Mein EFD ist …
Wie soll ich denn bitte einen Text über meinen Europäischen Freiwilligendienst schreiben? Die ganzen, vielen Erlebnisse in Worte fassen und dann auch noch abwägen, ob mir das alles in meiner Zukunft helfen wird?
Ein Versuch.
Rein theoretisch kann ich an diesem Wettbewerb erst als 90- jährige Oma teilnehmen.
Killed time or filled time? Wie kann ich denn jetzt schon wissen, ob und wie mir meine Erfahrungen, die ich hier während meines EFDs mache in der Zukunft helfen werden? Schließlich ist dieser ein Teil von mir, meines Lebens, eine Zeit, die ich im Ausland verbringe...nein...falsch...viel mehr!
Für mich ist der Europäische Freiwilligendienst kein bloßer Auslandsaufenthalt, eine Zeit um einen neue Fremdsprache zu lernen und schon lange kein poetischer Gedichte- Zyklus oder sprachlich ausgefeilter Essay in dem man Vor- und Nachteile abwägen könnte. Der EFD ist kein poetischer Singsang, erfundene Geschichte über Probleme, die ich spielend-leicht lösen konnte, oberflächliche Freundschaften, die ich mir einbilde.
Eigentlich ist er unbeschreiblich.
Wie so viele meiner Altersgenossen fragte ich mich schon während der Abiturvorbereitung, mit hochrotem Kopf über schwierigen Texten schwitzend, was ich denn wohl mal studieren möchte. Leider nimmt die Antwort auf die Frage „Was willst du denn mal werden?“ mit zeitlicher Näherung der Entscheidung immer mehr an Unklarheit an. So zumindest in meinem Fall. Den Wunsch Tierärztin zu werden, den ich als fünfjährige hegte, hatte ich bereits vor Jahren ohne Alternativvorschlag beiseitegelegt. Ein Informationsabend in der örtlichen „Agentur für Arbeit“, so unromantisch es auch klingen mag, öffnete mir die Augen für die Welt des EUROPEAN VOLONTARY SERVICE. „Wow! Was für eine Möglichkeit!“, dachte ich nach Abschluss dieses Abends im Bett vor mich hin träumend. Ein Weg einen Auslandsaufenthalt absolvieren zu können, ohne meinen Eltern auf der Tasche liegen zu müssen, gleichzeitig zum Sprachenlernen gezwungen sein und so auch noch Zeit und Inspiration gewinnen zu können um neue Zukunftsideen für mich zu entwickeln- Perfekt!
Am 1.Oktober war es also soweit: der zweite Ernst des Lebens stand mir bevor: die Abreise. Nach einer Woche voller Abschiede und einer Koffer-pack-Nacht-und-Nebel-Aktion saß ich also im Flugzeug ab nach Rom. Und so begann ich also meinen Europäischen Freiwilligendienst in einer italienischen Kleinstadt...
Vielleicht werde ich in vielen Jahren meine Geschichte an andere weiter geben, erzählen, „ja, damals, als ich noch jung und voller Hoffnung war habe ich diesen EFD gemacht…“
Aber da ich noch keine 90, sondern erst 19 Jahre alt bin und auch noch mittendrin in meinem Europäischen Freiwilligendienst kann ich in diesem Moment nur erzählen, was ich bis jetzt während meiner Zeit hier so alles eigesammelt habe:
Das Leben.
Mein EFD ist Alltag. Ein Alltag, den ich so in Deutschland, in mitten meiner alten Umgebung nie hätte finden können. Hier im Ausland lebe, erlebe ich intensiver; Besonderheiten werden alltäglich und Alltäglichkeiten besonders. Die ersten Wochen bin ich jeden Tag an den Strand gegangen um aufs Meer zu schauen. Jeder Tag mit der Meeresbrise in der Nase fühlte sich an wie Urlaub. Inzwischen ist das Alltag. Und doch finde ich mich in bestimmten Momenten mit Gänsehaut am Meer entlanglaufend wieder.
„Genieße die Zeit in der Schule! Es ist die schönste Zeit im Leben“, wurde mir zu Schulzeiten geraten. Stimmt nicht, sage ich jetzt! Wahrscheinlich seid ihr, die ihr mir diesen Rat gebt noch nicht im Ausland gewesen, habt noch nie dort gelebt und so auch gar nicht merken können, wie schön es sich anfühlt sich in einer anderen Sprache verständig zu machen, obwohl man noch nie ein Grammatikbuch dieser in der Hand gehabt habt.
Mein EFD ist am eigenen Leib zu erfahren, wie es ist, sich ohne wirklich korrekte Sprachkenntnisse in einem europäischen Sprachenmix zu unterhalten und sich zu verstehen.
Zu erleben, das all die Ängste, die ich in meinem bisherigen Leben hatte, mich peinlich zu machen, dass Andere über mich reden oder lachen in der Öffentlichkeit, völlig unbegründet waren, weil wir, wir alle im Endeffekt doch gleich sind; die gleichen Ängste, Sorgen vor Inakzeptanz und Ausgrenzung haben, egal aus welchem Land wir kommen oder welches Alter wir haben.
Welch ein Gefühl mit den Worten „Ihr bringt ein Stück Europa in unsere Stadt“, gleich in der ersten Woche im Ausland begrüßt zu werden und welch eine Genugtuung zu merken, dass das Sprachelernen gar nicht so schwer ist, wenn man sich nur darauf einlässt und mutig ist einfach drauf los zu quatschen.
Mein EFD ist den Einkauf erledigen, wenn der Kühlschrank mal wieder gähnende Leere anzeigt, auch wenn es draußen regnet und ich nur das Fahrrad zur Fortbewegung habe; Putzplan und spanische „Tortilla di Patate“ zum Mittagessen; arbeiten auch mal Freitagnachmittag bis halb sieben abends; sich nach anderen richten und gleichzeitig schauen, dass man selbst nicht auf der Strecke bleibt.
Europäischer Freiwilligendienst ist auch, sich durch Internetseiten und Mama über Skype erklären lassen, wie ich meine Socken waschen muss und eigene Waschmaschinen-Experimente durchführen.
Mein EFD ist das Entdecken, dass wahre Freunde sich über jede Wenigkeit, die du sie an deinem Leben teilhaben lässt, freuen und herausfinden, dass wahre Freunde es dir nicht nachtragen, wenn du dich mal wieder nur einmal im Monat gemeldet hast, sondern sich freuen weil sie wissen, dass es dir gut geht, wenn du keine Zeit hast zu schreiben.
Sich selbst durch andere kennenlernen.
Es ist auch eine Zeit für mich um über meinen weiteren Lebensweg nach zu denken, mein Leben hier oder dort und Möglichkeiten meinen eigenen Horizont noch weiter öffnen zu können.
Zu merken, wie man neue Prioritäten setzt und sich verändert. Und wie sich andere verändern. EFD ist auch verpassen, nicht mehr alltäglich sein im Leben von anderen, umziehen.
Zu sehen, dass nicht alles Gold ist was glänzt, sich die meisten Leute aber auch über Kleinigkeiten freuen.
Nach den schüchternen Malen im Supermarkt, von der Sonne inspiriert mit einem Lächeln den Einkauf erledigen und so zwar mit weniger Geld in der Tasche, aber dafür reicher an den eingefangenen, glücklichen Gesichtern im Herzen den Laden wieder verlassen.
Konjugationen und unregelmäßige Verben lernen; auf das „Anderssein“ angesprochen werden; sich nicht immer korrekterweise mitteilen können und auf kulturelle Unterschiede aufmerksam werden und gemacht werden.
Und das ist hier im Ausland mein Alltag!
Besonders aufregend und normal, wie auch sonst alles, auch wie schon vorher im Leben, nur hier und jetzt mit dem Unterscheid, dass ich es erlebe.
Mein Leben zieht nicht mehr an mir vorbei und ich denke nur an das Morgen und die Ungewissheit, die dieses mit sich bringt. Nein! Ich lebe. Lebe, reflektiere, beurteile und genieße alles zur gleichen Zeit.
Ob mein Europäischer Freiwilligendienst vergeudete oder erfüllende Zeit für mich war, ist und sein wird, das lasse ich Euch an dieser Stelle beurteilen. Ich habe meine Antwort für mich schon längst gefunden.
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