In Einheit mit dem Wasser in Kolumbien
Der zweite Monat in Kolumbien voll von Yoga, Sigmund Freud und wilden Taxifahrten.
"Wir gehen um neun Uhr los." Dieser Satz aus dem Mund meines kolumbianischen Mitbewohners hat ungefähr so viel Wahrheitsgehalt wie die Sätze "Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen" oder "Die Ergebnisse dieser Studie mit Ratten waren faszinierend" (das steht immer in meinem Biobuch hier- die Ergebnisse sind nie faszinierend). Betritt man nämlich um 20.59 Uhr das Wohnzimmer, blickt dieser einen nur verwirrt an und fängt erst mal an zu kochen. Wirklich verlässt man das Haus dann vor 23 Uhr eher nicht- fast pünktlich also. Generell bin ich ein großer Fan von den präzisen Zeitangaben hier: Ein Professor versprach in der ersten Vorlesung, dass das Mikrophon etwa in einer halben Stunde gebracht wird. Es kam in der dritten Uniwoche.
Stolz kann ich verkünden, dass ich große Fortschritte bei der Identifikation meiner Mitbewohner mache. Drei kann ich nun schon sicher ihren Zimmern zuordnen, beim Vermieter ist es nach wie vor fraglich ob er denn nun hier wohnt. Kann auch sein, dass er nur sehr gerne hier Fernsehen guckt. Bei einem Mitbewohner bin ich mir nicht sicher ob er Diege, Felipe oder Santiago heißt. Alle Namen wurden irgendwie schon mal genannt, finde es aber unhöflich ihn jetzt nach einem Monat noch mal zu fragen. Dass der Hund Coco heißt, da bin ich mir dagegen ziemlich sicher (auch wenn der mir oft einen Herzinfarkt beschert, wenn im Dunklen auf einmal etwas felliges auf dich zukommt). Alles in allem bin ich sicher, dass ich mittlerweile einen Einbrecher ziemlich sicher identifizieren könnte. Ich finde das ist ein guter Fortschritt für einen Monat.
Mittlerweile habe ich auch schon die dritte Uniwoche hinter mich gebracht. Das ganze ist aber eher wie Schule in Deutschland, mit ständigen Hausaufgaben, Quizze und Präsentationen. So musste man schon vor der ersten Uniwoche Texte lesen und hatte in der ersten Veranstaltung eine benotete Abfrage- ich wartete vergeblich auf die Email des Professors, dass das ganze nur ein Spaß war. Insgesamt komme ich auf Spanisch gut mit, habe aber festgestellt, dass ich Sigmund Freud weder auf Spanisch noch auf Deutsch verstehe. Etwas verunsichert mich, dass wir am Montag erneut eine Klausur schreiben über einen Text, der- sofern ich ihn richtig verstanden hab -gar nichts mit dem Fach zu tun hat. Oder ich habe den falschen Text gelesen. Beides wäre irgendwie ungünstig. Generell sind die Professoren aber sehr verständlich, und ich darf auch auf Englisch antworten (auf Deutsch leider nicht, würde ja aber im Fall von etwa Sigmund Freud auch nicht helfen). Die Einführungstage der Uni waren auch recht hilfreich, da der Campus so groß ist wie mein Heimatdorf und auch kein wirkliches System, glaube ich zumindest. Einzig komisch war ein einstündiger Vortrag über Kulturschock: Ich habe erfahren, dass man nicht jeden Tag mit zuhause skypen soll (wer hätte das gedacht).
Mein Sonnenbrand ist immer noch nicht verheilt. Ich habe mich damit abgefunden von nun an rote Beine zu haben. Letzte Woche war ich auch mit 10 anderen Austauschstudenten in der kolumbianischen Stadt Cali. In 13h kann man entweder von Deutschland nach Mexiko reisen oder von Bogotá nach Cali mit dem Bus fahren. Ich habe letzteres gemacht. Dort hatten wir ein Haus in den Bergen mit Blick auf .. ja mit Blick auf die Berge eben. Unser Nachbar dort erklärte mir erst mal, dass er alle US-Amerikaner nicht mag. Glück gehabt, dass ich Deutscher bin. So eine positive Einstellung gegenüber Ausländern finde ich immer toll. Sonst hatte ich aber bisher nur positive Begegnungen mit Kolumbianern, die Ausländern immer sehr freundlich gestimmt und hilfsbereit sind. Generell mache ich hier auch Sachen, von denen ich vorher nicht gedacht hätte, sie mal zu erleben. Erst heute war ich in einem Wald/Park in Bogotá Yoga machen. Die Instruktionen habe ich nicht alle verstanden, aber ich glaube ich bin jetzt eine Einheit mit dem Wasser (oder so ähnlich jedenfalls). In der Beschreibung klang das ganze eigentlich eher wie ein gemütlicher Spaziergang durch den Wald, mutierte aber eher zu einem Schlamm-Trainingspfad für den Mount Everest (jedenfalls für mich, da die letzte anstrengende sportliche Betätigung meinerseits gefühlt das Kinderturnen war), da das Yoga oben auf einem Berg (manche sprechen auch von Hügel) stattfand.
Autofahren in Taxis/Uber bereitet mir nach wie vor große Panik. Ich bin mir mittlerweile sicher,dass viele Autos nur Gaspedal und Hupe (manche auch 2 so viel Lärm wie die machen) haben. Würde ich hier Autofahren, ich käme jedenfalls nie aus dem Kreisverkehr. Generell finde ich, dass z.B. das Üben vom Überholmanövern in Kurven in deutschen Fahrschulen viel zu sehr vernachlässigt wird!
In unser Wohnung fühle ich mich nach wie vor sehr wohl, auch wenn das Wasser so langsam kocht, dass man es am besten am Vortag schon anstellt. Die Dusche kennt nur zwei Zustände: Das darunterstehende Opfer verbrennen oder ihn auf die Antarktis vorbereiten. Aber hey- immerhin warmes Wasser (wann es zu kalt wechselt, weiß man leider nie). Manchmal schreie ich dann unter der Dusche, hoffentlich denken Santiago/Felipe/Diego und die anderen deshalb nicht, dass ich verrückt bin. So, das war es jetzt erst mal mit den Eindrücken, ich muss den Text für die Klausur noch mal lesen, vielleicht erkenne ich ja beim 4. Lesen den Zusammenhang zum Fach. Ich denke eher nicht.
PS: Die Salami Quest läuft nach wie vor und ich bin dankbar für jeden Hinweis.
PPS: Kann jemand dem Mieter in der Wohnung oberhalb von uns sagen, er soll aufhören den ganzen Tag zu hämmern? Ich hab schon das spanische Wort für Auftragsmöder nachgeschlagen..
PPPS: Zurück in Deutschland will ich auch einen Yogakurs anbieten. Dann seid ihr auch endlich in Einheit mit dem Wasser.
PPPPS: Falls ich es geschafft hab Bilder hinzuzufügen, bin ich sehr stolz auf mich.
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