Mal wieder Petropavlovsk und mein Visum
Nach vier Tagen in Esso musste ich wieder nach Petropavlovsk fahren. Gleich vorab: Als ich wieder zurückfuhr, hatte ich endlich mein Visum.
Mittwoch, 24.11.2010:
Noch vor dem Frühstück wagte ich mich in mein Zimmer (ihr wisst doch da liegt noch immer das faulende Rentierfell). Zuerst riss ich das Fenster auf, dann wollte ich das Fell anheben und wegtragen. Allerdings klebte das Fell schon am Boden Fest und ich hielt erstmal nur ein paar Haare in den Händen. Als es sich dann doch gelöst hatte trug ich es in das leer stehende Zimmer und zog die Tür hinter mir zu. Nun holte ich mir einen Eimer mit Putzwasser und schrubbte gemeinsam mit Susan, die mir glücklicherweise dabei half, den Boden, damit die Fell- und Blutreste, die noch immer am Boden klebten, weg kamen.
Erst dann ging ich zum Frühstück. Danach zur Arbeit in den Park.
Dort erklärte mir Natalia Petrowna recht kurz angebunden, dass ich einen Kalender mit Vögelmotiven entwerfen sollte. Das ganze sollte möglichst gehen. Sie ließ mir dann noch ein Muster vom Jahre 2008 zurück und ich setze mich an den Computer um mit einem Zeichenprogramm, mit dem ich vorher noch nicht gearbeitet hatte und das auch noch auf russisch programmiert war, den Kalender zu entwerfen und die Motive auszuwählen. Zu Feierabend hatte ich dann ein erstes Layout für den Kalender und auch schon alle Bilder ausgewählt. Den Rest wollte ich dann am nächsten Tag machen.
Donnerstag, 25.11.2010:
Am Donnerstag machte ich mich gleich wieder an die Arbeit, damit der Kalender fertig wurde. Als ich dann schon einiges geschafft hatte kam Natalia Petrowna mit einem Ordner voll mit Vögelbildern, die alle auch auf dem PC gespeichert waren und sagte mir welche Bilder sie als Kalendermotiv haben wollte. Na das war ja mal wieder toll. Hätte sie mir das gestern schon gesagt, dann hätte ich mir nicht den Kopf darüber zerbrechen müssen, welche Bilder ich für den Kalender haben wollte.
Ich machte mich dann leicht verärgert über diesen zu spät gekommenen Hinweis wieder an die Arbeit und ersetzte einige Bilder aus meiner Auswahl durch die Bilder von Natalia. (Einige Bilder hatte ich glücklicherweise so ausgewählt wie Natalia Petrowna)
Eine Stunde vor Feierabend war der Kalender dann so ziemlich fertig, ich zeigte den Entwurf Natali Petrowna, sie im Großen und Ganzen zufrieden mit den Bildern, dem Layout und dem eigentlichen Kalenderblatt. Sie meinte dann, dass ich noch einen Copyrightsatz hinzufügen sollte. Dass machte ich dann auch noch und da sie schon weg war, wollte ich ihr den Kalender am nächsten Tag zeigen.
Freitag, 26.11.2010:
Den Freitag verbrachte ich dann mit Informationsbeschaffung über die Organisation des Naturschutze in Deutschland, da demnächst ein Seminar stattfinden soll, in dem das deutsche und das russische Naturschutzsystem präsentiert werden. Außerdem zeigte ich Natalia Petrowna wieder meinen verbesserten Kalender, in dem jetzt noch die Namen der Vögel fehlten.
Samstag, 27.11.2010:
Es war der Samstag vor dem 1. Advent. Eigentlich wollte Vera, Susan und Ich morgen den 1. Advent mit selbstgebackenen Brötchen und einer weihnachtlich geschmückten Wohnung feiern. Allerdings würden morgen sowohl ich als auch Larissa, die auch eingeladen war, fehlen. Deshalb zogen wir den 1.Advent einfach vor, in der Hoffnung das uns deshalb nicht gleich Unglück widerfährt.
Bevor wir aber mit den Vorbereitungen für unseren Adventskaffe begonnen gönnten Susan und ich uns noch ein entspannendes Bad im örtlichen Thermalfreibad. Es immer wieder faszinierend, dass man bei minus 15 Grad im freien Baden kann. Es kostet nur etwas Überwindung sich bei solchen Temperaturen bis auf die Badehose auszuziehen und wenn man wieder aus dem Wasser kommt muss man sich beeilen mit dem Anziehen, da die Füße auf dem blanken Eis schnelle kalt werden. Der restliche Körper ist noch gut aufgewärmt vom heißen Thermalwasser.
Als Susan und ich dann wieder zurück waren, hatte Vera schon begonnen ihre Blätzchen zu backen. Nachdem ich dann mit duschen fertig war hatten Susan und Vera auch schon die Dekoration so ziemlich fertig. Ich hatte also nichts mehr zu tun. Und ungewollt verlief es wie es sich in Russland gehört: Die Frau(en) kümmern sich ums Essen und ein schönes Zuhause, der Mann kümmert sich um sich selbst und das Geld für die Familie.
Bevor unsere Gäste kamen gingen wir drei noch zum örtlichen Kulturhaus. Dort fand ein Konzert anlässlich des Muttertages statt. Dass in diese Konzert auch gleich “Esso sucht die Supermama” eingebunden war wussten wir nicht. Naja, wir sahen uns trotzdem den Wettstreit an und hörten uns die meist schnulzigen Muttertagslieder an und gingen dann zurück.
Um 18 Uhr kamen dann unsere Gäste, es gab Veras Plätzchen dazu Tee, Kaffee und Kakao. Alles in allem ein gemütlicher schöner erster Advent, wenn er auch etwas verfrüht war.
Sonntag, 28.11.2010:
Den eigentlichen ersten Advent verbrachte ich dann im Bus. Mal wieder musste ich neun Stunden nach Petropavlovsk fahren. Am Montag sollte ich wieder zum Migrationsamt und die fehlenden Dokument vorlegen und dann hoffentlich mein Visum in Empfang nehmen.
Mit mir fuhr auch Larissa, die ebenfalls ihr Visum abholen musste. Während sie in Jelisowo bei Freunden übernachtete fuhr ich wieder zu der Pension, in der ich bereits vor zwei Wochen übernachtet hatte.
Montag, 29.11.2010:
Da das Migrationsamt erst um 17 Uhr öffnet, musste ich die Zeit davor wieder auf andere Weise verbringen. Glücklicherweise hatte ich diesmal neben einem Buch auch meinen Computer mit dabei. So konnte ich die Zeit wenigstens nutzen, um mit diesem Tagebuch wieder ein paar Tage aufzuholen.
Außerdem gönnte ich mir noch einen Kaffee und zwei Kugeln Eis im wohl teuersten Cafe von Jelisowo. Gegen 15 Uhr fuhr ich dann nach Petropavlovsk zum Migrationsamt.
Dort traf ich dann Larissa wieder. Wir gingen schon mal rein und stellten uns an. Nach 20 Minuten kam dann Anna Dawidowa. Wir warteten abermals einige Zeit, dann kamen wir endlich an die Reihe und wurden in das Büro vorgelassen. Dort wurde mir dann mein Visum übergeben (ja richtig, mein Visum ich hielt es in Händen) und wir mussten noch die Registrierung durchführen, dass heißt Anna Dawidowa unterschrieb einige Dokumente, zeigte dem Beamten ein paar ihrer Dokumente und redete ihn in Grund und Boden.
Als wir dann nach einer Stunde wieder auf der Straße standen fragte ich Larissa, nachdem wir Anna Dawidowa verabschiedet hatten, noch ganz ungläubig, ob jetzt denn wirklich alles erledigt sei und ich nicht noch ein mal nach Petropavlovsk fahren musste. Sie beantwortete die Frage mit Ja und wir freuten uns dann beide riesig über unsere Visa, die wir nun beide hatten. Auf diesen Erfolg gönnten wir uns erst mal einen Cappuccino. Als der dann getrunken war fuhr ich wieder zurück nach Jelisowo und Larissa zu ihrer Übernachtungsmöglichkeit.
Abends fiel ich dann noch immer froh über mein Visum ins Bett, diesmal mit dem Wissen, dass ich nicht noch einmal wegen meinem Visum nach Petropavlovsk musste.
Dienstag, 30.11.2010:
Morgens um 9.30 Uhr fuhr der Bus nach Esso. An der Bushaltestelle traf ich dann wieder auf Larissa und Sergej, der immer noch wegen einer Konferenz in Petropavlovsk war. Gemeinsam fuhren wir zurück nach Esso.
Am Abend gegen 19 Uhr kamen wir dann in Esso an.
Als ich dann glücklich in meine Wohnung trat, traf mich aufs Neue der Schlag. Diesmal nicht wegen eines stinkenden Fells, sondern wegen Tatjana. Tatjana ist die Lebensgefährtin von Juri Nikolaijewitsch (ihr wisst schon der (im Vergleich zu uns Volontären alte) Parkinspektor, welcher bei uns im Haus wohnt).
Unser Haus ist eigentlich die Wohnung der Volontäre, Eigentümer ist allerdings der Naturpark. Er muss uns das Gebäude aber nach den Regeln der EFD kostenlos zur Verfügung stellen, schließlich bekommt er dafür Geld. Ich weiß nicht warum, aber auf jeden Fall wohnt auch Juri Nikolaijewitsch kostenlos in unserer Wohnung, obwohl er volles Gehalt bezahlt bekommt. Als ob es nicht schon störend genug wäre, wenn man einen alten Mann in der Wohnung hat, der sich oftmals komisch benimmt und nicht die Aufgaben und Pflichten eines WG-Lebens erfüllt (putzen, vielleicht auch mal etwas für die Hygieneprodukte zahlen, die wir alle verwenden und, und, und). Nun ist aber auch noch seine Freundin zu ihm gezogen. Als er alleine war, war er wenigstens unpräsent und hat uns (ich meine Vera, Susan und mich) nicht in unserem Alltag gestört. Gemeinsam mit Tatjana belagert er nun aber unsere Wohn- und Essküche (der einzige Raum außer meinem Zimmer, in dem ich mich sonst noch länger aufhalte). Ständig läuft der Fernseher und ständig ist unsere einzige Herdplatte belegt. Das bedeutet, dass wir uns eigentlich nur noch in unsere Zimmer zurückziehen können, da es in unserer Wohnküche nicht mehr wohnlich ist. Wenn dann im Zimmer noch stinkende Felle herumliegen oder der Zimmergenosse Gitarre spielt oder mitten in der Nacht ins Zimmer kommt und krach macht, dann war es das mit Ruhe, Entspannung und Privatsphäre.
Oben drauf auf die ständige störende Präsenz kommt dann noch, dass Tatjana noch schlimmer als Juri ist, wenn es um Reinlichkeit im Bad und im Klo geht. Inzwischen bracht man die doppelte Menge Klopapier, da man vorher seinem “Geschäft” noch die Klobrille putzen muss. Die Badewanne ist auch verdreckt, wenn einer von unseren alten Mitbewohner sie benutzt hat.
Durch diesen ganzen Ärger bedingt, sehnte ich mich beinahe wieder nach dem ruhigen Zimmer in der Pension in Jelisowo.
Vorerst konnte ich aber die Situation nicht ändern und ging dann erstmal ins Bett, vielleicht war ich einfach auch nur zu verärgert wegen der langwierigen Visumsgeschichte.