Ich sehe was, was du nicht siehst - im Nebel von Oslo
Vom Weltcup in Drammen, Besuch aus der Heimat und einer leicht chaotischen Weltmeisterschaft 2011
Montag, und es heißt, wieder einmal etwas von mir hören zu lassen - damit der Februar auch noch zwei Einträge bekommt.
Der Weltcup in Drammen am 19. Februar war sehr schön: Kaiserwetter und viele nette Menschen. Leider musste ich aufgrund von Halsschmerzen auf eine kleine Skitour in der Weltcupstrecke verzwichten, aber es war dennoch ein sehr ereignisreicher Tag. Wir fuhren schon sehr früh nach Drammen los, um uns im Hotel, wo auch die meisten Athleten wohnten, unsere Akkreditierungen abzuholen, damit wir überall reinkonnten. Gleich im Eingangsbereich erkannte mich Curdin Perl, Schweizer Athlet und Freund einer norwegischen Läuferin, wieder, obwohl wir uns seit September nicht mehr gesehen hatten. Ein sehr lustiger und angenehmer Mensch! Danach folgte noch ein kleiner Plausch mit einem Skitechniker der Franzosen, der mich gleich in ein Gespräch verwickelte, nur weil ich ein beiläufiges "Bonjour" fallen ließ. Auf meiner Akkreditierung stand dann "Anders, Henrike - Special Guest" - oho! Per und ich sollten während des Sekundierens mit Torgeir Hansen, dem Physiotherapeut der Nationalmannschaft, zusammen stehen. Er spricht sehr gut Deutsch, weil er mit einer Deutschen verheiratet ist.
Auf dem Programm standen dann 10 und 15km im klassischen Stil und wir sollten uns vor der WM nochmal im Sekundieren üben - eine Art Generalprobe sozusagen, aber inwiefern daraus dann was wurde, dazu später mehr.
Bei den Damen, die zuerst liefen, gewann - oh Wunder - Marit Björgen (vor Justyna Kowalczyk aus Polen und Aino Kaisa Saarinen aus Finnland - genau dasselbe Ergebnis wie heute zur WM bei den 10km) und bei den Herren Daniel Rickardsson aus Schweden. Dario Cologna aus der Schweiz kam leider nicht ganz, wie von mir erhofft, aufs Treppchen.
Nachdem der Wettkampf beendet war und ich wieder ein Schwätzchen mit dem französischen Skitechniker geführt hatte, fuhren Per und ich den Spiraletunnel in Drammen hoch, den ich noch von unserem ersten Norwegenurlaub 2003 kenne - das war schön, auch wenn's draußen schon dunkel war. Wenn man den Tunnel hochfährt, hat man das Gefühl, dass es nie endet, aber runter zu geht es ganz fix.
Den Weltcup in Drammen (eigentlich Konnerud, das ist ein etwas höher gelegener Stadtteil) habe ich vor allem als sehr sprachenreich in Erinnerung: Deutsch mit Curdin, Französisch mit dem Skitechniker, Englisch mit dem Trainer der Briten und natürlich Norwegisch mit dem Rest der Truppe.
Am darauffolgenden Sonntag bekam ich dann endlich den heißersehnten Besuch aus der Heimat: meine Tante Uta, meinen Onkel Jörg samt den beiden Mädels. Ich habe sie vom Flughafen Gardermoen abgeholt und in ihrer Pension im Zentrum Oslos abgeliefert.
Am Montag hatte Per uns alle eingeladen, uns die Holmenkollenanlage anzuschauen, solange dort noch Ruhe herrschte. Mit dabei war auch Karianne, eine Studentin, die ein paar Wochen mit mir und Per arbeitet. Wir sind dann ein bisschen über die Loipen gehüpft und haben uns die Schanze angesehen. In den LKW der Skitechniker durften wir aufgrund fehlender Akkreditierungen nicht rein. Meine Güte - während der NM und auch des Weltcups hat sich kaum jemand dafür interessiert, ob man da so einen Zettel um den Hals baumeln hatte oder nicht und da waren sie plözlich so knauserig, obwohl sie sahen, dass wir alle Leute hinter der Absperrung kannten! Na ja, wir sind dann ins Skimuseum rein und gleich in den Fahrstuhl hoch oben auf die Schanze. Das war natürlich ein Erlebnis für Groß und Klein! Per hatte, wie befürchtet, seine Spendierlaune und den Besuch des Schanzenturms samt des Skimuseums bezahlt... Kein Kommentar. Nur mit Uta, Jörg und den Mädels bin ich dann durchs Skimuseum gewandelt. Danach hieß es Schlittenfahren auf dem berühmten Korketrekkeren (Korkenzieher), der sich zwar nicht als besonders steil, aber sehr huckelig erwies - meine Schienbeine und Gelenke taten mir noch drei Tage später davon weh! Es war auch ganz gut, dass die Mädels Helme aufhatten. Wir fuhren immer vom Frogneseteren (einer Alm über dem Holmenkollen und Jörgs Lieblingswort) runter zur Midtstubakken, der Normalschanze, auch gerade erst renoviert. Allerdings mussten wir unterwegs umsteigen, weil die Schlittenabfahrt in die WM-Loipe führte.
Dienstag hatte ich ein Gespräch mit Per und der Nationalagentur BUFDIR, um über unsere Erfahrungen in meinem Freiwilligenprojekt zu erzählen und uns optimaler auf den nächsten Freiwilligen vorzubereiten. Danach traf ich die Bader/Hebenstreit-Bande (die in der Zwischenzeit das Munchmuseum überfallen hatte) im Zentrum und wir schauten uns den Reptilienpark Oslo an. Klingt größer als es eigentlich war (war im Keller eines Altbaus versteckt), aber es war ganz interessant. Leider gibt es in Oslo nämlich keinen richtigen Tierpark oder Zoo. Zudem haben wir uns noch das Rathaus mit den oberen Räumen angesehen und sind danach ins berühmte "Albertine"-Restaurant, berühmt durch den Besuch mit meinen Ellis. Kellner "André"/Henrik war leider nicht da.
Am nächsten Tag pilgerten wir ins "FRAM"-Museum, welches erst seit ein paar Tagen wieder geöffnet hatte, aber die Renovierungsarbeiten waren dennoch weiterhin in vollem Gange. Wenigstens gibt es jetzt ein paar, wenn auch raumschiffartige, Toiletten im Museum... :) Die Kinder, von Jörg durch Nansens "Durch Nacht und Eis" bestens vorbereitet, waren hellauf begeistert und auch die Eltern ließen sich anstecken - es ist ja auch toll, ein so altes und geprüftes Schiff noch heute besichtigen zu können! Am Nachmittag fuhren wir zu mir hoch und unternahmen einen langen Spaziergang mit Gastvater Björn, Gastschwester Karianne und Hund Timo. Dabei trafen wir auch auf Randi, die die sogenannten "Seven Summits" (höchsten Berge aller Kontinente), bestiegen hatte. Sie wollte Sonnenuntergangsbilder von der Linderudkollen-Sprungschanze machen und wir kamen mit hoch. Randi reiste vor Jahren auch nach Tansania, um sich eine Massaimann zu angeln und ihn mit nach Norwegen zu schleppen, doch sie kam stattdessen mit einem Deutschen zurück... Und Timo, der noch unbedingt mit hoch auf die Schanze steigen wollte, traute sich nicht mehr herunter und musste von Björn getragen werden! Die Eröffnungszeremonie der WM verpassten wir knapp, d.h. ich konnte sie noch im Fernsehen fertig sehen und Utzels bekamen noch etwas von der Lichtervorführung auf dem Universitätsplatz mit.
An unserem letzten vollen Tag, dem Donnerstag, hatten wir keine richtigen Pläne gehabt. Zuerst hieß es, einen ordentlichen Thermosbecher für eine junge Jubilantin zu erstehen, die Uta beschenken wollte - ich war es übrigens nicht, obwohl ich dann doch auch mein Geburtstagsgeschenk im selben Laden schon gekauft und eingepackt bekam. Anschließend hatte Jörg die fabelhafte Idee, ins technische Museum zu fahren, obwohl es etwas außerhalb des Zentrums liegt. Es hätte ein bisschen mehr auf Englisch sein können, vor allem im theoretischen Teil mit den großen Infotafeln, aber der praktische Teil mit vielen verschiedenen Experimenten war es sehr schön und auch Jörg wurde noch einmal zum kleinen Jungen. Man konnte z.B. seine Hände auf ein Gerät legen und über den Puls, den das Gerät fühlte, wurde dann rote Flüssigkeit aus einem Plastikherz im entsprechenden Rhythmus gespritzt oder man sprach über zwei gegenüberliegende Satellitenschüsseln miteinander. Den Abend ließen wir dann bei Brot, Käse und etwas WM-Zusammenfassung im Fernsehen ausklingen. Mein Lieblingsläufer Öystein Pettersen hatte leider Pech gehabt und sich nicht für das Viertelfinale im Sprint qualifizieren können.
Freitag war der Tag der Abreise und ich habe alle noch zum Flughafen gebracht. Ich glaube allen hat es gut gefallen und mir auch, die Tage vergingen wie im Fluge! Friederike, der Kleinen, hat der Urlaub auf jeden Fall viel gebracht: den Plan ihres Lebens - Fasching als Kronprinzessin, Beruf Copilotin und bitte schön noch eine Schlosswache als Ehemann!
Ich bin auch seit langem nicht mehr so oft durch den Schlosspark gegangen wie in dieser Woche, aber dabei konnte man immer die schönen Eisskulpturen nach Motiven von Munch bewundern, die anlässlich der WM aufgestellt worden waren.
Am selben Freitag fuhr ich noch hoch zum Holmenkollen ins Holmenkollen Rica Park Hotel, wo unser Seminar für die TDs (Technischen Delegierten) stattfinden sollte.
Außerdem kamen die Eltern von Meret, der Schweizerin, die hier ein paar Wochen wohnt und vor zwei Jahren bei meiner Gastfamilie ein Jahr wohnte, sehr nett! So übe ich mich auch im Schwizerdütschverstehen! :)
Samstagmorgen traf man sich im Hotel Savoy im Zentrum, währen Per, Karianne und ich uns gleich oben auf dem Holmenkollen trafen, um uns das 15km Jagdstartrennen mit Skiwechsel anzuschauen (die TDs hatten für dieses Rennen alle Aufgaben bekommen und es wurde später über das Rennen diskutiert). Wir hörten es aber nur, denn der Nebel war so dick, dass wir nicht einmal die Großleinwand sehen konnten und nur den Stadionsprecher hörten. Der Weg zurück zur U-Bahn war auch nicht leicht zu finden, denn Nebel + Dunkelheit war in dem Fall gleich 3m Sichtweite - gruselig!
Der Sonntag zeigte sich da schon besser, als die Herren das entsprechende Rennen (nur eben 30km) hatten. Petter Northug gewann und zog näher an Marit Björgen im Medaillenrang heran, die schon zwei Goldmedaillen hatte. Ich zog etwas merkwürdige Blicke auf mich, als ich die Deutschen, die sich beachtlich schlugen, lautstark anfeuerte...mit "Norge" auf dem Jackenrücken.
Die deutschen Kombinierer erreichten mit den Plätzen 1, 2, 4 und 28 auch ein super Ergebnis an diesem Tag!
Dabei muss ich noch etwas zum U-Bahn-Verkehr am Wochenende anmerken. Liebe Organisatoren der WM, es waren Winterferien, es war Wochenende - wie passt es da zusammen, die Express-U-Bahnen erst ab kurz vor 10 los zuschicken, wenn der erste Wettkampf 11 losgeht???!!! Mann, ich habe ganze zwei Stunden oder mehr benötigt, jeden Tag! Den Gipfel lieferte ja Frau Aasne Havnelid, Chefin der WM, als sie gefragt wurde, ob die Situationen an den Bahnsteigen nicht sehr gefährlich gewesen seien. Nein, sagte sie, aber es tue ihr leid, dass die Leute das so empfunden hatten. Bitte? Da könnte ich mich jetzt noch aufregen! Ich war eine von vielen, die sehr nah an der Kante standen und wenn man so viele Menschen sind, dass man sich kaum bewegen kann, die schupsen, hin und her schieben, usw. - das WAR gefährlich!!! Die U-Bahn-Schienen sind mit hoch elektrischen Kabeln ausgelegt!!!
Kleine Anekdote nebenbei: Einem Elch, der sich auf die Station Majorstuen am Samstag verirrt hatte, erging es schlimmer, er musste abgeschossen werden.
Und immer noch war nichts von den Trainern zu hören, kein Mucks und ich war schon am Freitag immer frustrierter geworden. Nicht zuletzt hatte ich es vielen Freunden und Verwandten stolz erzählt, dass ich vielleicht bei der WM Ersatzskistöcke halten oder womöglich sogar Sekundieren kann, aber dass das "vielleicht" so wackelig war, das hatte ich nicht gedacht. Per hatte seine Akkreditierung, ich nicht. Und dabei waren wir zum Üben extra nach Drammen geschickt worden. Erste Entspannung gab es, als Karianne und ich für das Wochenende eine Tagesakkreditierung erhielten.
Dann gestern Abend, es war schon fast elf und ich im Bett, mit dem Gedanken, bei der WM nur zuzuschauen, wurde ich von Per angerufen, der Bescheid bekommen hatte, am Montag zu sekundieren!!! Hallo? Einfach mal mit dem Finger schnipsen, nachts um elf, und schwupps! sind wir da??? Mein Herren, ich habe mich natürlich gefreut, doch noch dabei sein zu können, aber auch wenn ihr viel um die Ohren habt, man kann das auch anders machen und wenigstens zu einer halbwegs christlichen oder menschenfreundlichen Zeit Bescheid geben, ja? Ja. Danke.
Heute war dann also der große Tag, ich fühlte mich gut, die U-Bahn lief nach dem Wochenendchaos weitgehend normal und los ging's. Per und ich sollten oben am Frogneseteren stehen und an alle lieben Verwandten und Freunde: Es war keine Kamera oder dergleichen in der Nähe, aber genug Volk. Es war sehr spannend, aber auch sehr einfach, da die Athletinnen nur eine Runde à 10km klassisch liefen. Ich habe dann ein paar der deutschen Läuferinnen mit übernommen, denn es war kein deutscher Trainer in der Nähe, Tor Arne Hetland (norwegischer Trainer der Schweizer) half auch mit. Und den finnischen Trainer konnte ich mit einem kurzen "Mitä kuuluu?" (Wie geht's?) erfreuen und bekam "Hyvä kuuluu" (Es geht gut) zur Antwort.
Morgen geht's dann weiter bei den 15km der Herren. Vielleicht schafft es Jens "Fips" Filbrich auch etwas weiter nach vorn, er war jedenfalls im klassischen Teil am Sonntag sehr gut.
Bis zum nächsten Mal (und bald zeig ich euch wirklich mein neues Heim),
euer Findus