Kultur kostenfrei – und nicht umsonst!
Ein kurzes Plädoyer für einen kostenfreien Eintritt in Museen.
Wer in Great Britain reist, kann immer Anekdoten erzählen. Egal ob es um ein Klischee (Küche, Wetter, Schlange stehen) oder etwas Außergewöhnliches geht (beispielsweise Englands Faszination für Straßenkarten – gefühlt jeder Engländer hat das britische Straßennetz im Kopf...). Eine weitere britische Eigenschaft möchte ich gerne positiv hervorheben: Der kostenlose Eintritt in ausgewählt staatliche Museen.
Kultur ist für einen jungen Menschen meistens ziemlich weit weg. Klar, man hat in der Schule einmal die Unterschiede zwischen Im- und Expressionismus behandelt und kann – zumindest theoretisch - verschiedene Baustile auseinanderhalten. Aber sich einen Nachmittag in ein Museum begeben? Alte Gemälde, Skulpturen und Plastiken ansehen? Wahrscheinlich würden viele Jugendliche eine Museeumstour nicht gerade als Freizeitaktivität beschreiben. Müßiggang im Museum? Anders in England: Wer die „National Gallery“ am „Trafalgar Square“ besucht, wird überrascht sein, wie jung die Besucher sind, ähnliches gilt auch für die „National Gallery“ in Edinburgh oder das „National Museum“ in Schottlands Hauptstadt.
Das Wort „Kultur“ hat einen lateinischen Ursprung, „cultura“ heißt übersetzt „Bearbeitung, Pflege“, im landwirtschaftlichen Sinne auch „Ackerbau“ oder „den Acker bestellen“. Es meint also – im historischen Sinne – nicht in erster Linie Gemälde, Plastiken oder Rauminstallationen sondern eher gedeihende Gewächse. Doch auch durch den Besuch von Museen wächst und gedeiht etwas: Der geistige Horizont des Besuchers und seines Intellekts.
Die Besuchsfrequenz von Museen – so zahlreiche Statistiken – hängt vom Bildungsgrad der Eltern ab. Die generelle Faustregel, die natürlich auch pauschalisierend ist, lautet, dass mit einer höheren Bildung auch die Motivation und das Interesse an einem Museeumsnachmittag steigt. Dieser Besuch mehrt erweitert die Allgemeinbildung des Besuchers – und dieser Effekt wird an Kinder und Enkel weitergegeben.
Ich habe versucht, die Bundestagsfraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen für eine Stellungnahme zu erreichen. Die Sozialdemokraten weißen in ihrer Antwort darauf hin, dass diese Thema „nicht bei den laufenden Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU” auf der “Agenda” stünde. Die SPD sieht den Bund nicht in der Verantwortung: “Aus Bundessicht ist es schwer dafür zu argumentieren: In Bundesverantwortung befinden sich nur ein Bruchteil der mehr als 6000 Museen und Ausstellungshäuser in Deutschland. Selbst wenn der Bund so etwas machen würde, wäre es fraglich, ob die Bundesländer da mitmachen würden.”
Die Christdemokraten antworten ähnlich: „Museen in Deutschland sind überwiegend in Länder- oder kommunaler Trägerschaft. Das heißt es ist Aufgabe der Länder und Städten und Gemeinden, die Eintrittspreise festzusetzen. Bundesmuseen gibt es wenige; bei einigen von ihnen ist der Eintritt kostenfrei (z.B. Haus der Geschichte in Bonn), bei anderen nicht. Museen präsentieren gewaltige Kulturschätze, die irgendwie finanziert werden müssen. Speziell bei – spektakulären – Wechselausstellungen darf der Eintrittspreis unserer Ansicht nach durchaus eine gewisse Höhe erreichen. Nichtsdestotrotz plädieren wir für einen freien Eintritt für Menschen bis 18, ganz im Sinne der kulturellen Bildung.” Die CDU stellt seit zwei Legislaturperioden die Kanzlerin, in Kürze folgt die dritte Legislaturperiode Bundeskanzlerin Merkels – so stellt man sich doch dann die Frage, warum aus dem Plädoyer nicht mehr geworden ist. Aus Worten folgen hier scheinbar keine Taten. Interessant ist auch, dass hier ausdrücklich „spektakuläre Wechselausstellungen“ genannt werden, diese sind aber auch in Queens Homeland kostenpflichtig.
Auch wenn der Bund nicht in erster Linie für Museen zuständig ist, wäre es ja trotzdem möglich, dass der Bund seine Ausgaben für Kulturförderung erhöht, ohne das gleichzeitig die Länder ihrerseits die Ausgaben kürzen.
Kultur ist teuer, aufwändig und nicht immer ertragreich oder auf den ersten Blick gewinnbringend. Kultur ist manchmal unbequem, kann störend sein und verlangt Pflege, Aufwand und Beachtung. Mit Kulturförderung lässt sich – aus politischer Sicht – keine Wahl gewinnen. Deutschland hat Probleme – große Probleme. Europa hat noch größere Probleme: Staatsschulden, notwendige Reformen, endliche Rohstoffe, Krisen im Nahen Osten und viele weitere kleine und größere Themen müssen auf der Tagesordnung von Parlament und Regierung auftauchen. Kultur fällt da schnell unter den Tisch, doch für welchen Preis? Der Wert ist größer, als der Preis. Oder?