“Mind the gap between the train and the platform“
Seit mehr als 150 Jahren fährt die Tube unter London.
Die „London Underground“ besitzt mit 402 km Netz-Länge das längste Streckennetz Europas. Im Jahre 1863 als „Metropolitan Railway“ eröffnet, gab sie weltweit anderen U-Bahnnetzen den Namen „Metro“ - nur die Londoner selbst machen es natürlich anders und nennen sie „Tube“ (ähnlich: Meile, Pfund, Linksverkehr und Steckdose). Über 3,3 Millionen Fahrgäste nehmen von einer der 270 Stationen aus eine der 14 Linien, wählen damit das wichtigste Verkehrsmittel in London und verbringen dann ihre durchschnittlichen 80min ihres Tages in der Bahn.
Von den 14 Linien (Bakerloo, Central, Circle, District, Hammersmith&City, Jubile, Metropolitan, Northern, Picadilly, Victoria, Waterloo&City, London Overground, TfLRail, DLR) möchte ich besonders zwei Linien hervorheben. Zum einen die Waterloo&City Line, die lediglich zwei Stationen (Waterloo und Bank) verbindet. Wer sich hier an einem Werktag um 08.00 hertraut, wird sich in einer Masse von Anzugträgern, die natürlich alle „Very Important Persons“ sind, wiederfinden. Die zweite Linie, die DLR (Dockland Light Rail) finde ich deshalb so spannend, weil sie im Gegensatz zu anderen Linien fahrerlos ist und sie mehrheitlich auf Hochbahnen verkehrt. Sie verbindet Bank mit den östlich gelegenen Docklands und Greenwich. Zudem liegt meine Lieblingsstation „Canary Wharf“, die mich mit ihrer gläsernen und hochmodernen Architektur immer wieder beeindruckt, auf dieser Linie. Für eine Besichtigungstour lohnt sich die „Oyster-Card“, dem Londoner Must-have.
Wer mal eben die Tube nehmen will, sollte sich auf einen Abstieg in labyrinthische Tiefen mit (vor Schweiß) strömenden Menschenmassen gefasst machen. Bis man an sein Gleis gelangt, können mehrere Minuten vergehen, (ausfallende) Rolltreppen, Treppensätze, lange nicht enden wollende Gänge, steckenbleibende Aufzüge und unbenutzte Gleise begleiten und versüßen dabei den Weg. Nicht zu denken, was hier in einem Katastrophenfall passieren würde, etwa wenn ein giftiges Gas austritt oder eine Massenpanik aufritt. Die Londoner, die ich zu meinen Sicherheitsbedenken befragt habe, meinten lächelnd und unbekümmert, dass sie darüber nicht nachdenken und ich es auch nicht sollte. Nun ja.
Seit Jahren gibt es den Trendsport unter Londonern so schnell wie möglich jede Station des Liniennetzes abzufahren. Die momentanen Rekordhalter Andy James und Steve Wilson, schafften es am 21.05.2015 in 15 Stunden, 45 Minuten und 38 Sekunden und waren damit mehr als 34 Minuten schneller als Geoff Marshall und Anthony Smit, die sich 2015 an der „Tube Challenge“ versuchten. Wer sich versuchen will, solle sportlich sein und versuchen systematisch die beste Route zu finden, so Marshall und Smit.
Doch nicht alles an der Londoner Underground ist auf positive Art und Weise rekordverdächtig. Das unterirdische System wurde vor 150 Jahren angelegt und seitdem hat sich die Stadt stark verändert: Die Einwohnerzahl Londons beträgt heute gewaltige 8,5 Millionen und die Fahrgäste, die heute auf die Tube angewiesen sind, steigt stetig. Doch die Infrastruktur hängt, wie in vielen Städten, die enorm schnell wachsen, bedenklich hinterher. Seitdem in mehreren Modernisierungsschritten ab dem späten 19. Jahrhundert zunächst die Dampflokomotiven durch elektrische betriebene U-Bahn-Strecken ersetzt und das Netz erweitert wurde, fahren Siemens-Züge durch London. Die erste dieser Strecken ist bis heute Teil der Northern Line und Störungen und Schäden sind fester Bestandteil des Tube-Alltags. Einzelteile müssen immer wieder als Unikate nachgefertigt werden und die vielen maroden Stationen können die Massen nicht mehr aufnehmen. An manchen Stationen lassen sich 90 Jahre alte Signalanlagen und viel zu viele verschiendene Überwachungssysteme finden.
Der Schrei nach einem Ausbau der Stationen, neuen Signalsysteme und schneller fahrenden Zügen (derzeit 33 km/h) ist laut. Bis 2023 sollen Tausende der maroden Züge ersetzt werden und zahlreiche Verlängerungen der Streckenführung in die Vororte Londons sind geplant. Das Projekt „Crossrail“ , eine 21 Km lange Regionalexpresslinie, soll Shenfield im Osten mit Reading und Heathrow im Westen ab 2019 verbinden und dadurch die Innenstadt komplett unterqueren. Die Linie, die dann jährlich 200 Millionen Passagiere befördern soll, wird nach Queen Elizabeth benannt werden.