Im Land der Hutträger
Sie sprechen eine Sprache, die keiner anderen heute bekannten ähnelt, sie streichen ihre Häuser seit Jahrhunderten in den drei gleichen Farben und hätten gerne endlich einen eigenen Staat. Was macht sie eigentlich aus, dieses eigensinnige Volk der Basken?
Wenigstens eines glaubte ich sicher zu wissen: Das Baskenland, natürlich, das ist da wo die Baskenmütze herkommt. Ein Besuch des „Musée du berret basque“ in Nay hat mein Weltbild in dieser Hinsicht aber gründlich zerstört, tatsächlich stammt die Mütze nämlich aus dem benachbarten Gebiet Bearn, und nicht etwa, wie man dem Namen entnehmen könnte, aus dem Baskenland.
Aber wenn schon nicht die Erfinder der Baskenmütze, wer sind sie denn dann eigentlich, diese Basken? Diese Frage drängte sich auch Kurt Tucholsky auf, der am Schluss wohl resignierte: „Sie haben es gut: man kann ihnen nichts beweisen. Man weiß nicht, wer sie sind, weiß nicht, woher sie kommen, was für eine Sprache das ist, die sie sprechen – nichts.“
Tatsächlich hat die baskische Sprache schon so manchem Sprachforscher verzweifeln lassen, lässt sich doch so gar kein Zusammenhang zu anderen bekannten Sprachfamilien herstellen. Wer einmal eine baskische Speisekarte mit Blüten wie „merlu koxkera“ oder „txangurro“ vor sich hatte, dem fällt es nicht schwer diese Probleme nachzuvollziehen. Einer Legende zufolge kapitulierte davor sogar der Teufel: nachdem er sieben Jahre vergebens versucht hatte diese Sprache, in der es 12 Kasus gibt, zu erlernen, stürzte er sich von einer Brücke, welche seitdem übrigens den Namen „Höllenbrücke“ trägt.
Kein Wunder also, dass diese komplexe Sprache den Grundstein der baskischen Identität darstellt, sie nennen sich selbst auch „Euskaldunak“, „Baskisch-Sprecher“. Von den knapp 3 Millionen Bewohnern des Baskenlandes, das sich aus einem französischen und einem spanischen Teil zusammensetzt, beherrschen allerdings nur etwa 700.000 tatsächlich die baskische Sprache, das entspricht etwa der Einwohnerzahl Frankfurt am Mains.
Nicht oder nur gebrochen baskisch zu sprechen heißt allerdings nicht, kein Baske zu sein: es gibt noch andere Möglichkeiten seine baskische Identität auszuleben. Eine erstklassige Möglichkeit hierfür ist „Pelota“, der Nationalsport. Dabei schlagen die Spieler, meist zwei gegen zwei, einen harten Gummiball gegen eine freistehende Mauer, die „Pilota“- Wand.
Traditionell finden im Baskenland auch so genannte „Herri Kirolak“ statt, die auf alltägliche Tätigkeiten zurückgehen. „Herri Kirolak“ oder „Force basque“, also baskische Stärke, beinhaltet Disziplinen wie Seilziehen, Holzhacken und Baumstammwerfen. Auf diese Art wird traditionell der stärkste Mann des Dorfes ausfindig gemacht, der anschließend als Siegertrophäe eine Baskenmütze erhält - wenn auch diese ursprünglich aus dem Bearn kommt- und ab da mit dem Ehrentitel „Hutträger“ angesprochen wird.
Und auch wenn gerade nicht Baumstammwerfen angesagt ist hat das Baskenland einiges zu bieten: das mondänen Seebad Biarritz, wo schon Napoleon III einen beeindruckenden Palast als Geschenk für seine Verlobte bauen ließ, das hippe Surferparadies San Sebastian im spanischen Baskenland, oder die grasgrünen Hügel des baskischen Hinterland. Wer sich nach kulinarischen Höhenflügen sehnt sollte sich die „Foire au jambon“ in Bayonne nicht entgehen lassen, wo der berühmte regionale Schinken gefeiert wird, oder einfach nur ein gemütlicher Spaziergang durch malerische Dörfchen wie Espelette, wo an den baskisch rot-weiß-grünen Häuschen trocknende Paprikaschoten hängen.
Und all diese geografischen Highlights würden die Basken natürlich gern unter dem gleichen Staat vereint sehen. Verständlich, sind doch die sieben historischen baskischen Provinzen auf die zwei Nationen Spanien und Frankreich und drei Regionen aufgeteilt. Seit jeher gibt es, besonders im spanischen Teil, eine starke Nationalismus- und Unabhängigkeitsbewegung, die in der terroristischen Gruppe ETA gipfelte, von welcher immer wieder auch Mordanschläge ausgingen. In umstrittenen Eilverfahren verbot die spanische Regierung mehrere nationalistische Parteien, was wiederum vom Menschenrechtsgerichtshof kritisiert und teilweise wieder aufgehoben wurde.
Obwohl ein unabhängiger baskischer Staat auf lange Sicht nicht in Aussicht steht, hat man den Eindruck die Basken haben sich für den Moment einigermaßen mit der Situation arrangiert. Aber die Gefahr, zu vergessen dass hier Basken wohnen und nicht etwa Spanier oder gar Franzosen, besteht auf keinen Fall, hängen doch zahlreiche baskische Flaggen aus den Fenstern, über den Türen, in den Autos, die angesagtesten Bars tragen die unaussprechlichsten Namen und in den Kirchen hängt ein kleines Schiff von der Decke, wie es sich für ein altes Seefahrervolk gehört.
Und erstaunlich oft begegnet man Hutträgern – ob die wohl alle einmal ein Baumstammwerfen gewonnen haben?
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