Möglichst viel mitnehmen
Die junge Rumänin Roxana Sovaila arbeitete ein Jahr lang in einem sozialen Projekt in Deutschland. Ihr Ziel: Möglichst viele Erfahrungen sammeln.
Es wird schön sein, wieder nach Hause zu kommen nach so langer Zeit in der Fremde. Heim zu Freunden und Familie, die sie doch spürbar vermisst hat. Vor allem die um ein Jahr jüngere Schwester. Aber Roxana Sovaila ist auch etwas wehmütig. Ein Jahr lang war Strausberg ihr Zuhause auf Zeit. Und die kleine Stadt am See hat diese Rolle offenbar alles andere als schlecht erfüllt.
„Ich wollte ausbrechen aus der Routine, die mein Leben zuvor darstellte“, betont Roxana. Dabei hatte es die Rumänin nicht leicht, als sie ihr Freiwilliges Soziales Jahr in Strausberg begann: Roxana, aus dem geschäftigen Bukarest kommend, ist ein Großstadtmensch. Verständlich, dass es da zu Anfang einige Vorbehalte gab, Vermutungen zumindest, die Kleinstadt bei Berlin könnte in der Langweiligkeit geradezu tödlich sein. War sie nicht. Roxana hat nicht nur das Städtchen und vor allem die Natur ringsum lieben gelernt. Sondern auch viele Menschen, die hier leben. Dass es vielleicht nicht genug waren oder der Kontakt bei einigen noch hätte intensiver sein können, gehört mit zur Bilanz, die sie nun zieht. „Ich habe hier auch viel Zeit gehabt, über mich nachzudenken.“
Für die junge Rumänin überwiegt dabei eindeutig das Positive. „Was den Projektplatz alleine angeht, haben sich meine Erfahrungen zu mindestens 100% Prozent erfüllt“, sagt sie, und lächelt mit der Abendsonne um die Wette. Dann schiebt sie einen weiteren Satz nach, knapp, aber aus tiefstem Herzen kommend: „Es war ein schönes Jahr“. Sie habe sich selbst ausprobieren, Grenzen ausloten und erweitern sowie Fähigkeiten ausbauen können. Wenngleich sie sich rückblickend gewünscht hätte, im Einzelfall noch mehr gefordert zu werden, habe sie nichts zu bereuen.
Während ihrer Arbeit im Bereich Internationaler Jugendaustausch der Barnimer Alternative konnte Roxana Managementqualitäten, Organisationstalent und Kreativität unter Beweis stellen und ihr Rüstzeug an Sozialkompetenzen weiter entwickeln. Die Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld, merkt Roxana an, hätten dabei sehr geholfen, jeder auf seine Art. Von dem einen habe sie die ständige Ermutigung zum eigenen Wirken erhalten, von der anderen die nie versiegende Ideenvielfalt. Und gab es doch einmal Probleme, habe sie sich stets aufgehoben gefunden im Netz derer, mit denen sie zusammen lebte und arbeitete.
Die Wohngemeinschaft im einstigen Schlachthaus, wo die meisten der ausländischen Freiwilligen das Jahr über verbrachten, habe sich bewährt, findet Roxana. Zwar habe sich die enge räumliche Verquickung mit den Büros zuweilen auch nachteilig ausgewirkt. Zuviel Offenheit schade einer Gemeinschaftsunterkunft bisweilen. Manchmal sei die Privatsphäre, die jeder Mensch braucht, nicht gewährleistet gewesen. Das Gruppengefühl habe sich trotz dessen wunderbar entwickelt, berichtet Roxana: Man kochte gemeinsam, ging gemeinsam aus, teilte auch die Erlebnisse von Feierabend und Freizeit in freundschaftlicher Weise. „Die Menschen hier waren kommunikativer, als ich es mir zunächst gedacht hatte.“
Gut gefallen hat der 26-Jährigen auch das Begleitprogramm. Mit großem Elan brachte sich Roxana in einem Fotoworkshop ein und probierte sich dort aus, nahm zudem an der Arbeit einer Zeitungsgruppe teil. Aus den Workshops, Seminaren und Diskussionsrunden habe sie vieles mitgenommen, erzählt sie.
Die Sprache ihres Gastlandes bereitete ihr dabei geringe Schwierigkeiten. Als sie eintraf im September 2002, hatte die Rumänin den meisten ihrer Projektteilnehmer einiges voraus – mit fünf Jahren Deutschunterricht in der Schule war zumindest eine solide Basis da, sich in Deutschland verständigen zu können, wenn der andere kein Englisch spricht. Dennoch fehlte ihr damals jegliche Praxis.
Mittlerweile ist es soweit, dass sich sogar ihr Denken zum Teil in Deutsch vollziehe, erzählt sie. Das Fühlen allerdings sei eine andere Sache. Dass die Deutschen weniger spontan und temperamentvoll als die Rumänen sind, selbst bei Partys nicht so ganz aus sich herausgehen, gehörte zu den Dingen, an die sich die junge Freiwillige erst gewöhnen musste.
Die junge Rumänin tritt mit einer Vielzahl von Eindrücken den Heimweg an. Obwohl sie zuvor schon in London war und mit einem Jugendaustausch Italien besucht hatte, sei das eine Jahr in Deutschland ein ganz besonderes Abenteuer gewesen. Sie hofft, ihre Erfahrungen auch im Beruf nutzen und einbringen zu können. Schließlich sollten die vergangenen zwölf Monate nicht etwa eine Flucht aus dem Alltag sein, sondern eine Chance. Und die habe sie so intensiv wie möglich genutzt.