Regen
Ohne Wasser gäbe es kein Leben, aber manchmal kann einem das nasse Element selbiges auch ganz schwer machen, bei Dauerregen zum Beispiel. Nora geht es zurzeit so.
„Es regnet, es regnet, die Erde wird nass...“ und das schon seit mehr als einer Woche. Grummel. Meine Laune hat sich in den letzten Tagen nahe dem Tiefpunkt bewegt, auch Dank einer Erkältung, die ich mir eingefangen hatte und die ich im Bett liegend auskuriert habe. Soweit ich nicht auf der Arbeit war. Noch ein tiefer Seufzer. Wenn ich abends nach Hause komme, hab ich zurzeit nicht das Gefühl, dass ich auf der Arbeit etwas sinnvolles gemacht habe. Der Grund: zwei wirklich komplizierte neue Kinder in unserer Gruppe, denen man die ganze Zeit hinterherlaufen muss, damit sie keinen Unsinn, à la Autos anmalen oder mit dem Fahrrad einen unangekündigten Ausflug ins Quartier machen, veranstalten. Da bleibt natürlich wenig Zeit für die anderen Kinder, die unter dieser angespannten Situation leiden müssen.
Und es regnet. Und ich bin müde, die Erkältung hat mich geschlaucht. Die ist ja zum Glück jetzt fast ausgestanden. Dafür pocht mein Magen jetzt auf sein Recht, auch mal krank werden zu dürfen. Es ist wie verhext. Man sagt ja, dass man bei Stress anfälliger für Krankheiten ist. Aber eigentlich bin ich gar nicht sooo gestresst, eher im Allgemeinen miese-piese schlecht gelaunt. Was wahrscheinlich auch damit zu tun hat, dass Ostern ist, wo man eigentlich im schönsten Sonnenschein bei seiner Familie sein sollte. So ziemlich alle anderen Freiwilligen haben sich auf jeden Fall über die Feiertage aus dem Staub gemacht. Was soll’s, ich hab es ja selbst so gewollt.
Mein toller Mitbewohner hat sich aber nicht fortgemacht. Er zieht es vor, bis nachts um vier fette Partys bei uns zu veranstalten, obwohl ich mit einer riesigen Schnupfennase in den Schal gewickelt, schon vorher klargemacht habe, dass ich am nächsten Tag früh raus muss, um zu arbeiten. Noch mehr miese-piese Laune. Und es regnet.
Die Aussicht darauf, dass ich in zwei Wochen wieder für fünf Tage allein wäre (fast alle Freiwilligen sind dann auf einem Seminar) und dazu noch frei hätte (Kinder in den Ferien), brachte mich zu dem Entschluss, wegzufahren. Das Ziel war schnell gefunden: Luxembourg. Mit meiner Bahnkarte komm ich da relativ günstig hin und im Hospitality-Club hab ich mich auch schon umgehört. Wenn das nichts wird, dann eben Jugendherberge. Raus hier.
Jetzt, wo ich mich wieder in Bewegung gesetzt habe, geht es mir gleich viel besser.
Ich erinnere mich auch wieder an die schönen Sachen der letzten Tage: John Heartfield und Bernard Dufour im Museum für Moderne Kunst, Bücher im Bett lesen (Thomas Bernhard „Ein Kind“, Thomas Brussig „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“), sich ganz allein im Naturkundemuseum vor ausgestopften Tieren (Kurzkopfgleitbeutler?) gruseln, Päckchen voll Osterschokolade bekommen, Sade hören...
Aus der Ferne grüßend. Nora
P.S.: Es hat für einen Moment aufgehört zu regnen.