Mandarinenernte
Ein paar Einblicke in meine Arbeit und was hier sonst noch so los ist.
Seit dem Umzug fliegen die Tage irgendwie noch schneller vorüber als vorher. Ganze 3 Monate bin ich jetzt schon auf Zypern! Ich glaube diese Wahrnehmung der Zeit hängt zum großen Teil damit zusammen, dass meine Tage jetzt kurzweiliger geworden sind und sich so etwas wie Alltag eingestellt hat.
Morgens geht es mit dem Fahrrad oder zu Fuß, je nachdem wie wir unsere zwei Fahrräder aufgeteilt werden, von unserer Wohnung zum Zentrum, dort bleibe ich dann bis 13 oder 14 Uhr, je nachdem ob ich für die Kantine eingeteilt bin oder nicht. Unsere Kantine mit dem liebevollen von uns gewähltem Namen „Καντίνα μου“ (sprich: „Kantina mou“) befindet sind immer noch im Aufbau, das Menü ist fertig, aber an der Promotion müssen wir noch arbeiten. Folglich haben wir morgens so gut wie keine Gäste. Am besten läuft die Kantine eindeutig, wenn hier irgendwelche Events stattfinden. Diejenige die vormittags für die Kantine zuständig ist, ist also größtenteils damit beschäftigt, das Geschirr der anderen abzuwaschen, die Küche sauber zu halten und sich darum zu kümmern falls sich mal jemand ins Zentrum verirrt. Das Wort Kantine trifft es im Übrigen nicht wirklich, ich habe da immer dieses Bild von einer Essensausgabe mit riesigen dampfenden Metallbehältern und Frauen mit Haarnetzen und Suppenkellen in der Hand im Kopf, aber irgendwie haben wir uns alle an „cantine“ gewöhnt.
Unser „Chef“ Panayiotis hat jetzt angefangen jeder von uns bestimmte Verantwortungen und Aufgaben zu übertragen. An denen arbeiten wir hauptsächlich, wenn wir nicht in der Kantine sind, aber natürlich können wir uns auch darum kümmern, wenn wir in der Kantine sind, aber nichts zu tun haben. Die letzten Wochen habe ich an der Nachbereitung des Trainingkurses „DayCul“ gearbeitet, das heißt ich habe die Auswertungsbögen der Teilnehmer ausgewertet und Grafiken mit den Ergebnissen erstellt, die jetzt an die Sponsoren („Youth in Action“ Programm der Europäischen Kommission, also die gleiche Geldquelle wie auch der Europäische Freiwilligendienst), ich habe mich um die Kommunikation mit den ehemaligen Teilnehmern gekümmert und die Zertifikate (Youthpass) erstellt, gedruckt, die Adressen gesammelt, die Umschläge vorbereitet, zur Post geschleppt, frankiert und abgegeben.
Mein anderer Verantwortungsbereich, den ich wahrscheinlich bis zum Ende meines Freiwilligendienstes behalten werde, ist die Bücherei. Ich bin gerade dabei mich intensiver mit dem Computerprogramm auseinanderzusetzen, welches leider komplett in Griechisch ist. Die Grundlagen, die ich dann bald können sollte, sind Bücher ausleihen und wieder zurücknehmen, neue Bücher in das System einfügen sowie neue Mitglieder hinzufügen.
Wenn nachmittags nichts anderes anliegt, betätige ich mich nach der vormittäglichen Arbeitseinheit sportlich, so ungefähr bis um 16 Uhr. Auf dem Weg zum Fitnessstudio komme ich an Dutzenden von Mandarinenbäumen vorbei, die nicht nur dort sondern überall in den Straßen immer mal wieder ohne Besitzer das Stadtbild verschönern. Seit einigen Wochen kann man also quasi überall mal eben eine Mandarine pflücken, wenn man Lust drauf hat. Das gefällt mir sehr gut. Die Mandarinen schmecken total gut, eindeutig besser als die aus den deutschen Supermärkten, haben dafür aber extrem viele Kerne. Ich hatte schon eine mit über 30 Kernen... Allgemein ist es sehr faszinierend und erheiternd mitanzusehen, wie die Natur hier angesichts des nahenden, Regen bringenden Winters ergrünt, und teilweise sogar noch erblüht.
Bis ich dann um ca. 18 Uhr entweder wieder im Zentrum oder beim Griechischunterricht sein muss, bleiben dann meistens noch so anderthalb unverplante Stunden, in denen ich zum Beispiel Einkaufen gehe, mein Zimmer aufräume oder sonst was mache. Manchmal lohnt es sich zwischendurch nach Hause zu gehen/ fahren, manchmal nicht. Das Programm abends geht dann meistens so bis 20 oder 21 Uhr, außer donnerstags, weil wir da zur Zeit ein Film Festival über Menschenrecht haben. Die Filme, wir hatten bis jetzt zwei über Menschenhandel/Prostitution und einen über Jugendliche in den Pariser Banlieues („La Haine“; der ist relativ bekannt), gehen normalerweise bis ungefähr 23.30 Uhr. Ich muss nicht jeden Donnerstagabend arbeiten, „arbeiten“ heißt hier Stühle auf- und abbauen, Mitgliedskarten kontrollieren oder neue Mitgliedschaften registrieren, Getränke und kleine Snacks verkaufen, die Toiletten und restlichen Räume sauber halten und alles andere, was sonst noch so anfällt, da wir, wenn alle da sind zu fünft sind (die zwei Teilzeitangestellten und wir drei Freiwilligen), aber selbst wenn ich nicht arbeite, komme ich, um den Film zu sehen.
Um noch einmal genau meine wöchentlichen Abendaktivitäten aufzuzählen:
- Dienstag: Traditioneller Tanz für Kinder
- Mittwoch: 2 Stunden Griechischunterricht
- Donnerstag: 1 Stunde Griechischunterricht und Filmvorführung
- Freitag: Traditioneller Tanz für Erwachsene (das liegt allerdings außerhalb meiner Arbeitszeit
- Samstag: neben einer Schicht morgens, wechseln übernimmt eine von uns im Wechsel nachmittags die Kantine
Sonntag und Montag sind unsere freien Tage.
Letztes Wochenende habe ich die freien Tage genutzt, um die drei anderen Freiwilligen in Agros, einem Dorf im Troodos Gebirge zu besuchen. Die haben dort am Samstag ein „Dinner im Dunklen“ organisiert. Eine echt gute Idee! Am Sonntag haben wir einen kleinen Spaziergang durch das Dorf gemacht und natürlich die typischen Touristenmagnete angesteuert: eine Süßigkeitenfabrik, die traditionelle zypriotische Spezialitäten herstellt und die Rosenfabrik. Agros ist als „Dorf der Rosen“ bekannt und man kann dort Kerzen, Seifen, Kosmetikprodukte und Spirituosen aus Rosen erwerben. Die Lage des Dorfes inmitten der Berge und schönster Natur ist zwar wirklich hübsch anzusehen, aber die Fahrt dorthin war nicht nur umständlich, weil kaum Informationen zu den Fahrplänen zu finden waren, sondern auf dem letzten Teil durch die Berge auch ziemlich belastend für das Wohlbefinden. Der Kleinbus ist in einem eher unangemessenen Tempo die engen serpentinenartigen Straßen hoch- und runtergerast. Aber zumindest über den Preis von 50 Cent (vielleicht auch maximal 1 €) für die ca. 50 km von Nikosia nach Agros kann man echt nicht meckern.
Diese Woche findet hier bei uns im Zentrum schon seit Montag und bis Samstag ein besonderes Event statt. Jeden Morgen kommen mehrere Schulklassen um den Παραμυθοκόρες, drei Frauen aus Griechenland, die Geschichten erzählen und Musik machen, zuzuhören. Deshalb müssen wir diese Woche jeden Tag eine Stunde früher zur Arbeit gehen, aber da wir ja sonst erst um 10 Uhr anfangen, ist das wohl in Ordnung. Dienstag fand abends an Stelle des Tanzunterrichtes eine Aufführung extra für die Kinder vom Tanzen statt, morgen ist nachmittags zusätzlich eine Aufführung in der Innenstadt und abends eine für Erwachsene im Zentrum. Samstag findet zum Abschluss dann noch eine Veranstaltung für Familien statt, bei der die Erwachsenen lernen können, wie sie ihre Kinder selbst mit Geschichten begeistern können.
Da mein Geburtstag morgen also folglich eher verplant ist, wollen wir Samstagabend eine kombinierte Wohnungseinweihungs- und Geburtstagsparty feiern.
Ihr seht also, für Langeweile bleibt zur Zeit nicht wirklich viel Zeit. Und in 19 Tagen geht es schon nach Hause, um dort meinen Weihnachtsurlaub zu verbringen!!