May a lot
Veränderungen bei meiner Arbeit, Andrzejki, ein Theater-Workshop zum internationalen Tag der Migranten und was mich sonst noch in den letzten zwei Wochen auf Trab hielt
Wie gewohnt möchte ich zuerst von meiner Arbeit berichten. Dort ändert sich gerade einiges, zum Beispiel haben wir mit unseren eigenen Workshops begonnen. Es wurde vorgeschlagen mit einer Präsentation über uns selbst, unserer Kultur und unser emLand anzufangen, damit die participants uns noch besser kennenlernen. Ich habe also am Abend vorher Nussecken gebacken, um die deutsche Backkultur zu demonstrieren und mir viele Gedanken gemacht, wie ich meine Präsentation interessant und interaktiv gestalten kann. So habe ich zum Beispiel Beethovens fünfte Sinfonie abgespielt, die participants raten lassen wer der Komponist ist, um dann erzählen zu können, dass er aus Bonn kommt. Es ging außerdem um Haribo, das Siebengebirge, den Rhein, Karneval, die Kirschblütenzeit und Fotos von Familie und Freunden durften natürlich auch nicht fehlen. Es war schön, wie interessiert die participants waren.
Doch meine Rolle im Workshop ändert sich noch essentieller. Während ich in den letzten Wochen eher Aufträge von Asia bekommen habe („Gestalte bitte Weihnachtskarten mit diesen Tannenbäumen/Elchen/Schneeflocken...“), soll ich jetzt beginnen, selber Aufgaben zu delegieren. Wenn ich also eine Idee für ein Design habe, soll ich die participants bitten, mir dafür zuzuarbeiten. Auf der einen Seite konnte ich es genießen, einfach Aufträge zu erfüllen und kreativ zu arbeiten, auf der anderen Seite ist es eine spannende Herausforderung, eigene Ideen zu entwickeln, die gut umsetzbar sind und schön aussehen. Um das ganze anschaulicher zu machen: Ich hatte zum Beispiel die Idee, mit der Rückseite von einem Bleistift um eine Schablone herum zu stempeln und das war etwas, was die participants sehr gut übernehmen konnten.
An einem Samstag wurden wir dann noch eingespannt, den Garten neu zu bepflanzen. Die Stadt hat sehr, sehr viele Pflanzen und Gärtner zur Anleitung zur Verfügung gestellt, wir haben fünf Stunden lang gebuddelt, gepflanzt und Rindenmulch zum Schutz vor Frost verteilt. Es war viel Arbeit, aber zwischendurch wurden wir von pani Justyna mit Kürbissuppe bewirtschaftet und ich freue mich sehr, den Garten im Frühling verwandelt zu sehen.
Am vergangen Freitag stand die nächste „disco party“ in der Stiftung an, dieses Mal zum Anlass von Andrzejki. Wenn ich alles richtig verstanden habe, ist dies der Todestag des heiligen Andreas und in Polen ein Tag, um die Zukunft vorherzusagen, insbesondere um herauszufinden wen man heiraten wird und wann dies geschieht. Dafür gibt es viele Bräuche, man gießt heißes Wachs durch einen Schlüsselring und sucht nach Symbolen in der daraus entstandenen Figur, man stellt alle linken Schuhe in eine Schlange und wessen Schuh die gegenüberliegende Wand berührt, der wird als nächstes heiraten und so weiter. Wir haben leider nichts davon ausprobiert, sondern durchgehend zu „Disco Polo“-Musik (das deutsche Equivalent sind Schlager) getanzt. Während mein Enthusiasmus nach einer Weile nachließ, schienen die participants geradezu beflügelt von der Musik zu sein und davon kann man sich auch wieder anstecken lassen.
Gestern und heute nahm ich an einem Theater-Workshop im Migrations-Museum in Gdynia anlässlich des Internationalen Tages der Migranten am 18. Dezember teil. Wir begannen mit verschieden Spielen und Improvisationen, schrieben einen Brief an Nationalisten und trugen unsere Ängste sowie Hoffnungen zusammen. Daraus setzt sich eine Performance zusammen, die wir am 18. Dezember aufführen werden. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht und auch neben dem eigentlichen Spielen gab es spannende Gespräche. Sowohl das Migration-Museum, als auch die Theater-Organisation fürchten auf Grund der neuen Regierung weniger Gelder zu bekommen und in der Gruppe diskutierten wir, ob es die Zuschauer angreift und vor den Kopf stößt, wenn wir sie mit „Dear nationalists“ ansprechen, oder ob Provokation nötig ist. Wir haben uns dafür entschieden, es zu behalten.
Zum Schluss muss ich noch meine Behauptung aus dem letzten Beitrag, dass ich mich mehr oder weniger alleine in der Stadt zu Recht finden würde etwas relativieren. Für Gdańsk mag es zutreffen, aber als ich gestern und heute von der S-Bahn zum Schnellzug nach Gdynia und dann zum Bus wechseln musste, war das ganz schön stressig. Es gibt zwar die App Jakdojade, die einem eine passende Verbindung anzeigt, doch der Weg zwischen den verschiedenen Stationen kann kompliziert sein. Dann renne ich nach links und rechts, frage Passanten, bis jemand Englisch spricht und schaffe es dann in der letzten Sekunde noch den Zug zu erwischen. Heute war es leider zu knapp, um noch ein Ticket zu kaufen. Ich musste also aus Zeitmangel schwarzfahren, glücklicherweise kamen an dem Tag aber keine Kontrolleure. Zum Trost sage ich mir, dass ich beim nächsten Mal die Wege schon besser kenne und gelassener sein kann.