestattet hatte, aber jetzt kenne ich alle europäischen Freiwilligen in Frankreich und wir werden uns bestimmt bald mal besuchen.
Für Samstag, unseren Rückreisetag, war wieder Zittern angesagt, denn es sollte wieder gestreikt werden. Ich hatte schon mit einer anderen Freiwilligen, die in der Bretagne wohnt, einen Notfallplan entwickelt für den Fall, dass unser TGV nicht fährt. Aber wir hatten unverschämtes Glück: Unsere beiden TGV wurden nicht bestreikt. :) So sind wir ein weiteres Mal den streikenden Franzosen entwischt. ;P
A bientôt