The End?
Für orangina bricht der letzte Monat ihres Freiwilligendienstes in Polen an. Etwas seltsam ist das schon. Trotzdem, in einem Monat kann man noch viel erleben - und das hat sie auch vor!
Schon seit Wochen habe ich mich gefragt, wie es wohl sein wird sagen zu müssen "Ich bleibe noch drei Wochen." Der Zeitpunkt, an dem man nicht mehr von "Monaten" sprechen kann. An dem man das Gefühl hat, ab jetzt besteht der Aufenthalt nur noch darin in Erinnerungen zu schwelgen, aus Zusammenfassungen und Bewertungen und nicht zuletzt aus einem Blick in die Zeit nach dem Freiwilligendienst.
Mag sein, dass das jetzt vernünftig wäre. Bei der Uni bewerben, eine Wohnung suchen, die Zeit nach dem 1. Juli planen…
Aber ganz ehrlich: ich habe für mich beschlossen auch die letzte Zeit noch zu genießen und sie zu behandeln wie alle anderen vier Wochen meines EVS. Das heißt: Auch für den letzten Monat noch Pläne schmieden, auch wenn es wie immer zu viele Ideen und Ziele für die kurze Zeit sind.
Da wären immer noch Danzig und Posen, die Masuren (aus Wettergründen ist der Trip dahin vor zwei Wochen leider ausgefallen), die Ukraine, Slowakei…
Seit meinem letzten Beitrag ist auch noch einiges passiert. Meine Eltern und mein Onkel waren zu Besuch und es lief insgesamt sehr gut. War schön ihnen zeigen zu können wo ich wohne, arbeite und lebe. Natürlich haben sie Auschwitz besucht, aber auch das Jüdische Zentrum, das Max Café, meine Wohnung – kurzum, auch etwas vom "normalen" Leben hier kennen gelernt. Wir waren auch in Krakau, Bielsko-Biała, Pszczyna (wenn man das aussprechen kann, darf man glaube ich stolz sein) und Racibórz. Da ich mit meiner Familie logischerweise deutsch geredet habe gab es von Polen während der ganzen Zeit positiv überraschte Reaktionen, wenn ich dann meine Bestellung im Restaurant auf Polnisch aufgegeben habe. Irgendwie scheint sogar das meine Eltern schon beeindruckt zu haben. Vorlesen der Speisekarte geht ja mittlerweile, aber ich persönlich bin mit meinem Polnisch nicht wirklich zufrieden und versuche jetzt in den letzten Wochen noch mal was dagegen zu tun.
Gestern habe ich dann auch mal wieder eine Führung in Auschwitz mitgemacht, auf Englisch von meiner Polnisch-Lehrerin. Diesmal fand ich sie wirklich gut, da ich beim letzten Mal einen Guide hatte, der mehr oder weniger nur Zahlen aneinandergereiht hat. Ich fand jedenfalls, dass Ewelina diese schwierige Balance aus sachlich bleiben und nicht abgeklärt wirken sehr gut hinbekommen hat. Wobei sie mir auch im Nachhinein gesagt hat, dass es ihr jetzt besonders schwer fällt über das Schicksal von Kindern im KZ zu reden, da sie jetzt selber eine kleine Tochter hat.
So normal das Leben hier in Oświęcim sonst ist – irgendwann wird man doch wieder darauf gestoßen, dass man nur drei Kilometer vom KZ Auschwitz entfernt wohnt.
Durch die Flut hier ist ja mein Urlaub, wie schon geschrieben, mehr oder weniger ausgefallen. Ich und Arta haben uns dann gegen Berge oder Masuren entschieden und stattdessen habe ich einfach einige Tage bei ihr in Bytom verbracht. Einen Tag sind wir auch nach Gliwice gefahren, wo wir uns mit Adam getroffen haben. Er hat uns die Stadt gezeigt und ich war endlich mal wieder den ganzen Tag Polnisch ausgesetzt. Obwohl ich die meiste Zeit in Englisch geantwortet habe, war ich doch überrascht, dass ich fast immer verstanden habe worum es geht. Gliwice hat mir übrigens sehr gefallen, eine schöne Stadt mit vielen Grünflächen.
In Bytom haben wir uns an einem Tag Fahrräder aus der Kronika, der Kunst-Galerie in der Arta ihr EVS macht, ausgeliehen und haben industrielle Ruinen und die Umgebung von Bytom erkundet.
Am Ende der Woche bin ich dann mit Max, einem anderen Freiwilligen, spontan nach Warschau gefahren und habe auch Ines und Bianca wieder getroffen, die ich von meinem Ausreiseseminar in Deutschland und meinem On-arrival-Training in Warschau kannte. Hat sich auch im Nachhinein als eine sehr gute Entscheidung herausgestellt, wir hatten nämlich 25 °C und Sonne und somit endlich mal ein paar regenfreie Tage!
Vorgestern war abends der Empfang der Kadetten aus Militärakademien der USA in Krakau. Ich bin zusammen mit meinen Mitfreiwilligen Florian und Julia gegen 17 Uhr aufgebrochen, um 19 Uhr sollte der Empfang beginnen. Auch dabei waren Danny und Celia, zwei Fotojournalisten aus den USA, die sich gerade intensiv mit Oświęcim und Auschwitz beschäftigen (Ihre Blogs findet ihr hier: http://dannyghitis.blogspot.com/ und http://celiatalbottobin.blogspot.com/.) Wir standen dann auch sehr pünktlich um viertel vor sieben vor dem US-Generalkonsulat in Krakau. Nur leider sonst niemand! Wie sich herausstellte fand der Empfang in der Residenz des Konsuls statt. Dank W-Lan und einigem Hin- und Hertelefonieren haben wir dann die Adresse rausbekommen, ein Taxi genommen und waren mit einer halben Stunde Verspätung auch endlich bei dem Empfang.
Der Abend war dann wirklich sehr nett – gutes Essen, guter Wein und interessante Gespräche! Wir haben auch schon mal einige der Kadetten kennen gelernt, die eine Woche im Süden Polens verbringen. Auf dem Programm stehen unter anderem der Besuch des Jüdischen Zentrums, von Auschwitz und Birkenau, ein Treffen mit einer Holocaust-Überlebenden und Filmvorführungen. Ich bin schon gespannt auf die nächsten Tage!
Ansonsten ist hier Mitte Juni noch das Peace Festival in Oświęcim, bei dem auch Bands aus der Ukraine und Österreich auftreten. Hier freuen sich schon alle drauf, da das kulturelle Angebot hier sonst doch sehr begrenzt ist. Das Jüdische Kulturfestival in Krakau ist auch noch Ende Juni und wenn alles klappt werde ich sogar noch in die Ukraine fahren.
Für heute Abend hat sich auch noch spontan Besuch aus Wrocław angekündigt und in drei Wochen bekomme ich Besuch von einem Couchsurfer aus Frankreich.
Ihr seht also, Langeweile kommt nicht auf und ich genieße auch die letzten Wochen hier noch in vollen Zügen! Do zobaczenia!