Ich weiß es jetzt schon: Mein Leben hier in Estland zu verlassen wird schwer!
Nach ungefähr 4 Monaten, die ich jetzt hier schon Estland verbringen durfte, wird mir immer bewusster, wie die Zeit nur schwindet, die Tage, Wochen und Monate nur an mir vorbeisausen. Anstatt zu denken: „Wow, ich bin schon 4 Monate hier“, denke ich: „Jetzt sind es leider nur noch 6“
Warum?
Die Arbeit macht mir einen so großen Spaß, alle Kinder in meiner Kindergartengruppe, die Kinder, die ich in der Schule bisher näher kennenlernen durfte und meine Kollegen, sind mir schon so ans Herz gewachsen, dass ich jetzt schon weiß: Mein Leben hier loszulassen (und in Deutschland wieder ein Neues zu beginnen) wird schwer!
Denn es ist nicht mehr so, wie es noch vor drei Jahren war, als ich mich mit 15 Jahren darauf gefreut habe, endlich wieder meine Familie und Freunde zu sehen. Nein, es ist ganz anders. Wenn ich nach Deutschland zurückkomme, werde ich meine vermissten Freunde trotzdem nicht Tag sehen, denn wir alle wohnen ja nicht mehr in der gleichen Stadt und gehen nicht mehr gemeinsam zur Schule. Ich werde umziehen und dort dann nochmal anfangen. Obwohl ich weiß, dass dorthin noch recht viel Zeit ist, muss ich immer an die letzten vier Monate denken, die nur an mir vorbeigerauscht sind, wieso sollte es mit den nächsten 6 nicht so sein?
Besonders die Menschen und das Lebensgefühl werde ich vermissen: der ruhige, entspannte Alltag, die frische Luft und die Natur, die dich gleich beruhigt, sobald du einen Schritt aus der Tür machst. Was auch natürlich daran liegen kann, dass ich hier keine Verpflichtungen habe, wie Schule, Uni(, Job) und ich mich hier sehr frei fühle. Denn ich kann jedes Wochenende woanders hinreisen, was anders machen und bin einfach nicht gestresst – es ist eine wunderschöne Auszeit!
Ich weiß jetzt schon, wie sehr ich die kleinen Kinderhände, die Umarmungen, die leuchtenden Augen, dass man unbedingt neben mir sitzen möchte und dass die Kinder mich jeden Tag fragen, ob wir draußen gemeinsam spielen, vermissen werde. Ich weiß ihr Vertrauen in mich und ihre Zuneigung zu mir zu schätzen und dass wir Freunde sind, obwohl es immer wieder Kommunikationsprobleme gibt.
Was mich immer wieder traurig macht, dass es eben nur von kurzer Zeit ist, dass ich nicht erfahren werde, wie die Kinder aufwachsen, sich weiterentwickeln und dass ich damit leben muss, dass ich nicht weiß, was aus ihnen wird. Und dass sie sich höchst wahrscheinlich nicht an mich erinnern werden in einigen Jahren, obwohl Sie mir so viel bedeuten. ( Und ich weiß schon jetzt, dass ich weinen werde, wie ein Schlosshund, wenn ich mich verabschiede.)
Daran, dass sie sich nicht an mich erinnern werden, muss ich in letzter Zeit besonders oft denken, und obwohl es mich traurig macht, versuche ich mich dann einfach für uns beide zu erinnern, ich sauge jeden schönen Moment auf, schätze all die kleinen Momente und freue mich schon darauf morgen wieder alle zu sehen. Ich genieße all die Kleinigkeiten des (All)Tages.
Daher glaube ich nicht, dass ich in der nächsten Zeit Heimweh haben werde, sondern wenn ich wieder in Deutschland bin, Heimweh nach meiner Heimat in Estland. Und deswegen kann ich mir schon vorstellen nach meinem Freiwilligendienst irgendwie nochmal für eine Zeit in Estland leben zu wollen. Wann, Wie und Wo, dass steht noch nicht fest und das muss es nicht (!), aber Estland und Haapsalu ist irgendwie schon zu einer Heimat geworden und das auch auf eine ganz andere Weise, wie Irland für mich eine Heimat war. Hier hängt mein Herz schon mehr dran.