Reisen im Regen: Swidnica
Johannson fährt nach zwei Wochen Wroclaw in die Umgebung, nach Swidnica. Er lässt sich dort auch vom Dauerregen nicht abschrecken, die Stadt ausgiebig zu erkunden.
So, nach zwei Wochen mehr oder minder effizientem Tourismus in Wroclaw bin ich heute wie versprochen zum ersten Mal in die Umgebung, nach Swidnica (Schweidnitz) gefahren. Das ging schon mal prima los, ich wurde vom sanften Rauschen des Dauerregens geweckt und erfuhr im Wetterbericht, dass das den Tag über auch nicht aufhören soll.
Dacht ich mir, geht ja gar nicht, irgendwann muss ja auch so eine Wolke leer sein, aber einmal mehr erfuhr ich: geht alles. Mitte August in die wasserfeste Winterjacke verpackt erfuhr ich dann im Zug als nächstes, dass der auch nicht annähernd so direkt fuhr wie von Internet und Bahnhofsinformationsdame behauptet.
Something for Everyone
Zum Glück wies mir die freundliche Mitreisende die richtige Station zum Aussteigen. So nahm ich dann nach einer Stunde im verregnet-depressiven Flecken Jarzywa den Bus und fuhr über das trotz Regens hübsche platte Land ins optisch ebenfalls regenresistente Swidnica, einem Städtchen von 60.000 Einwohnern südwestlich von Wroclaw. Also nichts spektakuläres, aber ein exzellentes Ziel für einen Tagesauflug.
Als Attraktionen sind vor allem drei Kirchen und der Marktplatz ausgezeichnet, und daneben ist auch das Stadtbild selbst einen Blick wert. Der Heimatort der Familie von Richthofen überlebte Weltkriege nämlich besser als deren berühmtester Spross, beschädigt wurde er nur bei diversen Konflikten davor und nach verschiedenen Wiederaufbauphasen findet man alle Stile der letzte 600 Jahre. Das ist sogar im Dauergrau und Endlosregen schön anzusehen, auch wenn wirklich gut restauriert nur der eigentliche Marktplatz ist.
Gut Holz, schlecht Hirn
Nach einem kurzen Halt in der Touristeninformation im Rathaus sowie einer Konditorei zog ich zur bekanntesten Attraktion, der evangelischen Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit am nördlichen Stadtrand, besser bekannt als Friedenskirche. Die ist nämlich trotz ihrer Größe (7500 Plätze) allein aus Holz, d.h., Fachwerk und auch bereits bewacht vom Studiosus Bus.
Innen wunderschöne Malereien an Decken und Wänden sowie eine sehr gut gemachte kurze Ausstellung zur Geschichte dieser sogenannten Gnaden- bzw. Friedenskirchen, dem Nordischen Krieg und Schwedens Rolle dabei. Außen der ebenfalls hübsche Friedhof, dessen schiefe Grabsteine, zum Teil geöffnete Grüfte und Efeuüberwachs ihm gerade im Regen fast das Flair eines der verlassenen jüdischen Grabfelder geben.
Nach dem Besuch mache ich kurz Halt im Cafe 7 am Eingang, das in den alten Umfassungsmauern des Kirchgeländes ebenfalls sehr atmosphärisch gelegen ist. Ein französisches Touristenpaar (übrigens in der ganzen Region sehr gut vertreten) gibt mir Gelegenheit zu etwas Übung, und wieder passiert es, ich will danach bezahlen und plopp, alles Polnisch ist weg.
Das Glück der Anderen
Den Schirm über dem Kopf geht es etwas Essen und Orientierung im nächsten Laden holen, dann am alten Zisterziensergebäude (heute Stadtbücherei neben ein paar besonders hässlichen Blockexperimenten) vorbei die Ringstraße um die Altstadt rum hoch zu St. Stanislav u. Wenzelslav, der Hauptkirche des Ortes mit dem zweithöchsten Turm im Land. Nachdem die Nässe trotz Schirm und WinterWetterJacke langsam durch die Schuhe auf die Jeans übergreift und an mir hochkrabbelt, baue ich auf den trockenen Kirchenraum. Den Fehler hätte ich nach drei Jahren Polenreisen nicht mehr machen sollen: natürlich ist Samstag und katholische Gotteshäuser dank ständiger Trauungen unzugänglich.
Mir bleibt nichts anderes als mich in einem halbwegs geschützten Seitenportal hinzusetzen, die Hosen hochzukrempeln, etwas zu essen und mir dunkle Gedanken zu machen, was gleich zu Beginn meiner Weltherrschaft mit Leuten ganz in Weiß gemacht wird. Ich laufe quer durchs Zentrum zur anderen katholischen Kirche, wo mich auch nichts anderes erwartet als in Anzüge gequetschte Kinder, Fotografen und zertretene Blumen im nassen Rinnsteig.
Gastarbeiter, auf dem Weg nach Hause
Was kann ich machen, es ist kurz nach vier und langsam machen die letzten Sachen zu. Es bleibt nur die Bürgerhäuser rund um den Markt noch mal zu inspizieren. Eine freundliche Bäckerin verkauft mir auch nach Ladenschluss noch ein Stück Kuchen, und langsam wird der Regen weniger. Ich kann nur durch den Ort schlendern, der auch außerhalb des Zentrums immer für eine schöne Ansicht gut ist. Vor der scheinbar umfunktionierten Kirche eines Gemeindezentrums stehen in neongrünen Jugendstillettern die Öffnungszeiten, aus dem Innern dröhnt Rockmusik.
Gegen fünf hört der Regen endlich auf, und ich gehe zum Bahnhof, der hinter dem Grundwald-Platz liegt. Gestern war Grunwald Tag, das Denkmal mit den Daten „Grundwald 1410 – Berlin 1945“ ist frisch geschmückt. Ich warte mit einer Gruppe Pendler auf den Bus, der kurz vor 18 Uhr als drittes vorfährt, nach den Fernbussen nach Westdeutschland.
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