Kinder und Karriere?
Von Frauen wird in unserer Gesellschaft viel abverlangt: Sie müssen sich emanzipieren und Karriere machen, am besten aber auch früh Kinder kriegen und liebevolle Mütter sein, den Haushalt auf die Reihe kriegen aber dabei auch gut aussehen und regelmäßig Sport machen. Kann man all diesen Erwartungen gerecht werden?
Kinder und Familie oder Arbeit und Erfolg? Diese Wahl ist schwer, aber vor allem scheint sie auch nie richtig zu sein: Frauen, die sich dem Haushalt verschreiben und sich Vollzeit um ihre Kinder kümmern möchten, werden häufig als „Heimchen am Herd“ bezeichnet und als abhängig vom Mann. Eine Frau hingegen, die keine Familie gründen möchte und sich auf ihre Karriere konzentriert, gilt schnell als egoistisch und wird vereinsamt mit vielen Katzen sterben. Warum machen wir es Frauen so schwer? Warum lässt sich kein Mittelmaß zwischen diesen beiden Extremen finden?
Das liegt häufig an einem Konflikt der Rollenerwartungen, welcher in vielen Gesellschaften vorliegt. Die relativ zügige Emanzipation der Frauen wurde in vielen Ländern nicht mit einem Umdenken der männlichen Rolle begleitet, was natürlich dazu führt, dass Frauen eine Doppelbelastung - mit Kindern und Karriere- zugeteilt wurde. Dieses Thema wird in unseren Gesellschaften heute polarisierend diskutiert: In Frankreich, meinem derzeitigen Gastland, ist es eher üblich, dass auch Frauen mit Kindern in den Arbeitsalltag integriert sind. Das französische Schulsystem ist auch eher darauf ausgerichtet: Jedes Kind, von der Vorschule bis zur Oberstufe, hat bis 16:30 Uhr jeden Tag Unterricht und wird in der Schule betreut - Das ermöglicht den Familien, dass beide Elternteile zumindest Teilzeit arbeiten. Trotzdem benötigen viele französische Familien Hilfe von außen: Denn auch ein Teilzeitjob, Haushalt und Kinderbetreuung sind zeitlich schwer zu vereinen. Daher würde ich sagen, dass ein flexibles Familien-Management, bei dem beide Elternteile arbeiten, fast schon ein Luxus ist: Private Kinderbetreuung und Haushaltshilfe sind teuer, daher ist es für eine Mittelstandsfamilie nicht möglich, sich diese Unterstützung zu leisten.
In Deutschland erlebe ich auch viele Missstände, wobei die Gesellschaft an sich sehr emanzipiert ist: Väter beanspruchen selten Elternzeit, viele wissen gar nicht um ihren Anspruch oder wollen ihre Karriere nicht unterbrechen. Mittlerweile nimmt sich zwar jeder Dritte Elternzeit, das bedeutet aber auch, dass es in über 60% aller Fällen immer noch komplett die Frau übernimmt, das neugeborene Kind zu versorgen. Das bedeutet natürlich einen Karriere-Einschnitt für die Frau, es prägt aber auch vor allem die frühkindlichen Beziehungen. In Schweden, als europäisches Vergleichsland, ist ein Vaterschaftsurlaub mittlerweile Pflicht: Der Vater muss mindestens zwei Monate der Elternzeit übernehmen. Allein durch diese relativ kurze Zeit der Hauptverantwortung im Haushalt und über die Kinder, lernen Männer, Väter zu sein.
Ein interessantes Beispiel ist auch, wie Mütter in führenden Positionen häufig kritisiert werden: Als zweite Regierungschefin weltweit gebar Jacinda Arden, die neuseeländische Premierministerin, letztes Jahr ein Kind. Ihre Schwangerschaft wurde heftig diskutiert: Wie kann man ein Kabinett führen, wenn man mit der Morgenübelkeit zu kämpfen hat? Würde das Baby die kommenden Wahlen beeinflussen? „Ich bin schwanger, nicht unfähig“- so reagierte die Premierministerin darauf. Warum müssen sich Frauen in hohen Ämtern immer noch rechtfertigen, wenn sie sich für Kinder entscheiden? Warum wird bei Männern, die Väter geworden sind, nicht die Kompetenz in Frage gestellt? Nach ihren Kindern wird in der Regel nicht einmal gefragt, wohingegen Jacinda Arden auf öffentlichen Veranstaltungen immer wieder ihre Babypläne erläutern musste und auch viel kritisiert wird, weil sie zu viel arbeiten würden.
Als junge Frau in der Europäischen Union, einer modernen Wertegemeinschaft, macht es mich fast wütend, dass die Gesellschaft durchweg immer noch die Frau als die Hauptverantwortliche der Familie ansieht. Um endlich Gleichberechtigung zu erreichen, müssen diese alteingesessen Rollenbilder überwunden werden, vom der männlichen Rolle des Hauptverdieners und der weiblichen Rolle des „Care Takers“ - Erst in einer solchen Gesellschaft können alle ihr volles Potential entwickeln!
Quellen
- https://www.zeit.de/arbeit/2017-12/elternzeit-arbeit-vaetermonate-job-erziehung-gleichberechtigung
- https://magazin.care.com/de-ch/erwachsene-senioren/elternzeit-fuer-vaeter-internationaler-vergleich/
- http://www.spiegel.de/karriere/elternzeit-so-geht-es-vaetern-in-schweden-a-1142695.html
- https://www.fluter.de/schwangerschaft-regierungschefin-ardern-karriere-ist-nicht-vor