Monatsbericht 5 (Januar)
(Mitschnitte auf dem Weg von Cwmbran nach Hause, um dort für drei Tage mit der Familie Weihnachten zu feiern. Die Reise war einfach geplant. Mit dem Bus nach London und von dort aus mit dem Flieger nach Lübeck. Doch es kam allerdings alles anders…
(Mitschnitte auf dem Weg von Cwmbran nach Hause, um dort für drei Tage mit der Familie Weihnachten zu feiern. Die Reise war einfach geplant. Mit dem Bus nach London und von dort aus mit dem Flieger nach Lübeck. Doch es kam allerdings alles anders…
So war das alles nicht geplant…
Als ich am 21.12. in meine ersten Ferien startete, hatte ich alles Wichtige gecheckt. Mir konnte eigentlich nichts passieren. Mein Flugticket und der Reisepass waren in meinem Rucksack, an der Bushaltestelle war ich 15 Minuten früher und Geld hatte ich auch in drei Währungen bei mir (€, $ und Pfund). Das „Uneigentliche“ war aber leider die Realität und die hatte einen Namen: das Wetter (und mit Vornamen „neblige“)!
Nach einem lauen Dezemberanfang gab es am erwähnten Morgen das erste mal Frost und es wurde kalt. Aus mir unerklärlichen, wissenschaftlichen Gründen lag ganz Großbritannien im Nebel. Mit Nebel meine ich aber nicht die vereinzelten Nebelschwaden auf den Feldern. Ich meine eine dicke, graue, bis auf wenige Meter undurchsichtige Suppe. Die englische Klatschpresse sprach sogar vom „Killer-Fog“ (Fog engl. für Nebel).
(Anmerkung: Mein Flug wurde storniert und ich auf einen anderen Flug für Morgen, den 22.12. vertröstet.)
Und da lieg ich nun in dem Flughafen zwischen zwei Säulen: rechts von mir der Notausgang, links von mir ein Mülleimer und über mir ein Kasten mit Löschschlauch. Außerdem jetzt vorhanden ist ein Zettel mit der Aufschrift: Looking for housemate! Nice sleeping place under fire hose reel. (Übersetzt: Suche Mitbewohner! Schöner Schlafplatz unter der Feuerschlauchrolle.)
Seitdem laufen die Leute mit einem Lächeln an mir vorbei. Ich versuche halt, das Beste daraus zu machen und solange ich nicht Weihnachten auf dem Flughafen verbringe, ist es mir auch ziemlich egal. Jetzt warte ich nur noch auf die netten Polizisten, die für eine Minute ein Auge auf meine Sachen werfen müssen, da ich mal dringend zur Toilette muss und gute Schlafplätze heute rar sind.
Fünf Minuten später und alles hat sich geändert. Meine Anzeige hängt aufgrund von einem humorlosen Sicherheitsbeamten nicht mehr (und da soll noch mal ein Engländer zu mir sagen, dass wir keinen Humor haben), aber auf der Toilette war ich immer noch nicht. Dafür haben sich aber, auf meinen Zettel hin, eine Australierin und ein Peruaner zu mir gesellt.
Nach vier Stunden unruhigem Hin- und Herwälzen war ich auch durchgefroren. Zeit also für mich, einen neuen, wärmeren Schlafplatz zu suchen. Tatsächlich fand ich zwischen all den Passagieren noch einen hinter einem Brötchenshop, auf einer schmalen Heizung. Doch anstatt jetzt zu frieren, musste ich mich jede halbe Stunde umdrehen, um nicht zu verbrennen. Alles bestens dachte ich mir, nachdem ich einigermaßen ausgeschlafen nur noch die restlichen acht Stunden sinnlos vertrödeln musste. Dann könnte ich endlich in den Flieger steigen und gemütlich Weihnachten zu Hause verbringen.
17:45. Eine viertel Stunde vor dem Einchecken kam dann die endgültige Ernüchterung. Flug 438 nach Lübeck wurde erneut und jetzt endgültig storniert und mit ihm noch sechs weitere Flüge der Billigfluggesellschaft Ryanair. Genug Menschen also, um ein heftiges Chaos mit schreienden Kindern und weinenden Frauen zu veranstalten.
Die letzten drei Stunden kann ich nicht beschreiben, sondern nur in einer Kurzfassung wiedergeben. Nach unzähligen Telefonaten nach Hause und allen möglichen Ideen, sitze ich jetzt in der Bahn von London nach Dover, um dort die Fähre nach Frankreich zu nehmen. Gleichzeitig hat sich mein Vater mit dem Auto auf dem Weg gemacht.
„Bis zum 30.12. sind alle Flüge, aller Airlines nach Deutschland oder in die Nähe ausgebucht!“, wurde mir eine Stunde zuvor gesagt. „Gehen Sie bitte wieder zurück nach Hause.“ Aber da wollte ich doch hin…nach Hause.
Weitere sechs Stunden später… Ich sitze im Auto meines Vaters mit vier Duisburgern und Anna, einer Leidensgenossin aus Lüneburg. Erschöpft und doch zu aufgebraust zum Schlafen, denn zu viel war passiert. Um 2 Uhr erreichte ich Dover, wo ich beim Warten auf ein Taxi Anna traf. Erschütternd und voller Unverständnis mussten wir feststellen, dass die nächste Passagierfähre um 7.:30 ablegt. Zu den circa 15 „Ex-Fluggästen“ in der kalten Halle wollten wir uns nicht gesellen, wir wollten für jeden Preis nach Hause.
Zu unserem Glück trafen wir einen Iren und seine französische Freundin, die uns als blinde Passagiere in ihrem zum Wohnmobil umgebauten VW Bus mitnahmen. Sicherlich hätten wir auch alle im Gefängnis landen können, wenn wir aufgeflogen wären, aber darüber haben wir zu dem Zeitpunkt nicht nachgedacht.
Nun bin ich endlich zu Hause und kann nur noch ein Fazit ziehen: Auch an einem noch so schwarzen Tag, gibt es immer Menschen, die einem ein Licht reichen. Danke an den Iren und seine Freundin, sowie an meine Begleitung Anna, mit der alles nur halb so schlimm war. Und an meinen Vater, der wahrscheinlich nicht nur das Weihnachten unserer Familie, sondern auch das von fünf anderen Deutschen gerettet hat.