[Teil 1] Warum Orbáns Politik in Ungarn Erfolg hat
Heute schreibe ich endlich über das Thema, was mich vor dem Beginn meines ESKs beschäftigt hat. Die Politik in Ungarn.
Das Einzige, was ich über Ungarn wusste bevor ich hier her gekommen bin, war die reche Politik der Regierung und schleichende Abschaffung der Demokratie, vorangetrieben vom ungarischen Ministerpräsident Viktor Orbán. Doch je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige und je mehr ich mich vor alledem mit Ungarn über dieses Thema unterhalte, merke ich, dass es weniger nur um reine Politik geht, sondern vielmehr um die ganze Identität einer Nation.
Das Selbstverständnis Ungarns
Das Selbstverständnis der Ungarn ist geprägt vom Verlierer sein, sich unterordnen müssen und zu Unrecht bestraft zu werden. In der Nationalhymne von Ungarn heißt es beispielsweise in den letzten zwei Strophen:
„Ach, und keine Freiheit sprießt
Aus dem Blut der Toten
Nur der Knechtschaft Träne fließt
Trauerschwer zu Boden.
[…]
Uns, die lang das Unglück schlug,
Schenke wieder Freuden,
Denn wir büßten hart genug
Schuld für alle Zeiten“[1]
Nun dachte in anfangs mit Blick auf die deutsche Nationalhymne, dass man den Text von Nationalhymnen nicht unbedingt so ernst nehmen sollte, da sie meistens vor einigen Hundert Jahren verfasst wurden. Doch die Ungarn tun das und nehmen den Text sogar sehr zu Herzen.
Der Vertrag von Trianon
Um das zu verstehen, muss man 99 Jahre in der Geschichte Ungarns zurückgehen. Am 4. Juni 1920 unterschrieb Ungarn im Versailler Palais "Grand Trianon" einen Friedensvertrag, der die Situation Ungarns nach dem Ersten Weltkrieg regelte, insbesondere die neuen Grenzen. Da der Vertrag schon im Vorfeld ohne Ungarns Beteiligung ausbearbeitet war, konnten die ungarischen Abgeordneten in Versailles nichts mehr an dem Vertrag ändern, zudem wurde eine Volksabstimmung in den betroffenen Gebieten abgelehnt.
Durch den Vertrag verlor Ungarn circa zwei Drittel seines ehemaligen Territoriums (von 325.411 km² auf 93.073 km²).[2] Zum Vergleich, das Deutsche Reich musste nach dem ersten Weltkrieg 10% des Staatgebietes abgeben. Die ehemals ungarischen Gebiete wurden an die Nachbarländer, sprich Österreich, die Slowakei, Polen, Ukraine, Rumänien, Kroatien, Serbien und Slowenien verteilt, wodurch etwa 3.000.000 Ungarn von ihrem Heimatland getrennt wurde. Die Hälfte davon lebte im heutigen Rumänien. [3]
Der Vertrag von Trianon hat die Ungarn geschockt und bis heute sitzt diese Empörung tief verankert in dem ungarischen Selbstbewusstsein. „Trianon ist die größte historische Katastrophe, die Ungarn je erlitten hat.“, sagte der ungarische Historiker Krisztián Ungváry dem Spiegel Online im Juli 2019.[4] Zudem wurde die Geschichte meiner Meinung nach, nicht sorgfältig aufgearbeitet, sodass es schon zu einem Trauma der ungarischen Nation geworden ist und für manche rechtsradikalen Gruppen die Wiederherstellung „Großungarns“ noch eine Lösung darstellt.
Weiter geht's im Teil 2....
[1] http://www.ungarn-guide.com/nationalsymbole_04.php
[2] Herbert Küpper: Das neue Minderheitenrecht in Ungarn. Oldenbourg, München 1998, ISBN 3-486-56378-5, S. 77.
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Trianon
[4] https://www.spiegel.de/plus/wie-viktor-orban-die-sehnsucht-nach-einem-grossungarn-bedient-a-e71a8de7-9f1f-41d6-b7f4-8515507096fb
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