Onkoloji Hospital...
Zwei Mal pro Woche besuchen wir krebskranke Kinder im Alter von vier bis elf Jahren im Krankenhaus. Das ist auf der einen Seite sehr hart und schwer verdaulich, auf der anderen Seite ist es für uns alle auch die schönste Zeit der Woche...
Motivationslos, keine Lust was zu machen... Leer fühle ich mich nach dem Mittagessen. "Jetzt Onkoloji - Hospital? - von mir aus - oder ich weiß nicht... Ist es das Beste mich jetzt zu verkrümeln? Bin ich in der richtigen Verfassung um den Kindern die Aufmerksamkeit und Kreativität zu geben die sie brauchen und verdienen?... Geh ich halt mit, ist sonst niemand anderes da..."
Als wir im Zimmer mit den Kindern sitzen denke ich "Na toll, das fängt ja gut an...! Marga und Narjes (meine Kolleginnen, auch Freiwillige) haben eine Beschäftigung gefunden. Nur ich sitze nutzlos rum, werde von den anderen von Platz zu Platz geschickt, weil sie so besser kommunizieren können... Ich fühle mich unsicher, bin gespannt, ob ich heute mit Kindern zusammenarbeiten kann, die Lust auf mich und meine Ideen haben.
Es ist immer wieder aufs Neue fraglich und auch spannend. Als ob man jedes Mal zum ersten Mal da ist, weiß man nie ob man ein gutes Verhältnis zu den Kindern aufbauen kann, sie für seine Ideen begeistern kann oder ob man vielleicht überhaupt nicht auf einer Wellenlänge ist. (Das liegt unter anderem auch daran dass fast immer andere Kinder da sind, da manche krank sind usw. Oft sind die Kinder auch launisch was man ihnen in ihrem Zustand nicht verübeln kann...)
Oft bin ich unzufrieden wieder aus dem Krankenhaus raus gegangen, mit Selbstzweifeln, weil ich es nicht geschafft habe den Kindern ein gutes Programm zu bieten und weil ich das Gefühl hatte, dass ich keinen Draht zu ihnen herstellen konnte.
Heute scheint dann doch noch ein schöner Tag zu werden, die ungewisse Stimmung verwandelt sich in eine positiv geladene Atmosphäre, als ein Junge und ein Mädel, beide ungefähr 12 - 13 Jahre alt, ins Zimmer kommen. Sie strahlen totale Offenheit uns Freude aus, etwas was diesen Platz ungemein erleuchtet. Kurzerhand beschließe ich nach kurzen Nachfragen und Kennenlernen, dem Jungen das englische Alphabet beizubringen. Er kennt fast alle Buchstaben perfekt uns seine Augen leuchten, als er mir zu den Buchstaben ein Wort präsentieren kann, welches mit diesem anfängt. Mustafa ist sein Name, er kann schon einiges anfangen mit Englisch. Anfangs bin ich mir sogar etwas unsicher ob ich ihn mit meinem "Anfängerunterricht" langweile. Aber bald merke ich, dass gerade die Tatsache, dass er schon etwas weiß, was er mir zeigen kann, ein Erfolgserlebnis für ihn ist.
Nachdem wir das Alphabet durchgegangen sind, konjugieren wir zusammen ein paar Verben im Simple Present, das klappt super. Ich zeige ihm ein paar unregelmäßige Verben und erkläre ihm, wann er das Simple Present benutzen soll. Mustafa versteht fast alles sehr gut und kommt auf viele Dinge ganz alleine. Ich bin so stolz auf ihn und ich glaube, dass er das merkt, denn seine Augen strahlen. Manchmal kenne ich auch ein Wort auf Türkisch und frage ihn ob das so stimmt - dann ist er der "Lehrer". Unser Zusammenspiel funktioniert super! Ich überlege, ob ich mit dem Simple Continuous anfangen soll, komme aber schnell zu dem Schluss, dass das für meinen begeisterten, wissensdurstigen Schüler kein Problem sein dürfte. Am Anfang verwechselt Mustafa Simpel Present und Continuous miteinander und mixt die Zeiten miteinander. Es dauert aber nicht lange, bis er den Unterschied kapiert hat und anfängt selbstständig Sätze zu formulieren. Wieder bin ich so unglaublich Stolz auf ihn und irgendwie auch ein bisschen auf mich. Es ist eines der ersten Male, dass ich mich wirklich nützlich hier fühle und ich das Gefühl habe, für jemand wirklich richtig wichtig und da zu sein! Das ist so schön und ich zehre Tage danach noch von dieser Erinnerung, dieser Begegnung!
Als ich fertig mit Erklären bin und Mustafa die ersten Sätze formt, unterstreichen wir zusammen die Signalwörter und die davon ausgelösten konjugierten Verben.
Dann ist die Zeit leider auch schon wieder rum. Ich habe den Eindruck, dass er alles ganz gut verstanden hat.
Diesen Besuch im Onkoloji-Hospital, bei den krebskranken Kindern werde ich so schnell nicht vergessen. Eine wunderschöne Erinnerung verbindet mich nun mit diesem Platz! Hoffen wir dass noch weitere schöne folgen werden...
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