„Leicht war es nicht“
Die Rumänin Anca Covac zieht Bilanz nach einem Jahr in Deutschland und stellt fest, dass die Realität anders ist als in Büchern und Berichten.
Welches Gefühl die Oberhand gewinnt, weiß Anca noch nicht genau. Im Moment ist es eine wilde Mischung. Natürlich ist da die riesige Vorfreude nach einem Jahr in der Fremde wieder nach Hause ins rumänische Oradea zu kommen und Familie und Freunde in die Arme schließen zu können. Doch zugleich ist diese Fremde, in der sie vor elf Monaten eingetroffen war, eben längst nicht mehr so fremd wie zu Anfang, so dass ihr der Abschied auch schwer fällt - wiederum von einigen Freunden, die sie hier gewonnen hat und die sie einmal besuchen kommen will.
„Ich habe viel gelernt, vor allem auch über mich selbst“, betont Anca und ein Lächeln umspielt ihren Mund. Dies kann ihr keiner nehmen, allen Schwierigkeiten und teilweisen Enttäuschungen zum Trotz: Sie ist selbstbewusster geworden, kann Probleme offener benennen und dann effektiver angehen. Sie denkt intensiver über ihre eigene weitere Lebensplanung nach. Natürlich will sie nun ihr Studium fortsetzten. Die Arbeit im Rüdersdorfer Zirkuszelt mit behinderten Kindern und Jugendlichen war eine Erfahrung, die sie unter keinen Umständen missen möchte.
Das, was sie mitnehmen darf, sind viele, viele Erfahrungen. In einigen Punkten haben sie ihr anfängliches Bild von Deutschland und den Deutschen bestätigt. In anderen Punkten stellte sich die Realität anders dar, als sie sie aus Büchern und Berichten entnommen hatte. Dass längst nicht alle Leute hier so pünktlich und penibel sind, wie es immer heißt, weiß sie nun. Jedoch hat sie festgestellt, dass die Mehrzahl der ihr begegneten Menschen vom Temperament her grundsätzlich ein wenig verschlossener sind als die Südosteuropäer.
„Leicht war es nicht“, sagt Anca mit nachdenklichem Blick. Rüdersdorf, ihr Quartier in der Grünen Kehle – das war zwar keine Verbannung, zumal sie ihre Unterkunft zum Schluss richtig lieb gewonnen hat. Dennoch blieb die Gemeinde für die Großstädterin ein Ort, an dem sich nach der Arbeit wenig erleben ließ. „Wenn wir mehr unter Menschen gewesen wären, hätten wir vermutlich auch besser Deutsch gelernt“, sagt Anca ein wenig betrübt -nur dass sie eben mit ihrer Freundin Maria abends in der Grünen Kehle sich kaum auf Deutsch unterhalten mochte. Ihr Ziel, bis zur Abreise fließend Deutsch zu sprechen, konnte sie nicht ganz umsetzen. Dennoch – gegenüber den zwei, drei Worten zu Beginn ist eine deutliche Steigerung feststellbar.