This time: Copenhagen
Nach drei Jahren geht es wieder ins Ausland - Erasmus ruft. Das bleibt gleich: Papierkram und Auslands-Bafög beantragen. Das wird anders: Englisch und Freizeit.
Vor drei Jahren bin ich im Herbst nach Madrid gezogen für ein Praktikum. Meine Freundinnen aus EVS-Zeiten haben in der gleichen Zeit Erasmus gemacht, so wie auch andere Freunde für ein Auslandssemester in europäischen Städten waren. Während ich also 40 Stunden arbeitete, hörte ich Geschichten von Sightseeing-Touren, Partys im Wohnheim und freien Tagen ohne Kurse. Hinterher hatten meine Freunde in vielen verschiedenen Ländern Freundschaften aus der Erasmus-Zeit. Diese intensive und offenbar prägende Erfahrung wollte ich auch machen. Natürlich kam dazu die Neugier, wie es an einer anderen Universität zugeht und das Verlassen der eigenen Komfortzone, um besser Englisch zu lernen.
So spielten die Erasmuskooperationen der Humboldt-Universität bei der Entscheidung für den Masterstudiengang eine gewisse Rolle. Da der Master nur zwei Jahre dauert, muss man sich eigentlich schon kurz nach dem Beginn des Studiums um die Bewerbung kümmern. In der engeren Auswahl standen Kopenhagen und Vilnius. Obwohl es mich mehr gereizt hätte, in einer osteuropäischen Stadt zu leben, gab letztlich das Kursangebot den Ausschlag und die Aussicht auf einen sicheren Platz. Für die Bewerbung musste ich einen Nachweis meiner Englischkenntnisse nachreichen, weswegen ich im Winter etwas panisch auf den TOEFL-Test lernte. Das Strategiebuch und die englischen Podcasts hatten ihren Effekt und ich meine benötigte Punktzahl. Danach ging die Organisation etwas einfacher: meine Erasmus-Koordinatorin nominierte mich bei der University of Copenhagen, ich bewarb mich dort und bekam im Mai schließlich darüber Bescheid, dass ich angenommen wurde. Dann wurde es wieder etwas komplizierter, da auf der einen Seite meine Angaben in verschiedene Formulare und Tabellen eingetragen und an verschiedene Personen versandt werden mussten und auf der anderen Seite kam die praktische Herausforderungen wie das Finden einer Unterkunft und das Beantragen von Auslands-Bafög. Zumindest letzteres war mir nicht neu und das Onlineportal zum Upload von Dokumenten ist eine echte Erleichterung, trotzdem ist man immer etwas frustriert, wenn doch wieder ein Brief mit einer langen Liste nachzureichender Unterlagen zurückkommt. Frust kommt auch auf bei der Wohnungssuche, wenn man feststellt, dass es keine besonders originelle Idee ist, in einer Facebookgruppe zu suchen und bei Wohnungsportalen ein monatlicher Beitrag von 40 € gezahlt werden muss, um Eigentümer kontaktieren zu können. Nach kuriosen Angeboten und einem vielversprechenden Skype-Gespräch, aus dem dann doch nichts wurde, hatte ich über die Housing Foundation der Uni Glück und konnte ein kleines Appartement mit Küche und Bad in einem Wohnheim mieten. Der Buchungsprozess ist nervenraubend und ich war mir bisher auch nicht bewusst, dass man in Online-Warteschlangen sehr lange Zeit verbringen kann - aber ich habe ein Dach über dem Kopf und kann es gerade so bezahlen.
Nach der Bestätigung des Mietvertrags fiel mir erstmal ein Stein vom Herzen, bis ich davor stand, mein eigenes Zimmer unterzuvermieten. Das Unterfangen war mindestens genauso nervenaufreibend, wenn nicht noch mehr - WG-Castings zu veranstalten ist einfach eine bescheuerte Angelegenheit. Ein wenig enttäuschend war die Kurswahl - mein Wunschkurs "Filter Technologies and Filter Bubbles" wurde wegen mangelndem Interesse gestrichen, sodass ich umwählen musste. Immerhin konnte ich mich ohne Probleme für den Kurs "Gender and Sexuality Studies" anmelden, der im Rahmen dänischer Kulturkurse angeboten wird. Da ist er - der Blick über meinen fachlichen Tellerrand, den ich im Master eigentlich viel stärker wagen wollte, der aber bisher zu kurz kam.
Die Vorfreude wuchs, vor allem nach einem Tagestrip nach Kopenhagen, um meine Schlüssel abzuholen und einen ersten Koffer voller Klamotten und Dinge in die Wohnung zu bringen. Den Rest des Tages verbrachte ich damit, die Gegend um meinen Wohnort ausfindig zu machen und mit dem Elektroleihfahrrad zum Strand zu fahren. Zurück in Potsdam musste ich allen Freunden vorschwärmen, wie toll die Stadt ist, wie supertoll die Fahrradwege und wie nett und höflich die Menschen sind. Ein Freund meinte: Wenn du jetzt schon so schwärmst, wie wird das dann erst in 3 Monaten?
Trotz aller Vorfreude war es ein bisschen traurig, mein Zimmer auszuräumen und mein Leben der letzten Jahre in Kisten verpackt in den Keller zu stellen. Zwei prall gefüllte Rucksäcke sollten noch mitkommen. Das Fahrrad war ursprünglich auch mit eingeplant, bis die Werkstatt meine Hoffnungen getrübt und von einer teuren Reparatur abgeraten hatte. Zuletzt war das Fahrrad vor der Haustür geklaut worden. Nach sommerlich-schönen Abschieden war das ein letzter Wermutstropfen, der zu sagen schien: Okay, dann kannst du jetzt auch gehen. In Kopenhagen wird's auch schön.