Mein dritter Blog- Sommer in den Niederlanden!
In diesem Blogeintrag geht es um die Erlebnisse, die meinen Sommer in den Niederlanden zu einem ganz besonderen gemacht haben.
Hallo ihr Lieben!
Seit meinem letzten Blogeintrag im Mai ist so viel passiert, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll… Es wurde Sommer in den Niederlanden. Der Beginn der großen Schulferien war erkennbar durch die Schulrucksäcke, welche Jugendliche, die ihre Prüfungen bestanden hatten, an den Fahnenstangen ihres Wohnhauses befestigten.
Ich habe die hohen Temperaturen, die nach Meinung der meisten Senioren „niet meer normaal“ waren, und den strahlenden Sonnenschein genutzt, um häufig im Park zu lesen oder im See schwimmen zu gehen. Aber mein Sommer bestand auch aus zahlreichen Chorproben und Auftritten in Galerien, Bars und, was für uns alle der Höhepunkt war, auf einer Hochzeit. Dafür fuhr ein Teil unserer Gruppe gemeinsam nach Groenlo, ein wunderschöner Ort, der dicht bei der deutschen Grenze liegt. Die Stimmung war die ganze Zeit über sehr ausgelassen und wir genossen es, für die Braut und den Bräutigam, der übrigens der Bruder von Milou aus meinem Chor war, zu singen und danach bei traumhaftem Wetter zu feiern. Die letzten Monate waren auch von einigen markanten Ereignissen geprägt. Zuerst ein mal war ich im Juni das erste Mal seit Januar zu Hause und habe eine wunderschönes sommerliche Woche mit meiner Familie und meinen Freunden in Deutschland verbracht. Seitdem ich nicht mehr in meinem kleinen Dörfchen wohne, vermisse ich doch gerade im Sommer die Weite der Felder und unseren großen Garten. Glücklicherweise hat eine meiner niederländischen Kolleginnen einen wundervollen Gemüsegarten, aus dem sie mir frisches Gemüse mitbringt. Das ist dann schon fast wie zu Hause ;)
Anfang Juli hatte ich mein zweites Seminar, welches als mid-term-Training bezeichnet wird. Dieses hat in meinem Fall in Den Haag stattgefunden. Es war toll all die Leute wiederzusehen, die ich schon vom ersten Seminar kannte. Mit vielen hatte ich nach dem ersten Training angefreundet. Wir haben die Zeit genutzt, um gemeinsam zu überlegen, wie wir die restliche Zeit für uns so positiv und lehrreich wie möglich gestalten und somit unseren Freiwilligendienst zu einer noch besseren Erfahrung für uns selbst machen können. Den zweiten Tag haben wir von morgens bis Abends in Rotterdam verbracht. Dort wurde uns das Konzept der City-Safari vorgestellt. Wir fanden, dass das ein bisschen nach einer Rallye klang und hatten die Befürchtung, dass wir den ganzen Tag lang wie in der Schule mit einem Fragebogen durch die Stadt laufen würden. Glücklicherweise sah die Realität ganz anders aus! Wir begannen den Tag in einem Café, in dem der Betreiber uns im Rahmen der City-Safari zu einem Getränk und Gebäck einlud und uns das Konzept erklärte, was dem Café zugrunde liegt. Dort arbeiten fast ausschließlich Jugendliche und junge Erwachsene, die eine sehr schwierige Kindheit hatten und in den meisten Fällen keinen Schulabschluss haben. Viele hatten schon in jungen Jahren Straftaten begangen und trieben sich auf den Straßen der Vororte Rotterdams herum, wo der Cafébetreiber auch selbst seine Wurzeln sieht. Er gibt diesen jungen Menschen die Möglichkeit, bei ihm zu arbeiten und den Cafébetrieb am Laufen zu halten. Jeder Einzelne von ihnen wird gebraucht und gefördert, bei dem, was er oder sie tut. Viele von ihnen machen ihren Schulabschluss nach und die allermeisten arbeiten dort so lange, bis sie einen Job gefunden haben. Es war beeindruckend ein Gespräch mit diesem zielstrebigen, motivierten Mann zu führen, der in wenigen Jahren so ein tolles, erfolgreiches Projekt auf die Beine gestellt hat. Man konnte sehen, dass er die Jugendlichen erreicht. Er hat sich immer selbst als einer von ihnen bezeichnet und sich nicht von ihnen abgehoben.
Danach wurden wir in Gruppen eingeteilt und bekamen ein Programm mit verschiedenen Initiativen und Menschen in Rotterdam, die wir im Laufe des Tages kennenlernen sollten. Unsere nächste Station führte uns zu einer Kunstgalerie, die zwei Herren vor vielen Jahren gegründet hatten mit der Intention, Künstlerinnen und Künstlern mit einer geistigen Behinderung oder bei denen andere Umstände verhindert hatten, dass sie zum Studieren an eine gewöhnliche Kunsthochschule gehen konnten, einen Ort zum Arbeiten und Ausstellen ihrer Kunst zu geben. Diese Art von Kunst bezeichnet man als „Outsider Art“, wie man uns erklärte. Wir bekamen eine Führung durch die Galerie und konnten mit den meisten Künstler*innen, die dort arbeiteten kurz ins Gespräch gehen. Es war unglaublich beeindruckend, sich von ihnen ihre Kunstwerke zeigen zu lassen und die Hintergründe hinter den Werken erläutert zu bekommen. Die Menschen, mit denen wir sprachen, waren so vielfältig wie ihre Kunst selbst. Es war unfassbar inspirierend und zugleich sehr berührend! Danach machte sich meine Gruppe auf den Weg zu einer Dame, die uns zu sich nach Hause einlud. Sie war damals während des 2. Tschetschenienkrieges mit ihren Kindern geflohen und nach Rotterdam gekommen. Sie hatte für uns Poffertjes gebacken, kleine niederländische Pfannkuchen, und berichtete uns von ihrer Flucht und ihrem Neuanfang in den Niederlanden. Wir hatten außerdem die Möglichkeit, ihr alle unsere Fragen zu stellen. Es war ein sehr bewegendes Gespräch und insbesondere für mich sehr intensiv, da sie beinahe kein Englisch sprach, aber dafür gutes Niederländisch. Die anderen Freiwilligen sprachen aber beinahe kein Niederländisch und so habe ich während des gesamten Gespräches gedolmetscht, da mein Niederländisch mittlerweile ziemlich gut ist. Aber es war teilweise sehr schwer, die erschütternden und traurigen Erlebnisse zu übersetzen, von denen sie erzählte und dafür die richtigen Worte zu finden.
Mitte Juli bin ich dann nach Mailand geflogen und habe mich dort mit meinem Freund getroffen, der seinen Europäischen Freiwilligendienst in Italien macht. Wir sind gemeinsam erst ein paar Tage nach Florenz gefahren, dann nach Venedig und zum Schluss nach Caorle, ein kleines Städtchen an der Adria. Wir hatten eine wunderschöne Zeit zusammen und haben die gemeinsame Woche sehr genossenen, auch wenn wir manchmal im Zelt fast geschmolzen wären und ich beim Zählen auf eine amtliche Anzahl von 25 Mückenstichen kam.
Ende Juli bin ich das erste Mal seit dem Beginn meines Freiwilligendienstes im Januar auf eine Beerdigung gegangen. Ich kannte den verstorbenen Herren recht gut. Er wohnte in einer Wohngruppe, in der ich arbeite und hat an den Tanzstunden teilgenommen, die ich betreue. Es war schrecklich bei seinem Verfall zuzugucken und öfter hatte er an seinem Rollstuhl gerüttelt, weil er „frei sein“ wollte, wie er sagte. Jetzt ist er frei. Ich vermisse ihn sehr und denke gerne daran zurück, wie er wieder lächeln konnte und seinen Kopf hob, wenn er Musik hörte.
Ein weiteres großes Ereignis war mein Umzug Mitte August. Durch sehr liebe Freundinnen aus meiner Tanzgruppe, die total gute Kontakte haben, habe ich die Möglichkeit bekommen in ein sehr helles, großes Zimmer mitten in der Innenstadt umzuziehen. So habe ich mir von meinen Freundinnen all das Zeug zusammen geliehen, was man so braucht, wenn man in ein nicht möbliertes Zimmer zieht und habe all meine Sachen, waren doch viel mehr als ich erwartet hatte, in das Auto einer Freundin geladen und, bei meinem Haus angekommen, mit ihr zusammen wieder ausgeladen und die Treppen hochgeschleppt. Da ich ja vorher in einem sehr kleinen Zimmer in dem Wohnzentrum gelebt habe, in dem ich auch arbeite, hatte ich irgendwann das Gefühl, permanent von Arbeit umgeben zu sein und nie Abstand zu den Bewohnern zu kriegen. Es tut sehr gut, jetzt jeden Tag von der Arbeit nach Hause radeln zu können und auch Gäste empfange ich hier viel lieber als im Seniorenheim.
Den Sommer habe ich außerdem genutzt, um des öfteren meine internationalen Freunde, die Freiwillige in einer Kunstgalerie in Den Helder sind, oder wie die Senioren sagen, in der „Marinestadt des Landes“ zu besuchen. Ende Juli haben sie ihre eigene Kunstausstellung eröffnet, bei der auch Fotos einen Platz gefunden haben, die meine wundervolle polnische Freundin Kasia von mir gemacht hat. Bis jetzt hat sie aber noch keiner gekauft… PFFFF… Auch meine andere Freundin in Amsterdam habe ich ein paar Mal besucht und mit ihr zahlreiche Museen abgeklappert. Bei dem kulturellen Angebot in Amsterdam hat man aber trotzdem den Eindruck, noch nicht mal ansatzweise die Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, die es gibt.
Meine Arbeit macht mir nach wie vor Spaß, aber natürlich gibt es auch Höhen und Tiefen. Während der Sommermonate waren viele Mitarbeiter*innen im Urlaub und auch fast alle von den freiwilligen Helfer*innen. So musste ich viel mehr Aufgaben übernehmen als sonst und hatte teilweise wirklich stressige Tage. Allerdings hat der Stress jetzt wieder nachgelassen und es gibt auch immer total schöne Momente bei der Arbeit. Ich habe neulich zum Beispiel Klavier mit einer an Demenz erkrankten Bewohnerin gespielt, was ihr und mir total viel Spaß gemacht hat! Und letzte Woche war große Kirmes in der Innenstadt von Den Bosch. Wir sind dort auch mit den Klienten der Tagespflege, sowie den Bewohner*innen der Wohngruppen unseres Pflegezentrums hingegangen und die Menschen durften bei schokoladigen „Bosschen Bollen“, einer Spezialität der Stadt, und zahlreichen Getränken, anderthalb Stunden Volksmusik genießen. Sie haben es, im Gegensatz zu mir, wirklich genossen, zu den Klassikern internationaler Volkslieder zu schunkeln und mitzusingen. Mir hat es wiederum große Freude bereitet, sie so ausgelassen und glücklich zu sehen.
Genießt den Spätsommer und fühlt euch gedrückt! Groetjes aan jullie allemal :)
Eure Marieke
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