Kampagne zur Mutterschaft in Polen
Werbespot ruft eine Lawine von Kommentaren, Diskussionen, Spottsprüchen und -bildern hervor
Seit langem hat keine öffentliche Werbekampagne in Polen für so viel Emotionen gesorgt, wie die von der "Stiftung Mama und Papa" ("Funacja Mamy i Taty"). Diese zeigt eine Frau mittleren Alters, die durch ihr schick eingerichtetes Haus spaziert und von ihrer Kariere und Reisen berichtet. Am Ende bekundet sie jedoch unter Tränen, dass sie bei all den Erfolgen eine Sache nicht geschafft hat: Mutter zu werden. Es folgt der Slogan "Verschiebe die Mutterschaft nicht auf später" und im Hintergrund lässt sich geisterhaft die Stimme des nichtgeborenen Kindes vernehmen.
Die Stiftung will auf das Problem der steigenden Kinderlosigkeit im Land, sowie auf das immer höhere Alter der Frauen, die ihr erstes Kind bekommen, aufmerksam machen. Waren Frauen in den 1990ern noch durchschnittlich 23 Jahre alt bei ihrer ersten Schwangerschaft, sind es nun über 27 Jahre. Gründe dafür sollen laut der Stiftung unter anderem ein auf Karriere und Konsum ausgerichteter Lebensstil sein.
Es liegt eigentlich auf der Hand, wieso diese Kampagne so viel Kritik erntet. Der Werbespot ist realitätsfern, da die Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, selten im Zusammenhang mit einer beeindruckenden Karriere getroffen wird. Die jugen Frauen in Polen warten mit dem Kinderkriegen viel häufiger aus gesellschaftlich-wirtschaftlichen Gründen: es ist sehr schwer eine Mutter auf dem polnischen Arbeitsmarkt zu sein.
Ein unbefristeter Arbeitsvertrag ist in Polen eher eine Seltenheit und bei den befristeten Arbeitsaufträgen (umgangschprachlich "Müllverträgen") besteht kein Mutterschutz. Außerdem ist es in den meisten Fällen eine Entscheidung beider Partner, ob der Zeitpunkt für Kinderkriegen stimmt oder nicht – die Vaterrolle wurde jedoch bei dem Spot komplett ausgeblendet.
Die in dem Clip dargestellte Polin ist emanzipiert, erfolgreich und unabhängig. Und schuld daran, dass sie es nicht geschafft hat nebenbei auch an was anderes zu denken, als nur an ihre Kariere. Die Situation der polnischen Frauen auf dem Arbeitsmarkt wird dabei seit neuestem als gar nicht so schlecht dargestellt. The Economist publizierte Anfang März eine Rangliste, die die Gleichberechtigung der Frauen auf den Arbeitsmärkten analysiert. Polen rangiert überraschend auf dem vierten Platz.
Bei der Rangliste wurden neun Kriterien berücksichtigt, wie beispielsweise der Anteil von Frauen mit Hochschulabschluss, Gehälter, Kinderbetreuung, Mutterschutz und die Anzahl der Frauen in Führungspositionen und im Parlament. Das überdurchschnittlich gute Ergebnis von Polen ist vor allem Verdienst des 22-wöchigen, vollbezahlten Mutterschaftsurlaubs. Für einen solchen Anspruch müssten die Frauen allerdings einen festen Arbeitsvertrag vorweisen, was jedoch nur selten der Fall ist.