Leben wie der Surf-Gott in Frankreich
Es gibt nichts Schöneres als am Wochenende ans Meer zu fahren und Stadtlärm und Stress gegen Wellenrauschen und Bikini zu tauschen. Wenn dann auch noch die internationale Surf-Weltmeisterschaft vor Ort ist, kann es eigentlich gar nicht mehr besser werden.
Am Wochenende fahre ich mit Freunden an den Strand: Die Fenster bis zum Anschlag heruntergekurbelt, den Wind im Gesicht und den Duft der Pinien in der Nase. Es tut unglaublich gut, die Stadt zu verlassen, Uni und alle anderen Pflichten zu vergessen, die hupenden Autos und wilden Fahrradfahrer*innen in den engen Straßen im Rückspiegel immer kleiner werden zu sehen und das Handy auf Flugmodus zu stellen. Wir fahre nach Hossegor, in eine der Surf-Hochburgen der Region, wo gerade die Championship Tour der World Surf League Halt macht. Vom 7. bis zum 18. Oktober treten hier die weltbesten Surfer*innen auf dem neuntem von insgesamt elf Stops der Welttour gegeneinander an.
Als wir am Freitagnachmittag am Hauptstrand in Hossegor angekommen, ist es unglaublich warm und voll. Lässige Surfer in Karohemden und sonnengebleichten, langen Locken schlurfen an der Promenade entlang, Kinder springen in den Wellen, durchgestylte Mädchengruppen bewerten sicherlich nicht nur den letzten Backside von Surfstar und amtierenden Weltmeister John John Florence. Wie schwarze Vögle sitzen Surfer*innen geduldig auf dem Wasser und warten auf die nächste Welle. Eine Gruppe Studierender hat einen Campingtisch aufgebaut und eine gigantische Flasche Rotwein geöffnet.
Wir mischen uns unter die Schaulustigen, fühlen die Sonne auf der Haut und leben wie der Surf-Gott in Frankreich. Immer wieder muss ich daran denken, dass wir Oktober haben und ich im Bikini in der Sonn schwitze. Am Strand sind einige Bars aufgebaut, an der Promenade steht ein großer Bildschirm, auf dem die Wettkämpfe live übertragen werden. Ich fühle mich wie in einer dieser Werbungen, in der man den ganzen Tag mit Freunden am Strand gewesen ist, schönen Menschen beim Surfen zugeschaut hat und am Abend die rote Sonne langsam im Meer versinken sieht.
Am Abend fahren wir in den kleinen Ort Saint-Jean-de-Marsac, wo wir spontan ein Haus gemietet haben. Direkt neben der Dorfkirche sitzen wir im Garten und das Urlaubsgefühl ist fast nicht mehr zu übertreffen. Am Morgen gehen wir zum Dorfladen, wo schon Körbe mit Austern vor der Tür stehen und kaufen Croissants und Baguette, um dann so schnell wie möglich wieder an den Strand zu kommen.
Am Samstag sehen wir das große Finale des Surfcontests - und das ist selbst für eine Laiin wie mich faszinierend. Als dem Surfstar John John Florence eine astreine Tube gelingt, klatsche und juble ich mit der Menge. Kinder auf Autogrammjagd rennen aufgeregt am Strand hin und her. Als das Board von Brasilianer Gabriel Medina bricht gibt es für die Kleinen kein Halten mehr. Der Junge, der eine Hälft des Surfboards ergattert hat, marschiert stolz durch die Zuschauenden und erntet anerkennende Blicke. Am Ende ist es auch Medina, der das Rennen für sich entscheidet. Bei den Frauen gewinnt Carissa Moore.
Am Sonntag fahren wir an den Plage de Caserne, einen abgelegen Strand mitten in den Pinienwäldern, wo vor allem Wochenendurlauber*innen und Familien baden gehen. Der Strand der Kasernen hat seinen Namen von den alten Betonbunkern, die noch zwischen den Dünen ranken. Die sind aber längst mir Grafti übermalt und haben ihre Bedrohlichkeit verloren. Die Luft ist diesig und die Ferne verschwimmt in der Mittagssonne. Wir bauen uns eine kleine Strandhütte und hören dem Wellenbrechen des Atlantiks zu. Dann stürzen wir uns in die gewaltigen Wellen, auch wenn die Strömung unglaublich stark ist. Aber es gibt nichts Schöneres als mit Salz auf der Haut die Kraft des Meeres und diese Freiheit zu spüren.
Dieses Wochenende am Meer ist wie eine Woche Urlaub. Als wir am Sonntagabend vom Strand aufbrechen und ins Auto steigen, um nach Bordeaux zurückzufahren, verschwimmen die Pinien langsam in der Dämmerung. Es ist, als ob die Zeit stillsteht und gleichzeitig an uns vorbeifliegt. Und als wir so auf der Autobahn fahren und die Stadtrandlichter näherkommen, sind wir eigentlich alle noch am Meer und werden da wohl auch noch eine Weile bleiben, denn die Stadt kommt viel zu schnell zurück.
Wer schon vorher wusste, dass mit Medina nicht die Stadt in Saudi-Arabien gemeint ist, findet hier alle Ergebnisse und die Zusammenfassung des Wettkampfs. Und für alle, die wenigstens sprachlich mit den Surfer*innen mithalten wollen, gibt’s hier die wichtigsten Ausdrücke und Redensarten für den Strand.
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