Sighá sighá
Karenakis gesamte griechische Familie ist ganz versessen darauf, ihr neue Vokabeln beizubringen. Mit so vielen Lehrern dürfe es ja ein Leichtes werden, die Sprache schnell zu lernen. Oder?
Eben habe ich mit Ioanna und Erika telefoniert. War schon komisch, weil wir bisher nur E-Mail-Kontakt hatten. Beide haben sehr lustige Akzente. Ich fand´s gut, dass Erika gleich Englisch mit mir gesprochen hat, obwohl sie ja Germanistik studiert hat. Ich hatte ihr schon mal in einer E-Mail geantwortet, dass Verena und ich gerne nur Englisch und Griechisch sprächen.
Mit Erika habe ich ausgemacht, dass ich morgen um 14.30 Uhr zu ihr komme, damit sie mir die Wohnung zeigen kann. Dann werden wir zusammen zum Jugendzentrum gehen, da sie um 15 Uhr arbeiten muss. So werde ich auch die Gelegenheit haben, die anderen Freiwilligen kennen zu lernen. Ich hoffe, dass ich mich nicht allzu gut mit ihnen verstehen werde, da ihre Zeit hier am 05. zu Ende sein wird. Besonders gespannt bin ich natürlich auf Erika, weil sie ja noch für zwei Monate hier sein wird.
Verena (enli) kommt wohl morgen gegen frühen Abend in Korinth an. Ich freu’ mich schon voll, sie endlich richtig kennen zu lernen!
Da die „alten“ Freiwilligen noch ein bisschen hier sein werden, werde ich wahrscheinlich erst am 05. in die Wohnung ziehen, da Ioanna meinte, es werde uns sonst wahrscheinlich zu voll. Ich solle das einfach morgen entscheiden. Am 06. September werden dann noch die beiden Ungarn/Ungarinnen dazu ziehen, welche für zwei oder drei Monate am Leonardo-Programm teilnehmen.
Ich bin schon sehr gespannt auf morgen! Bisher war ja irgendwie alles wie immer – außer, dass mich mein Onkel nur noch mit „Na, du Freiwillige“ anspricht –, weil ich die letzten Jahre jeden Sommer für ein paar Wochen in Griechenland war. Morgen jedoch wird mir wahrscheinlich bewusst werden, dass es eben doch nicht nur ein Familienurlaub ist, was ich hier mache. Und am 05. September geht es dann richtig los mit meinem Freiwilligendienst!
Gestern Abend war ich – wie angekündigt – auf dem großen Familienfest. Da meine Cousine Inó ja erst sechs Jahre alt wurde, begann das Kindergeburtstagsfest bereits um 18 Uhr. Ich musste ehrlich gesagt erst einmal tief durchatmen, bevor ich aus dem Auto stieg, um einen Schwall von Begrüßungen und Liebkosungen über mich ergehen zu lassen. „Mädchen, bist du groß geworden“, „Und wie hübsch sie geworden ist!“, „Das letzte Mal, als ich sie gesehen habe, war sie noch ein kleines Kind“, „Wie sehr sie ihrem Vater ähnlich sieht!“, „Sie ist ja noch schöner als im letzen Jahr!“. Zusammengefasst: Meine ganze griechische Familie freut sich sehr, dass ich nun endlich einmal länger hier bin und Griechisch lerne!
Mittlerweile denke ich, dass ich es wohl schaffen werde, die Sprache in neun Monaten gut zu beherrschen. Allein gestern Abend habe ich wieder so Einiges dazugelernt, wie zum Beispiel ta pethia = die Kinder, to pethi = das Kind.
Alle sind ganz wild darauf, mir etwas beizubringen und loben mich, wie schnell ich lerne. Jeder versucht, mir etwas zu erklären, sagt aber zu den anderen „sighá sighá“, was soviel heißt wie langsam oder Stück für Stück.
Ich muss sagen, ich freue mich auch schon sehr auf das Fest, auf dem ich mich endlich mal richtig auf Griechisch unterhalten kann! Gestern musste ich mich halt damit begnügen mit meinem Vater, meinem Onkel, meiner Tante und ihrem Trauzeugen auf Deutsch zu kommunizieren und mit drei oder vier andern Leuten auf mehr oder weniger gutem Englisch. Aber es ist irgendwie auch rührend, wie die Cousinen meines Vaters versuchen, mir mit ihrem gebrochenen Englisch etwas mitzuteilen! Besonders süß ist meine Cousine Andromachi (7), die ganz vernarrt darauf ist, Deutsch zu lernen und sich bei jeder Gelegenheit mit „Karen, vielen Dank“ bei mir bedankt J.
Das Fest an sich war auch so ein Erlebnis für sich! Damit Ihr nachvollziehen könnt, was ich meine, habe ich Euch extra die Torte meiner Cousine fotografiert. So etwas pinkfarbenes, glitzerndes und kitschiges habe ich bisher nur in Hollywoodstreifen gesehen! Zum Glück hat sie nicht so giftig geschmeckt, wie sie aussah! Im Gegenteil, sie war sogar echt lecker, wenn auch viel zu süß. Als ich das meiner Tante sagte, antwortete sie mir, dass dies extra eine nicht so süße Torte sei und sie normalerweise noch viel süßer seien. „So süß, dass man nur ein ganz kleines Stückchen davon essen kann und danach einen Kübel Wasser leeren muss!“
Außerdem hat mir meine Tante etwas anderes Interessantes erzählt. Sie sagte, dass diese Kindergeburtstagsfeste in Griechenland wohl nicht für die Kinder, sondern für die Erwachsenen gemacht werden! Sie selbst ist in Berlin aufgewachsen und hat daher nur ein „kleines“ Büffet vorbereitet; eben so groß, dass eine Schar Kinder davon satt wird. Da hat mein Onkel wohl zu ihr gesagt: „Ja, die Kinder werden davon allemal satt, aber was ist mit den Eltern (und Großeltern...)? Du glaubst doch wohl nicht, dass sie wegen der Kinder herkommen, sie kommen hierher, um sich die Bäuche voll zu schlagen!“ Also hat mein Onkel noch jede Menge Fleisch besorgt, denn was ist ein griechisches Fest ohne Fleisch? Da ich mich ja nicht so viel unterhalten habe wie andere, hatte ich die Gelegenheit, die anderen zu beobachten. Sehr erstaunlich, was ein Mensch alles essen kann!
Zu meinem Unglück waren meine Verwandten nicht die einzigen Lebewesen, die gesättigt sein wollten, nein, auch die Mücken (kunupies) waren sehr hungrig... Solltet Ihr irgendwann mal einen guten Moskitoschutz benötigen: Nehmt mich! Wenn ich in Eurer Nähe bin, kommen die Mücken zu mir und Ihr werdet verschont!
Kaliníchta!
Übrigens sind Badezimmerartikel hier viel teurer als in Deutschland. Meine Wimperntusche kostet hier zum Beispiel fast zwei Euro mehr! Das liegt wohl hauptsächlich an der höheren Mehrwertsteuer (19 Prozent). Außerdem wird das Wetter gerade etwas schlechter. Es ist ganz bewölkt.