Über Hirngespenster
Ein fröhliches Halloween! Oder, na gut, Reformationstag. Trotzdem ein schöner Anlass, um sich mal kurz der Frage nach meinem Blognamen zu widmen.
Es gab mal eine Zeit, in der wir täglich vorm Kiosk saßen und unsere Hirngespenster eine rosige Zukunft erfanden. In der war alles gut, wir hatten die beste Zeit und die krassesten Jobs und waren endlich frei. Bis dahin nur die 10. packen, vielleicht noch das Abi und dann kann uns nichts mehr halten, dann wird angefangen.
So singt es meine Lieblingsband, das ist das Lied, bei dem auf Konzerten immer dazu aufgefordert wird, seine Handytaschenlampen einzuschalten. Der Gedanke, meinen Blog danach zu benennen, ist mir tatsächlich bei so einem Konzert gekommen, einige Tage vor meiner Abreise im August. Unser Kiosk war McDonalds oder die Teestube in der Schule, aber ausgemalt haben wir uns auch, wie Sarah mal den Nobelpreis gewinnt oder ich als Anwältin die Welt rette. Die neue Freiheit, die Ratlosigkeit und die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten, zwischen denen wir uns nur entscheiden müssen, kennen wir auch jetzt noch alle nur zu gut.
Ein Teil meiner Freunde hat gerade eine Ausbildung oder ein Studium begonnen, den ersten Schritt also schon getan. Ob das jetzt für das ganze Leben die Richtung vorgibt, bleibt abzuwarten, aber ich hoffe, dass sie erstmal zufrieden mit ihrer Entscheidung sind. Der andere Teil ist noch im letzten Schuljahr, hat entweder noch kaum einen Plan, wie es danach weitergehen soll oder ist schon fleißig mit Bewerbungen beschäftigt. Bei einigen steht schon lange fest, was sie nach dem Abi machen wollen, andere zweifeln noch und überlegen, ob das jetzt wirklich das Richtige für sie ist. Ob sie das schaffen oder überhaupt angenommen werden. Vorfreude und Nervosität mischen sich, die Abenteuerlust und die Angst davor, seine Heimat zurückzulassen.
Was ist mit mir? Ich bin weg von Zuhause, sogar weg aus Deutschland. Die Schule scheint schon Jahre her zu sein. Den Aufbruch habe ich geschafft, aber wo geht es hin? Die Hirngespenster sind genauso Mitbewohner unserer kleinen Wohnung in Żary, sitzen beim Abendessen, wenn Sonja und Johanna sich ihre Medizinstudien ausmalen und gucken mir über die Schulter, wenn ich im Internet nach Studiengängen recherchiere. Gleichzeitig hat sich ja schon ein kleiner Traum erfüllt. Ich darf jeden Tag etwas lernen, neue Bekanntschaften schließen und merken, dass das Leben anderswo manchmal ganz schön gewöhnungsbedürftig, dann aber wiederum doch eigentlich genauso ist. Dieses eine kleine Hirngespenst ist Wirklichkeit geworden und ich bin froh, dass ich es hier mit euch teilen kann. Was mit den anderen ist, das weiß ich noch nicht, aber ich habe schon welche, das kann ich euch versichern.
Bald werdet ihr davon erfahren, wenn sie mehr als nur Schatten an der Wand sind oder seltsame Geräusche im Keller. Natürlich wird es nicht so kommen wie gedacht, das weiß ich auch. Das Tolle am Leben ist ja, dass an jeder Ecke neue Geister warten, die einem verschiedene Richtungen zuflüstern, richtige und falsche. Vor einem Jahr hätte ich nie gedacht, heute hier in Polen zu leben. Aber vielleicht müssen wir auch einfach alle mehr am Kiosk sitzen und auf seltsame Ideen kommen. Es kann etwas sehr Schönes dabei herauskommen. Ich wünsche vor allem meinen Freunden alles Gute und genau die richtigen Hirngespenster dabei.
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