Schlaf cool!
Hotels sind normalerweise zum Übernachten da. Und Eis zum Schlecken oder zum Schlittschuhlaufen. Zumindest schien das klar - bis ein findiger Hotelier beides zusammenbrachte. Das Ergebnis hat sich gianna mal angeguckt.
Es gibt gewisse Orte, über die man gelegentlich eine Reportage im Fernsehen sieht oder einen Artikel in der Zeitung liest und doch weiß: "Klingt spannend. Aber was soll's, da komm ich ja eh nie hin." Auf den Himalaja zum Beispiel. Oder nach Transsylvanien. Vom Bermuda-Dreieck ganz zu schweigen.
Und wer kommt schon ins Eishotel? Nach Jukkasjärvi, dem kleinen Ort im Norden Kirunas, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen – Und seit 1983 auch scharenweise Touristen aus der ganzen Welt, die weder Kälte noch Kosten von ihrem Wunsch abhalten, eine Nacht im Eistraum zu verbringen. Übernachtet habe ich nicht, schließlich habe ich in Schweden als Volontär und nicht als Managerin gearbeitet, aber für die Eintrittskarte (12 Euro), hat's noch gereicht…
Was mich hinter den Polarkreis verschlagen hat? Das war Anna, europäische Freiwillige in Nordschweden und gute Freundin in allen Bereichen. Deren Einladung bin ich zusammen mit drei anderen deutschen Volontären gefolgt. Zusammen haben wir uns eines schönes kalten Morgens in den Zug Richtung Eishotel gesetzt und sind zunächst einmal nach Kiruna gefahren, durch eine verschneite, märchenhaft schöne Schneelandschaft, vorbei an Schneehühnern und Rentieren. Allerdings haben sich die blöden Viecher immer genau dann gezeigt, wenn ich entweder gerade etwas in meiner Lunchtüte suchte oder zur Abwechslung mal zum anderen Zugfenster hinausschaute. Aber gut, man kann ja nicht alles haben…
Im Touristenbus ließen wir uns zum sagenumwobenen Hotel kutschieren, das wir eingemummelt bis zum Hals und mit andächtigen Schritten betraten. Es war ein tolles Gefühl, durch die eisige Halle zu schreiten mit der berauschenden Gewissheit: "Ich bin im Eishotel. Ich bin im Eishotel. Ich bin im Eishotel!!!"
Bis nach einiger Zeit der erste Enthusiasmus verflog. Denn der Eintritt war heftig. "Und es ist kalt! Kaaaalt!!!!"
Da traten wir zum ersten Mal aus dem "Haus", um uns aufzuwärmen. Denn in den Räumen des Hotels herrscht gerade mal eine Temperatur zwischen -4 und -9 Grad Celsius , die einem trotz vieler Klamottenschichten nach einiger Zeit doch bibbern lässt. Dennoch war es ein toller und vor allem sehr interessanter Ausflug.
Bei einer Führung erzählte uns eine der in futuristische Capes gehüllten Angestellten alles über Geschichte und Alltag des Hotels. Zum Beispiel, dass wahnsinnig viele Pärchen ganz wild darauf sind, sich die ewige Liebe zwischen eisigen Wänden zu schwören und sich in der Kapelle des Eishotels trauen lassen. Die wird übrigens jedes Jahr mit Kerzen geschmolzen, da eine Kirche allein durch Feuer zerstört werden darf. Der Rest der Anlage wird der Frühlingssonne überlassen und so fließt das ganze Hotel jeden April den Bach hinunter.
Zusammen mit allen kunstfertigen Eisskulpturen, die renommierte Künstler jedes Jahr aufs Neue und immer wieder zu anderen Themen für die Hotelräume gestalten. Daher fühlt sich der Gang durchs Hotel auch ein bisschen wie ein Museumsbesuch an, bei dem man die Werke der Eiskünstler bestaunen kann. So gab es diese Saison ein Zimmer, in das ein Elch Kopf aus der Wand ragte, wobei das Hinterteil der Skulptur außerhalb der Eiswand zu finden war, was den Eindruck vermittelte, der Elch renne durch die Mauer. In einem anderen Raum schien man jegliches Gefühl für Raum und Weite zu verlieren, konnte plötzlich nicht mehr einschätzen, wie weit die Wand von einem entfernt war, und hatte nur noch weiß vor Augen.
Dieses Zimmer war übrigens das Lieblingszimmer von Kronprinzessin Victoria, die dieses Jahr zusammen mit ihrer Familie anlässlich des Geburtstages von Königin Sylvia im Eishotel übernachtet hat. Zu Ehren der Königsfamilie wurden sogar die eisigen Instrumente bespielt, unter anderem eine Gitarre und ein Cello, die ebenfalls ausgestellt waren. Wer sich weniger für Musik und mehr fürs Dramatische interessiert, kommt im Globe auf seine Kosten, dem Eistheater, wo man berühmte Stücke in der Sprache der Samen aufführt, dieses Jahr "Mac Beth".
Darauf verzichteten wir allerdings und genossen stattdessen die traumhafte Natur, die das Hotel umgibt und dessen Schönheit eigentlich um ein Vielfaches übertrifft. Weiß verschneite Berge im Sonnenschein, ein zugefrorener Fluss, der sich darunter vorbei schlängelt, dazu einige Hundeschlitten – all das schaffte eine tolle Atmosphäre, die mir mindestens so gut im Gedächtnis geblieben ist, wie das Hotel selbst.
Da war es leicht zu verkraften, dass eine Übernachtung unsere Geldbeutel gesprengt hätte. Und schließlich genießen nicht alle Gäste ihre Nacht im Hotel, da sie unter der dicken Eisdecke klaustrophobische Beklemmungen bekommen.
Also nix mit "schlaf cool"…