Lea reist zum Nordpol – gemeinsam mit 500 anderen Studenten aus der ganzen Welt
Meine erste Woche in der neuen Stadt
Naja, nicht ganz bis zum Nordpol: aber Tromsø, die Stadt in Nordnorwegen, die ich für mein Erasmussemester auserkoren habe, wird immerhin als „Tor zur Arktis“ bezeichnet. Und das aus gutem Grund: von hier aus starteten zahlreiche Expeditionen zum Nordpol (unter anderem die erste erfolgreiche durch Roald Amundsen).
Aber nun zu meiner Reise (die euch hoffentlich mehr interessiert als all die Infos, die ihr genauso gut in einem Reiseführer nachlesen könnt): letzten Dienstagabend kam ich erschöpft am Flughafen von Tromsø an. Dort wurden wir (zahlreiche internationale Studenten plus ich) bereits von einheimischen Freiwilligen erwartet, die uns unsere Wohnheimsschlüssel übergaben und uns in den richtigen Bus setzten. Diese gute Organisation zog sich durch die gesamte Orientierungswoche und ist nur eine der Sachen, die mich hier schwer beeindrucken. Eine andere ist die technische Fortschrittlichkeit: es gibt für einfach alles eine App fürs Handy: eine für meinen Stundenplan und Tonaufnahmen der Vorlesung, eine, die mir als interaktive Karte den Weg zu meinen Seminarräumen weist, eine, die mir sagt, welche Loipen gerade frisch gespurt sind usw.
Aber nun weiter zu meinen ersten Tagen hier: am nächsten Morgen begannen für mich direkt die Einführungsveranstaltungen. Im Bus zur Uni traf ich bereits zahlreiche andere internationale Studenten, am Campus angekommen wurden wir direkt mit Kaffee und Obst begrüßt. Danach gab es ein paar Infovorlesungen, Organisatorisches, eine Begrüßung durch die Konrektorin und dann direkt wieder Mittagessen. Beim Kennenlernen der Anderen stellte ich schnell fest, dass gefühlt die Hälfte der Studenten aus Deutschland kommt und sehr viele Medizin studieren – ich passe hier also gut hinein :) Am Abend ging ich dann noch mit zwei meiner neuen Bekanntschaften (2 Briten, die hier ein Physiotherapiepraktikum machen) in die Stadt, um etwas zu trinken. Wir wurden direkt von den Preisen umgehauen (0,5l Bier für 12 Euro!!), hatten nach einem kurzen Schock jedoch noch einen sehr netten Abend. Am Donnerstag bekamen wir Studenten eine Tour durch die Stadt, die größtenteils aus netten Holzhäuschen besteht (sogar die Domkirche ist ganz aus Holz gebaut), bevor am Abend dann eins der Highlights der Woche stattfand: die „Cultural Presentations“!
Uns wurde vor unserer Ankunft bereits mitgeteilt, dass jedes Land in einem kurzen Vortrag von seinen Einwohnern präsentiert werden müsse. Die große Gruppe von Deutschen hatte natürlich nichts vorbereitet und wir entschieden uns dann, in einer Art Tanzpantomime die Vereinigung von Ost- und Westdeutschland darzustellen. Andere Länder hatten sich jedoch mächtig ins Zeug gelegt und es wurden hochinteressante und lustige Stunden: die Japaner führten eine Art Hip-Hop-Tanz auf, der die traditionelle Fischerei zeigte, zwei Chinesinnen trugen ihre traditionellen Hochzeitskleider, ein Iraner sang ganz alleine, ein Isländer brachte getrockneten Fisch von daheim mit und eine Mongolin erzählte uns mithilfe von kleinen Modellen ihrer Zelte, wie ihr Volk als Nomaden lebt. Außerdem lernte ich die Insel La Réunion kennen und das unglaubliche Selbstbewusstsein einiger US- Amerikaner, die uns erklärten, für was wir ihrem Land alles dankbar sein sollten. Ich weiß nun, was einige der zahlreichen Handgesten bedeuten, die Italiener beim Sprechen ständig machen, und habe erfahren, dass die Dänen ihre Babies im Kinderwagen auch mal gefahrlos vor dem Cafe stehen lassen können. Einen kurzen unangenehmen Moment gab es, als eine Georgierin am Ende ihrer Präsentation in bedrücktem Ton hinzufügte: „Ja, und ihr müsst noch über unser Land wissen, dass es zu 20% von Russland besetzt ist!“ Als daraufhin etwas später Russland an der Reihe war und am Ende ihres Quizzes, bei dem es als Preise Schokolade gab, beinahe gönnerhaft sagte: „Und die letzte Schokolade von uns geht an Georgien, damit sie uns nicht mehr böse sind!“, stellte sich ein recht betretenes Gefühl im Saal ein, bei dem niemand so ganz wusste, wie er sich verhalten sollte. Eine sehr schöne Geste ganz am Ende wiederum war ein gemeinsamer Tanz von Pakistanern und Indern – sie hatten festgestellt, dass das Lied, welches uns Pakistan vorstellte in Indien genauso ein Hit war und daher wollten sie uns es noch einmal gemeinsam vortanzen – da war echt eine Power dabei, von der Deutsche beim Tanzen meist nur träumen können.
Am Freitag lernte ich dann erstmals alle Medizinstudenten auf einmal kennen und wir bekamen eine Führung über den Campus und das Krankenhausgelände. Danach schlugen einige vor, dass wir auf Tromsøs Hausberg, den „Storsteinen“ steigen könnten: von dort hat man einen wunderbaren Blick über die Insel, auf der die Stadt liegt. Es führt auch eine Gondel hinauf, aber wir 30 Studenten entschieden uns natürlich dafür die „Sherpa trappa“, tausend Treppenstufen von Schäfer errichtet, hinauf zu gehen. Wir mussten bei dem steilen Aufstieg schon schwer atmen und waren sehr beeindruckt von den zahlreichen Norwegern, die teils joggend mit Hund, teils mit kleinen Kindern oder alten Leuten als Abendspaziergang dort hoch eilten.
Am Samstag gab es mittags für einige Hartgesottene ein Bad im See hinter dem Haus (nur Skandinavier haben es im kalten Wasser länger als einen Moment ausgehalten) und dann später eine Party im Wäschehaus meines Wohnheims (die dort berühmten „Laundry Parties“), wobei der Raum für die Masse an internationalen Studenten viel zu klein war und recht früh die Politi anrückte und die ganze Veranstaltung auflöste. Daraufhin zogen wir uns in eine der Küchen zurück, in der dann noch länger getanzt wurde, während die zuvorkommende schottische Gastgeberin allen gestrandeten Partygästen Tee und Kaffee servierte.
Heute war dann auch schon der letzte Tag der internationalen Orientierungswoche, bevor morgen dann regulär die Uni (und die Erstiwoche der Norweger, „DebutUKA“ genannt) beginnt. Dafür gab es heute noch einen wunderschönen Ausflug zum Grøtfjord, wieder organisiert durch freiwillige Studenten von der Uni. Rund 200 Studenten wurden mit mehreren Reisebussen auf die Insel Kvaløya gefahren. Dort wanderten wir im Gänsemarsch auf einen Berg hinauf, auf dem wir trotz der Massen an Studenten eine tolle Aussicht genießen konnten. Danach ging es hinunter an den Strand, wo bereits Grills, heißer Tee, eine Sauna und ein heißer Pool auf uns warteten. Es war ein wunderbares Gefühl sich erst in der Sauna richtig aufzuheizen, dann ins eisige Polarmeer zu rennen und sich anschließend im warmen Badewasser zu entspannen. Wir blieben dort den ganzen Nachmittag, entspannten und spielten Boccia und Volleyball, bis es anfing zu regnen und wir uns wieder auf den Rückweg machten. Die Leute hier im Norden machen einfach das Beste aus den ungemütlichen Temperaturen und genießen trotzdem Tage am Strand -dann halt eben mit Sauna und Hot Tube dazu :)
So, jetzt wurde das Ganze hier richtig lang, deshalb nur noch ein Fakt zum Schluss: Die Norweger lieben Waffeln: überall und ständig gibt es hier „free waffles“. Gegessen werden sie entweder mit Sauerrahm und Erdbeermarmelade oder mit dem berühmten norwegischen Brunost: das ist ein brauner Käse, der gleichzeitig wie Käse aber auch nach Karamell und dadurch ziemlich süßlich schmeckt. Ein sehr eigenartiger Geschmack, an den ich mich erst noch gewöhnen muss. Gelegenheiten werde ich dazu sicher noch genug haben ;) In diesem Sinne – gute Nacht und bis bald, ich melde mich, wenn es neue Geschichten zu erzählen gibt :)