Proteste gegen hohe Strompreise eskalieren
Seit zwei Wochen protestieren viele Bulgaren gegen enorm hohe Stromrechnungen. Nach Großdemonstrationen am Wochenende und gewaltsamen Ausschreitungen tritt die gesamte Regierung zurück.
Als ich das letzte Mal über den missglückten Anschlag auf Ahmed Dogan und die damit verbundenen Proteste geschrieben habe, habe ich nicht gedacht, dass mich zwei Wochen später ein ganz anderer Protest zum Schreiben bringt.
Am Wochenende gab es in Bulgarien die größten Proteste seit mehreren Jahren. Mehr als 100.000 Menschen haben in allen großen und mittelgroßen Städten Bulgariens gegen hohe Strompreise und das Strommonopol (die Versorger CEZ und EVN haben den Großteil Bulgariens unter sich aufgeteilt) protestiert.
Hintergrund der Proteste ist, das die Januar-Stromrechnung der meisten Bulgaren sehr hoch war. Teilweise sind die Beträge zwei- bis zehnmal so hoch ausgefallen wie in der Dezember-Rechnung. Da viele Bulgaren mit Strom heizen, war die erste Erklärung der Stromversorger, dass einfach mehr geheizt worden sei. Diese Erklärung ist aber wenig plausibel, da es im Januar nicht wirklich kalt (um 0-5 °C) und auch etwas wärmer als im Dezember war.
Auch in den darauffolgenden Tagen gab es von Seiten der Energieversorger keine konkrete Antwort, warum auf einmal fast alle Bulgaren viel mehr Strom verbraucht haben sollen.
Das alles hat die Bulgaren ziemlich wütend gemacht, sodass die Strompreise und die damit verbundenen Proteste seit knapp zwei Wochen das bestimmende Thema in den Medien sind. Unter der Woche gab es verschiedene Berichte über besonders krasse Fälle: z.B. soll eine kleine Kirche einen zehnfach höheren Stromverbrauch (von 80 auf 800 Leva) gehabt haben, obwohl es im Januar nur drei Gottesdienste gab.
An den Wochenenden gab es jeweils Proteste in den größeren Städten, an denen sich viele Bulgaren beteiligt haben. Zu Beginn richteten sich die Proteste vor allem gegen die hohen Stromrechnungen. Mittlerweile ist jedoch auch die Forderung hinzu gekommen, das Strommonopol zu zerschlagen und auf diese Weise einen Wettbewerb zuzulassen, der zu günstigeren Preisen führt. Manche fordern auch eine Rückverstaatlichung der Stromversorgung.
Letztes Wochenende fanden die Proteste ihren bisherigen Höhepunkt als in 33 Städten zu Demonstrationen aufgerufen wurde. Bei einer der größten Demonstrationen in Sofia wurden von den (meist) friedlichen Demonstranten mehrere Straßen und die bekannte „Orlov-Brücke“ für mehrere Stunden blockiert.
In anderen Städten war oftmals der Sitz des Energieversorgers Ziel der Proteste. An diesen Gebäuden haben dann manche Demonstranten ihre Wut ausgelassen, indem sie sie mit Eiern, Tomaten, Kartoffeln und Steinen beworfen haben. Als weiteres Zeichen des Protests haben viele der Protestierenden ihre Stromrechnung verbrannt.
Zwischen gewaltbereiten Demonstranten (unter denen auch Fußball-Hooligans waren) und der Polizei ist es mehrfach zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. In der letzten Woche sind auch mehrfach Autos des Stromversorger EVN in Brand gesetzt worden.
Da auch der Regierung eine Mitschuld an den hohen Strompreisen gegeben wird, musste der Finanzminister und bisherige Vize-Premierminister Simeon Djankov am Montag zurücktreten. Ein Ende der Proteste ist bis jetzt noch nicht absehbar. Für nächstes Wochenende wurde wieder in ganz Bulgarien zu Protesten aufgerufen.
Am Abend nach Verfassen des Textes gab es größere gewalttätige Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Polizei, infolgedessen am heutigen Mittwoch die gesamte Regierung unter Premierminister Bojko Borissow zurückgetreten ist.