Plötzlich Spanien!
Wie es mich überraschenderweise nach Spanien verschlagen hat und was bisher geschah.
Hallo liebe Leser,
ich habe ja in den letzten zwei Jahren nicht allzu viel von mir hören lassen und wahrscheinlich hätte ich meine „Blog“ auf Youthreporter wahrscheinlich auch nicht mehr aktiviert, hätte ich es mich nicht erneut ins Ausland verschlagen.
Für meine Stammleser erstmal eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse seit meinem letzten Beitrag bis heute; alle anderen können die nächsten Absätze gerne überspringen.
Ich hatte ja in meinem letzten Beitrag vom Februar 2011, den ich noch während meines EVS in der Slowakei geschrieben habe, erwähnt, dass ich den Frühling und den Sommer (2011) in Paris verbringen werde.
Eigentlich hatte ich vor in Paris weiter auf Youthreporter zu schreiben,
nur leider war mein Projekt (Europäischer Zivildienst) zwar nicht ganz so desaströs wie mein EVS, doch immer so durchwachsen, dass ich beschlossen habe, auf weitere 6 Monate Litanei zu verzichten.
Geschrieben habe ich natürlich trotzdem viel. Vielleicht werde ich noch etwas nachträglich posten. Nun denn, im Herbst 2011 war mein Dienst in Paris geleistet, doch mein Abenteuer Europa noch lange nicht zu Ende.
September/Oktober arbeitete ich auf einem Reiterhof in Schweden (WWOOOF) bis ich schließlich im Oktober ein Studium in Berlin, meiner Heimatstadt aufgenommen habe. Drei Projekte in drei Ländern und das in nur einem Jahr waren ganz schön anstrengend, aber nach zwei Jahren todlangweiligen Studiums musste ich einfach wieder ins Ausland.
Im September 2013, fast auf den Tag genau drei Jahre nach meiner Abreise in die Slowakei, bin ich nach Madrid geflogen und von dort aus war es nur noch ein kurzes Stück mit dem Bus nach Alcalá de Henares, wo ich im Rahmen des Bachelor-Plus-Programms zwei Semester Spanisch studiere.
Ich bin jetzt seit gut drei Wochen hier, sitze bei 35 Grad auf der Dachterrasse des Studentenwohnheims und genieße die Sonne.
Alcalá de Henares ist eine kleine Stadt am Rand von Madrid. Sie hat 200.000 Einwohner und verhält sich zu Madrid wie Potsdam zu Berlin.
Man kommt mit der Sbahn (oder den Cercanías wie die Spanier sagen) in einer guten halben Stunde ins Madrider Stadtzentrum, was ich aber bisher erstmal einmal gemacht habe.
Mit dem Bachelor-Plus-Programm hatte ich ziemliches Glück.
Normalerweise ist es sehr schwer einen Platz zu bekommen, man muss mindestens 4 Semester studiert haben, sich Monate vorher bewerben, viel Motivation und vor allem überdurchschnittlich gute Leistungen nachweisen.
Für mich als unmotivierten Durchschnittsstudenten im 2. Semester wäre eine Bewerbung eigentlich von vornherein aussichtslos gewesen, allerdings ist im Juni überraschend ein Platz frei und neu ausgeschrieben worden.
Keine Frage, dass ich mich beworben habe.
Im Juli hatte ich die Platzzusage und dann nur noch einen guten Monat bis zum Semesterbeginn in Spanien. Ich hatte dann auf einmal soviel Organisatorisches zu tun, dass ich vor lauter Organisieren verpasst habe, mich mental schon mal auf das Jahr hier vorzubereiten.
Kaum hatte ich den ganzen Papierkram, die Auflösung meiner schönen Wohnung, den Umzug und den Verbleib meiner Sachen, den Nachsendeauftrag, die Auslandskrankenversicherung, die Briefwahl, die Immatrikulation ect geklärt, musste ich auch schon abreisen, denn das Semester beginnt hier Anfang September.
Als ich hier am Donnerstag, den 5.9.13 ankam war das erstmal ein ziemlich großer Schock.
Erst hier habe ich richtig realisiert, dass Alcalá de Henares für die nächsten 10 Monate mein neues Zu Hause sein wird.
Ich habe vor meiner Abreise nicht die Zeit und nicht die Nerven gehabt mich auf das einzustellen, was mich hier erwarten würde. Die ersten Tage war ich komplett überfordert, nicht unbedingt mit der Situation an sich, sondern mit der großen Umstellung.
Da ist zum Beispiel Markus, mein Freund, mit dem ich seit knapp 4 Monaten zusammen bin und den ich für fast ein Jahr nur sehr unregelmäßig sehen werde. Vor meinem Abflug hatte ich mir nicht klar gemacht, was eine Fernbeziehung bedeutet.
Aber auch andere Dinge stellen eine große Umstellung dar:
Wenn man eine gemütliche 2½Zimmerwohnung in der Berliner Innenstadt gewöhnt ist, fällt es schwer sich in einem lieblos eingerichteten Doppelzimmer einer 8erWG in Studentenwohnheim zwischen Autobahn und Militärgefängnis einzuleben.
Abgesehen von der abgeschiedenen Lage und der zweckorientierten Ausstattung des Studentenwohnheims, genieße ich hier allerdings auch den Vorteil nicht allein zu sein.
Das Studentenwohnheim ist im Grunde genommen eine Siedlung aus vielen kleinen Häusern mit je zwei Wohnungen, die sich jeweils 8 Studenten teilen.
Es gibt mehrere Einzel- und Doppelzimmer, eine große Küche, ein Wohnzimmer und eine Dachterasse.
Die Häuser stehen teilweise in Reihen oder gruppieren sich um eine Wiese. Das schöne ist, dass sich hier die meisten untereinander kennen und man schnell in Kontakt mit den Nachbarhäusern kommt. Mein Mitbewohner und ich haben fast jeden Tag Besuch von gegenüber oder gehen abends selbst zu den Fiestas in den NachbarWGs. Hier wohnen fast nur Spanier und man findet immer jemanden zum quatschen, was natürlich ideal ist, um die Sprache zu lernen.
In mindestens einem Haus ist abends immer eine Party und wenn einem das Halli-Galli zuviel wird kann man sich jederzeit in sein Haus zurück ziehen, ohne einen weiten Weg auf sich nehmen zu müssen.
Bisher sind wir in meiner Wohnung zu dritt. Ein Austauschstudent aus Russland, mein Kommilitone von der HU Berlin, mit dem ich das Zimmer teile, und ich. Weitere 5 Mitbewohner sind noch angekündigt.
Die Stadt an sich ist nicht besonders aufregend. Wie man sich eine spanische Kleinstadt eben vorstellt, südliches Flair, aber architektonisch auch nicht gerade „atemberaubend“. Ich muss aber der Vollständigkeit halber sagen, dass die Stadt ungeheuer geschichtsträchtig sein soll
Die Altstadt wurde sogar von der Unesco sogar in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. In meinen ersten Tagen habe ich hier ein bisschen Pflichttourismus gemacht.
Einerseits aus Neugier, andererseits aber auch um mich abzulenken, um hier anzukommen und mich so schnell wie möglich einzuleben bevor mich das Heimweh und die Sehnsucht nach Markus packen.
Ich habe in der ersten Woche gleich an einer Stadtführung und einer Führung durch das Archäologische Museum teilgenommen.
Beide Führungen würde ich als nicht besonders spannend bezeichnen, wenn man sich nicht gerade für das Alter von Steinen interessiert.
Der nächste Punkt auf meiner To-do-Liste war, mich für einen Tanzkurs anzumelden, doch die beginnen, wie man mir mitteilte, nicht vor Oktober.
Auf eine Annonce am Schwarzen Brett der Uni, wo ich mein Interesse an einem Sprachtandem bekundet habe, hat sich bisher noch keiner gemeldet und auch die Bekanntschaften dich ich in den ersten drei Semesterwochen an der Uni gemacht habe, waren nicht so der Bringer.
Ich habe noch vor Semesterstart einen Chor angeschrieben, bei dem ich mich gerne vorgestellt hätte. Allerdings habe ich seit 3 Wochen keine Antwort bekommen und mittlerweile rechne ich auch nicht mehr damit. Ich habe jetzt beschlossen, mich hier nicht mehr auf Zwang und um jeden Preise einleben zu müssen, sondern jetzt mal meinem Glück was zu tun übrig und die Sachen auf mich zu kommen zu lassen.
Kurzum: Der Start in mein Auslandsjahr ist eher wenig aufregend verlaufen.
Keine Überraschungen, keine großen Bekanntschaften aber auch keine Katastrophen.
Nur die Sehnsucht nach Markus wird immer größer und langsam mache ich mir Sorgen, dass sie mein Jahr hier erheblich beeinträchtigen könnte. Eine so große Distanz für so lange Zeit steckt man nicht so leicht weg, wenn man frisch verliebt ist.
Es gibt bessere Tage, es gibt schlechtere. An den besseren Tagen freue ich mich auf unser Wiedersehen, an den schlechteren Tagen fressen mich Heimweh und Sehnsucht richtig auf. Wir haben vereinbart, uns mindestens einmal im Monat zu sehen, entweder fliege ich nach Berlin, oder er kommt her. Als nächstes bin ich dran.
Am 2. Oktober zum Vorabend des Einheitstages fliege ich für ein verlängertes Wochenende (inkl. Zahnarzttermin) nach Hause. Ich wollte eigentlich nicht ständig hin und her fliegen, nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch weil, ich es ein bisschen als meine Herausforderung betrachte, das Jahr hier ohne große Unterbrechungen durchzuziehen, aber ganz ohne regelmäßige Wiedersehen kann ich meine Zeit hier auch nicht richtig genießen.
Mein Spanisch hat sich allerdings schon spürbar verbessert, auch wenn ich mich nach wie vor sehr anstrengen muss, die Vorlesungen und Seminare zu verfolgen.
Mein Alltag ist überwiegend gleichförmig:
Vormittags Uni, mittags Siesta, nachmittags Uni, abends einkaufen, kochen, essen, Hausaufgaben, bei den Nachbarn vorbei schauen, schlafen gehen.
Von Freitag bis Sonntag ist hier Wochenende. Da mache ich leider meistens nichts.
Es ist eigentlich toll, soviel freie Zeit zu haben, doch leider weiß ich bisher nicht so richtig, was ich damit anfangen soll.
Die Siesta verbringe ich meistens in der Unibibliothek vorm Computer.
Da der Weg zwischen Wohnheim und Uni so weit ist, dass sich das Hin- und Herfahren nicht lohnt und da das Internet im Wohnheim sehr unzuverlässig ist, nutze ich die Mittagspause oft zum Email Schreiben, auch wenn der Bibliothekscomputer eine einzige Krankheit ist
Zum Hochfahren braucht er 10 Minuten, um Emails zu checken muss ich oft weitere 5 Minuten warten, und wenn ich einen zweiten Tab aufmache, stürzt er total ab. Aber wie gesagt, Zeit habe ich ja.