Ich bin ein Glückskind!
So dachte sich Juliane zu Beginn ihres einjährigen Aufenthalts in Bukarest. Von der rumänischen Hauptstadt aus berichtet sie für den Youth-Reporter.
Ich bin ein Glückskind! Bin Deutschland geboren (dafür kann ich nichts, es ist mir einfach passiert). Jetzt kann ich für ein Jahr nach Rumänien gehen. Ich brauche keine Miete sowie keine Versicherung zu zahlen und bekomme Verpflegungs- und Taschengeld (80 Euro im Monat.) Mein Rumänischlehrer, ein junger Arzt, verdient in seinem Beruf genauso viel. Ich habe eine eigene Wohnung, eine persönliche Mentorin und zu allem Überfluss sogar noch eine Hautfarbe, die hierher passt (aber auch dafür kann ich nichts, das ist mir auch einfach passiert). So weit so wunderbar.
Ein bisschen blöd ist vielleicht nur, dass ich beim Essenseinkauf immer darum bitten muss, den Kassenbon abzustempeln, weil die Verpflegungskosten am Ende des Monats abgerechnet werden. Und ich kann kein Obst und Gemüse auf dem Markt kaufen, auch wenn es da billiger und leckerer ist, weil ich dort eben keinen Bon bekomme. Aber damit kann ich natürlich leben - Glückskind, das ich bin. Nur, was fange ich an mit all dem Glück? Ich fange an, mir vorzustellen, wer ich ohne dieses Glück wäre, und wo...
Und sonst? Zum Beispiel dieses: Ich habe das Gefühl, Frauen und Mädchen in Bukarest versuchen vor allem eins zu sein: schön. Ich muss sagen, das gelingt ihnen auch vortrefflich! Was noch? Nichts weiter? Nein, ehrlich, ich vermisse eine Art Punk-Grunge-Kultur (okay, so lange gibt es diese rumänische Konsumgesellschaft wohl noch nicht, wie also dagegen aufbegehren). Vielleicht einfach eine Hauptsache-bequem- oder Ist-mir-doch-egal-wie-ich-heute-aussehe-Kultur. Als ich ein T-Shirt suchte, konnte ich kaum eins ohne eine blöde Aussage drauf finden. Oder ohne dass ich mich fühlte wie Lara Croft, alles supereng und Hauptsache sexy. Das sieht man auch in rumänischen Musikvideos. Wenn da Frauen singen und/oder tanzen, werden sie jedes Mal von der Kamera fast ausgezogen. Geht's hinter dem Körper nicht noch weiter? Mehr so im Kopf zum Beispiel? Vielleicht sind Klamotten für viele aber auch nur die einzige Möglichkeit, es sich überhaupt schön zu machen. Wenn Wohnung, Arbeit oder Stadt nicht so viel hergeben. Ich weiß es nicht. Gott sei dank gibt es auch viele schöne Männer. Und das ist nur gerecht.