Schnottland
Ein Bericht über Schnee und Schottland.
Eine Verbindung, auf die man als Außenstehender vielleicht nicht so einfach kommen würde. Aber die sich in mein Gedächtnis eingefressen hat. Oder eher eingefroren?
Es zieht zu.
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Ich werde diesen Winter wohl niemals vergessen.
Auch wenn er erst sehr jung ist und wahrscheinlich gerade einmal seine ersten Fühler ausstreckt, so sind diese aber schon sehr beeindruckend. Die Wucht, mit der er uns hier ereilt, ist doch neu für mich.
Klar, aus Deutschland kenne ich auch den Novemberschnee, ein bis zwei Tage ist es kalt und es gibt mehr oder weniger den ersten Schnee, danach schmilzt dieser und es ist erstmal Schluss mit dem Weiß bis nach Weihnachten (da wäre er doch mal angebracht!).
Was allerdings gerade hier passiert, ähnelt doch eher dem Day After Tomorrow.
Den ersten Schnee dieses Winters sah ich im Zug (bzw. natürlich als ich aus dem Fenster sah) auf dem Weg nach Inverness. Zu dem Zeitpunkt hab ich mich tatsächlich (und das kommt mir jetzt im Nachhinein total absurd vor!) gefreut. Es war schön, wie alles von einer Decke bedeckt war, es war friedlich, wie die Menschen scheinbar lautlos durch romantische Wälder liefen, es war befriedigend, wie die Autos plötzlich im Schneckentempo über die Straßen krochen, während der Zug an ihnen vorbeischnellte.
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Es rieselt.
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Doch dieser Positivismus verging schnell. Noch schneller als der Zug an den Autos vorbeifuhr.
Denn all die schönen Ausflüge, die ich mir vorgenommen habe, vielen ins Wasser. In gefrorenes Wasser. HAHA.
Denn Mutter Natur dachte es sei an der Zeit für einenSchneesturm, so habe ich wunderbare Bilder gemacht, auf denen man nur erahnen kann, was sich dort befindet. Hat auch was, ich weiß, aber nur, wenn es auch gewollt ist. Und das war es bei mir definitiv nicht.
Nette Leute, nette Landschaft. Nettes Wetter. NICHT!
So bin ich also früher als gedacht wieder nach Haus.
Aber auch dort erwartete mich mein alter Freund und Begleiter, des Schneesturm.
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Der erste Schnee.
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Nun gut, ich hatte ein warmes Bett und nette Leute um mich (und ja, ich gebe es zu: auch eine Flasche Rotwein war im Spiel...), es machte also Spaß draußen ein wenig rumzualbern.
Der darauf folgende Tag war matschig und geprägt von grauem, schmutzigem Schnee. Aber auch die ersten Schneemänner waren zu sehen. Man schaut nur noch auf seine eigenen Füße, Gummistiefel oder Stiefel sind Pflicht.
Doch dieser Tag war nur eine kurze Pause. Zum Durchatmen. Und um in Ruhe über den "German Christmas Market" schlendern zu können. Diese Pause hätte man sich auch gleich sparen können.
Der Schneesturm nimmt an Fahrt zu. Man geht nun nicht mehr hinaus, außer es muss sein.
Zum Beispiel ich muss zur Arbeit. Durch den Schnee kann ich nicht mehr mein Fahrrad benutzen, das war mir schon vorher klar, aber als ich dann schließlich vor die Tür trat, war da gar kein Fahrrad. Es waren auch keine Autos da. Wo hätten die auch sein sollen, es war schließlich auch kein Parkplatz da. Und kein Weg. Kein Rasen, keine Treppen, kein Erdgeschoss (gut, ich übertreibe langsam).
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Die Flocken werden größer.
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Doch eins war da: Schnee. Schneeflächen, Schneeberge, Schneehaufen, Schneehäufchen. Schnee auf dem Fahrrad, Schnee auf den Autos, Schnee auf dem Parkplatz, auf dem Weg, auf dem Rasen, auf der Treppe (und das Erdgeschoss nicht zu vergessen! :P).
Nach Jahren des Schneewanderns bin ich schließlich bei der Arbeit angekommen. Doch auch dort: nichts als Schnee! Okay, ich gebe zu, im Gebäude fand ich dann doch ein paar Menschen, die mir erklärten, dass schneefrei ist, ich aber, da ich ja nun schon da bin, arbeiten muss! Ja, das hat man davon Freiwilliger zu sein.
Währenddessen schneit es munter weiter. Als ich vorzeitig entlassen werde (das hört sich grausig an, aber ist gewollt, da diese Arbeitsstunden die sinnlosesten Stunden meines Lebens waren: Emails, Facebook, Tagesschau.de), steht der Schnee schon bis zum Schienbein.
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Der Schnee schränkt die Sicht ein.
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Ich beschließe nicht mehr rauszugehen um einzukaufen, wieso auch, ist doch noch Brot da. (Dies wird sich noch als fataler Fehler erweisen.)
Ich dachte zu diesem Zeitpunkt noch, es könne gar nicht noch mehr Schnee fallen, so viel hat es hier ja auch nicht geregnet.
Ich stehe am nächsten Tag auf, gehe zur Arbeit. Es schneit. (Überraschend, nicht wahr?) Die Schneeschicht steht mir bis zum Knie. Kleine Furchen im Schnee geben an, wo man lang laufen kann, aus breiten Fußgängerwegen sind schmale Trampelpfade geworden. Kommt man sich entgegen, muss immer einer ins Nichts (Oh mein Gott!) treten. Viele Autos sind nur noch als erkennbar, weil sie immer noch dort stehen, wo sie zu Anfang der Eiszeit standen. Andere wiederum, sind an Straßenrändern geparkt, wo normalerweise Höchstgeschwindigkeiten erreicht werden, nun aber eine Schildkröte mithalten könnte.
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Der Schnee erschwert Denken, Sprechen, Sein.
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Fußgänger erobern sich so langsam den Straßenbereich zurück, denn dort kann man wenigstens laufen. Überhaupt sind viele Menschen zu Fuß unterwegs, lächeln freundlich, man teilt ja dasselbe Leid. Und Kinder sind im Paradies angekommen, lassen sich lachend mit ihren Overalls in den Schnee fallen und bauen Schneemänner und bewerfen vorbeilaufende Menschen mit Schneebällen. Keiner hat für sie ein böses Wort. Es herrscht ein gewisser Frieden, den keine Weltorganisation besser herstellen könnte.
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Der Schnee nimmt dein ganzes Gedankengut in Anspruch.
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Doch auf Arbeit sind wir immer noch nur zu zweit. Und unsere Aufgabe ist es, allen Teilnehmern (es sind immerhin über 100!) telefonisch Bescheid zu sagen, dass alle Workshops und unsere über Monate geplante und einstudierte Weihnachts-Jahresabluss-Show abgesagt werden. Es sei den Kindern nicht zuzumuten bei diesem Wetter hier aufzutauchen. Das tun die Mitarbeiter schließlich auch nicht. Aber ich dafür.
Aber ab dafür.
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Der Schnee bestimmt den Verlauf der Weltgeschichte, Bild-Seite 1, noch vor der Klum.
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Schlussendlich musste auch ich den Umweg über den Supermarkt gehen. Und das ist die bisherige Krönung von allem: Die Grundnahrungsmittel waren ausverkauft! Die Leute hamstern!! So etwas hat man noch nicht erlebt. Als ob wir hier in Grönland wären und unsere Nahrungsmittellieferung jeden Moment abreißen könnte. Es gab kein Brot, keine Milch, kaum Gemüse, keine Tiefkühlpizza. All dies stand auf meiner Einkaufsliste.
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Der Schnee bringt nach deiner Stimmung und sämtlichen Extremitäten auch die letzte Telefonleitung zum einfrieren.
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Nun, ich habe diesen Schock überlebt und muss jetzt an jedem Eckchen Brot sparen. Aber ich überstehe es! Ich werde überleben! Ich werde diese Eiszeit überstehen, und wenn es das letzte ist, was ich tue! Und wenn ich der letzte Überlebende bin, ich werde auch noch bei -29139849,49°C meine Theaterworkshops planen, auch wenn alle abgesagt sind!
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Der Schnee verwandelt sich in die erste Supermacht der Geschichte, die jedes Jahr ohne Konsequenzen die Menschheit unterwirft!
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Ich lass mich doch von so einem mickrigen Winter nicht unterkriegen! PAH!
...
Okay was mach ich jetzt?
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Es schneit.
P.S. Das Wort Schnee habe ich gewissermaßen bewusst in einer bestimmten Anzahl wiederholt. Alle Schlaumeier werden dies bemerkt haben. Der Grund dafür soll erraten und mir verraten werden. Es geht um den Gewinn einer Reise auf einem Schiff in die Karibik!
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