Keine Angst vor neuen Freunden

Vor zweieinhalb Jahren bin ich aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Ich habe einige Wünsche in Bezug auf meine weitere Integration. Ich möchte, dass die deutsche Sprache mich irgendwann ebenso tief emotional berührt wie die russische und die ukrainische es heute tun. Ich sehne mich nach einer Kindheit in Deutschland mit all den Geheimnissen, Entdeckungen, Freuden und Kinderbuchfiguren.

Als ich nach Deutschland kam, lernte ich die deutsche Sprache bereits sechs Jahre lang in der Schule und studierte vier Jahre lang Germanistik an meiner Heimatuniversität in der Ukraine. Die Sprache ist absolut notwendig für eine erfolgreiche Integration. Jedoch sorgen die guten Deutschkenntnisse alleine nicht für eine erfolgreiche Integration. Deutsch bedeutet für mich nicht eine Anhäufung von Wörtern und Sätzen, sondern lebendige Menschen und ihre Lebensgeschichten.

Ich hatte hier in Deutschland nie solche Probleme, von denen Jugendliche im Schulalter berichten. Ich glaube, das liegt daran, dass ich bei meiner Ankunft gut Deutsch sprechen konnte. Eine andere Ursache für diese "Problemlosigkeit" sehe ich darin, dass ich hier keine Schule besuchen musste und dass mein Umgangskreis nicht aus deutschen und russischsprachigen Schülern bestand, die mit ihren Pubertätsproblemen zu kämpfen hatten, sondern aus meistens weltoffenen, mehr oder weniger gereiften, vorurteilsfreien Personen: aus Studenten und Dozenten.

Für meine weitere Integration habe ich folgendes vorgenommen: keine Angst vor neuen Kontakten und meinen Bekanntenkreis erweitern; durch sorgfältige Arbeit und mit Gefühl in die deutsche Sprache hineinwachsen; mir immer klar machen, was sich in den Situationen abspielt, wo Menschen mit unterschiedlichem soziokulturellem Hintergrund miteinander in Kontakt kommen; den Verlust meiner Heimat aufarbeiten; einen Mittelweg zwischen der Anpassung an die deutschen Verhältnisse und der Wahrung meiner Identität finden; etwas Neues, Ungewöhnliches, Exotisches, Überraschendes, Unvorhersehbares in die deutsche Alltagskultur hineinfließen lassen; etwas, was ich meiner ukrainischen Herkunft zu verdanken habe.