Pita, Weihrauch, traditionelle Tänze – Griechische Bräuche rund ums Neue Jahr und den 6. Januar
Der sechste Januar, Tag der drei Heiligen Könige? – Nicht in Griechenland! An diesem Tag wird hier stattdessen die Taufe Christi gefeiert. Alles etwas anders hier – und wir haben es genossen!
Was ich zwischen den Jahren nach meiner Rückkehr aus Thessaloniki vor allem im Nest fand, war Ruhe. Bis auf Malte und mich waren alle ausgeflogen. Nach einem Wochenende ohne große Unternehmungen beschlossen wir also, uns zum Feiern an Silvester unter die Griechen zu mischen. Am Nachmittag statteten wir Ela einen Besuch ab, wurden danach von feiernden Griechen auf der Platie zu einem Snack eingeladen, währenddessen ich das erste Mal in den Genuss des Anblicks kam, den zu traditioneller Musik tanzende Griechen bieten. Jugendliche fassten sich an den Händen und tanzten im Halbkreis über die Platia. Die meisten Bewegungen werden beim griechischen Tanz von den Füßen ausgeführt. Es wird überkreuzt, geschlenkert, geschwungen, gestampft und gehüpft. Die Konzentration, fast Andächtigkeit der Tanzenden, die perfekte Beherrschung jedes einzelnen Schritts und die Geschicklichkeit jeder Bewegung sind wirklich respekteinflößend!
Den frühen Teil des Abends gestalteten wir deutsch-traditionell, kochten, sahen deutsche Satire-Sendungen und – natürlich! – The 90th Anniversary Or Dinner For One. Kurz vor Mitternacht ging es in eine griechische Taverne, wo wir von Eleni, einer jungen Griechin aus Dadia, an den Tisch gebeten und von ihr zu einem weiteren Gang eingeladen wurden. Mehr als drei Stunden verbrachten wir dort, denn wir hatten wieder das Vergnügen, Griechen beim Tanzen zuzusehen. Es gibt hier in Dadia wenige offizielle Anlässe zum Feiern. Dass sich zu diesen Gelegenheiten dann alle in Schale schmeißen, die Gardarobe der Damen von Glitzer und Pailetten übersäht ist, die Männer alle Hemden tragen, war für mich eine ungewöhnliche Erfahrung. Noch nie zuvor hatte ich an Silvester ein Restaurant gesehen, in dem alle so chic gekleidet waren. Die wenigen Gelegenheiten werden nicht nur zum Ausführen der besten Kleidung, sondern auch zum Tanzen genutzt. Einige Besucher der Taverna hörten gar nicht mehr auf damit, zu Ende der Nacht wurde auf den Tischen getanzt und mit Servietten geworfen.
Langweilig wurde uns im Nest auch im Neuen Jahr nicht: Obwohl vom WWF niemand im Büro war, wir keinen Arbeitsplan hatten und auch niemand erreichbar war, hatten wir zu tun. Es müssen noch einige Punkte der Uhu-Territorienbestimmung überprüft werden und so nutzten wir das gute Wetter, um etwas abgelegenere Ecken des Parks aufzusuchen. In einem Fall blieb es jedoch beim Versuch – ein Unfall, verursacht durch doppelten Leichtsinn kam uns dazwischen. Glücklicherweise blieb das Kunststück, dass Malte mit dem Toyota im Matsch ausführte, ohne Folgen – das Auto und wir blieben unversehrt. Was bleibt, ist ein Vorsatz: Nie wieder so leichtsinnig!
Für weitere Abwechslung sorgte Besuch, von dessen Ankunft wir am zweiten Januar zwei Tage vorher, erfuhren. Justyna aus Polen, die Malte auf einem Seminar kennengelernt hatte, und die Finnin Johanna, die wiederum ich aus Athen kannte, machten auf ihrem Rückweg aus Istanbul einen Zwischenstopp.
Doch besonders war vor allem der sechste Januar. Das erste Mal habe ich so intensive Erfahrungen mit den griechischen Traditionen gemacht, wie an diesem Tag. Und für die Griechen ist es eines der wichtigsten Feste des Jahres. Der Tag begann mit einem über eine Stunde dauernden Gottesdienst, von dem auch ein Teil vor der Kirche stattfand. Da der sechste Januar Tag der Christustaufe ist, wird in allen Städten und Dörfern üblicherweise ein Kreuz ins Wasser geworfen, das zu bergen Aufgabe für den männlichen Teil der Bevölkerung ist. Wo es Meer gibt, wird es ins Meer geworfen, anderenfalls kann auch ein Fluss oder einen Teich diesen Zweck erfüllen. Da Dadia jedoch über nichts von alledem verfügt, wurde das Kreuz hier ins Taufbecken geworfen – es blieb bei einem symbolischen Akt. Während des letzten Teils des Gottesdienstes wurden zahlreiche Heiligenbilder von Männern und Jungen getragen. Die sogenannten Ikonen wurden von den Gemeindemitgliedern anschließend alle der Reihe nach in einem Akt der Verehrung geküsst.
Was dann folgte, war kein Teil der kirchlichen Zeremonie mehr, ist jedoch fester Bestandteil der Traditionen an diesem Tag: Mit Kreuz und Heiligenbildern rennt eine Gruppe von Männern durch die Straßen des Dorfs und schreit dazu immerwieder dieselben Worte begleitet von Schreien, die die bösen Geister aus den Häusern vertreiben sollen [Bild]. Sind aus dem gesamten Dorf so die Geister vertrieben, werden abschließend drei Runden um die Kirche gedreht.
Mit Bewegung geht es weiter: Zuerst wird auf dem Platz vor der Kirche getanzt, von dort aus tanzt die Menschenreihe zur Platia, wo unterschiedliche traditionell griechische Tänze zelebriert werden. Dem einfachsten dieser Tänze konnte ich schnell folgen und so fand ich mich nach kurzer Zeit neben meiner Chefin Dora im Reigen der tanzenden Griechen wieder.
Dora ist es auch zu verdanken, dass wir auch mit dem kulinarischen Aspekt der Traditionen im Zusammenhang mit dem Anfang des Jahres vertraut gemacht wurden. Bei Mutter und Großmutter ihres Mannes Costas gab es die lokale Ausführung der griechischen Pita. Zu Jahresbeginn ist es üblich, in die Pita verschiedene Kleinigkeiten zu stecken, darunter der Zweig eines Rebstocks, der Teil einer Ähre und eine Münze. In dieser Weise, so der Ursprung dieses Brauchs, sollen die Zuständigkeiten für das folgende Jahr verteilt werden. Malte, in dessen Pita sich der Rebzweig fand, wäre also dieses Jahr für die Weinernte und die Weinherstellung zuständig, Dora, die einen Kirschzweig in ihrer fand, für den Garten und Dimitris, ihr Sohn, hat mit der 1-Euro-Münze das große Los gezogen. Er ist damit nicht nur für das Geld zuständig, sondern ihm wird auch besonderes Glück für das folgende Jahr zugesprochen.
Den Abschluss des Lehrgangs in griechische Brauchtümer bildete der Zug von der Kirche zum Kloster außerhalb Dadias, der kurz nach drei Uhr begann. Für den Gottesdienst am Morgen war am Tag zuvor das Heiligenbild der Jungfrau Maria von seinem eigentlichen Platz in der Klosterkirche nach Dadia gebracht worden, von wo aus es nun begleitet von den Einwohnern Dadias zurückgebracht wurde. Auf dem Weg dorthin wurde immer wieder Halt gemacht, da das Heiligenbild erneut mit Küssen von am Weg wartenden Menschen versehen wurde. Von einigen Grundstücken, die auf dem Weg zum Kloster liegen, wurde der Zug mit Weihrauch bedacht. Ihre Bewohner ehren so die abgebildeten Heiligen und segnen den Zug. An seinen ursprünglichen Platz zurückgekehrt, wurde das Heiligenbild mit einem erneuten, umfangreichen und weihrauchgeprägten Gottesdienst und weiteren Tänzen geehrt.
Ein besonderer Tag, den ich auf traditionelle Weise verbracht habe und der mich sehr glücklich gemacht hat. So schnell werde ich ihn nicht vergessen! Inzwischen ist nach der Rückkehr von José und Bony ein wenig Normalität in unseren Freiwilligenalltag zurückgekehrt – was mehr Umtrieb, aber auch Chaos bedeutet. Alkis ist auch wieder aus dem Urlaub zurückgekehrt, hatte dank seines dreißigsten Geburtstag heute schon wieder einen Anlass, zu feiern. (Damit sein Tag im Büro nicht freudlos vorübergeht, habe ich heute Morgen noch einen Mamorkuchen gebacken.) Gestern hatte ich die erste Griechischstunde in diesem Jahr, die mit dem Vorsatz begann, endlich einmal zu wiederholen, was ich schon alles gelernt habe und mir mehr Zeit zum Lernen zu nehmen. Mit dem Organisieren der Bibliothek bin ich zum Glück fertig, morgen wird Rodoula mir meine neue Aufgabe, die mit dem EVS der vergangenen Jahre zu tun hat, vorstellen. Heute haben José und ich während dem Uhu-Monitoring gefroren – seit wenigen Tagen ist es wieder richtig kalt in Dadia und im Lauf der Woche soll es erneut schneien…
Unser Nest ist die reinste Katastrophe, ich habe bemerkt, dass unser gesamtes Zimmer durch und durch feucht ist, sobald jemand geduscht hat. Einige Dinge müssen sich ändern. Andere Dinge habe ich schon ändern können – dank des Nussknackers, warmer Winterschuhe, einer echten Daunendecke. Es gibt Umstände, die ich nicht ändern kann, so werde ich auch in Zukunft morgens in einem eiskalten Zimmer aufwachen und es wird mich Überwindung kosten, ins ebenso kalte Bad zu gehen. Es gibt auch Dinge, die ich versuchen möchte zu ändern, zum Beispiel meine Bemühungen um Griechisch. Doch ich freue mich auf dieses Jahr, auf die kommenden Monate hier in Griechenland. Ich wünsche mir, dass ich noch viel über dieses Land erfahre, noch viel dazulerne und sowohl mit den Griechen als auch allen anderen hier eine wunderbare Zeit verbringen werde.
Euch allen wünsche ich ein ebenfalls ein frohes Jahr mit vielen glücklichen Momenten. Bleibt gesund und an die, von denen ich zur Zeit nichts Gtues höre: Werdet gesund!
Ich denke hier in Griechenland zwischen Tanzen, Vögel Beobachten und Griechisch Lernen ganz fest an euch,
Jasmin