"Null Toleranz"
Am 6. Dezember herrscht in Deutschland schon Weihnachtstimmung. In Griechenland dagegen gedenken die Menschen mit Demonstrationen und Trauerzügen den Geschehnissen vor einem Jahr.
Während am 6. Dezember die Mehrzahl der Deutschen einen besinnlichen Nikolaustag verbrachte, ging es in Athen weniger beschaulich zu.
Mit Trauermärschen und Demonstrationen gedachten 10.000 Menschen des vor einem Jahr durch eine Polizeikugel getöteten 15-jährigen Schüler Alexandros Grigoropoulos.
Dabei kam es zu Ausschreitungen. Autonome zündeten Mülltonnen und Autos an. Dank des starken Polizeiaufgebots gerieten die Ausschreitungen jedoch schnell unter Kontrolle.
So oder so ähnlich konnte man es in den deutschen Zeitungen lesen, doch hinter den Ausschreitungen stecken viel mehr als hemmungslose Anarchisten, die Spaß daran haben Autos und Mülltonnen anzuzünden.
Griechenland befindet sich nach Polen auf dem Spitzenplatz in Sachen Korruption, das Gesundheitssystem ist schlecht und für Bildung wird, verglichen mit den anderen Mitgliedsländern der EU, das wenigste Geld ausgegeben. Jeder fünfte Schulabgänger ist arbeitslos. Wer Arbeit findet, gehört meist zu der so genannten 700-Euro-Generation. Bei höheren Lebensmittelpreisen als in Deutschland, müssen die jungen Menschen mit 700 Euro pro Monat auskommen – nahezu unmöglich.
Dies sind nur einige der Gründe warum viele Griechen sehr wütend sind. Der Tod des 15-jährigen Schülers ist zum Symbol geworden für eine Regierung die Vetternwirtschaft und polizeiliche Willkür zulässt, aber den berechtigten Forderungen der Demonstranten kein Gehör schenken möchte.
Der Minister für Bürgerschutz, Michalis Chrysohoidis, hatte bereits im Vorfeld angekündigt: "Wir werden Athen nicht den Vandalen überlassen." Der Befehl an die Polizei laute, die Demonstrationen zunächst zu beobachten, aber bei Gewalt "Null Toleranz" zu zeigen. Und das nahmen die Polizisten zu ernst. Nicht nur die rund 300 Anarchisten sorgten für Zerstörung und Verletzte. Anders als in den ausländischen Medien berichtet gab es auf beiden Seiten Gewalt. Oft waren es die Polizisten, die ohne ersichtlichen Grund Steine auf die friedlich demonstrierenden Menschen warfen.
In dieser Woche habe ich Dinge gesehen, die man eigentlich nur aus brutalen Actionfilmen kennt:
Ein in meinem Laden arbeitender Freiwilliger wurde auf unserem gemeinsamen Weg zur Arbeit von einem Polizisten mit einer Tränengasbombe beworfen. Der verantwortliche Polizist schaute lachend zu wie er nach Atem rang und die Tränen über sein Gesicht liefen. Es folgten einige Tage Krankenhausaufenthalt und die Feststellung eines Arztes, dass das auch tödlich hätte ausgehen können.
Immer wieder wurden grundlos vor allem Jugendliche aus dem Demonstrationszug gezerrt, um sie für einige Stunden auf die nächste Polizeiwache zu bringen, vermutlich zur Abschreckung.
Eine Frau wurde während der Demo von einem Polizeimotorrad überfahren. Ob es ein Unfall war ist unklar.
Die Situation in Griechenland ist schwierig, doch die Griechen lassen sich nicht unterkriegen. Sie demonstrieren weiter, trotz oder gerade wegen des unmenschlichen und willkürlichen Verhaltens mancher Polizisten.
Das gibt Hoffnung auf Veränderung.
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