Hürden
Hier der versprochene Bericht über meine sonstigen Erlebnisse in der Türkei. Dabei werde ich trotz überwiegend schöner Erfahrungen die negativen nicht gänzlich aussparen können.
Hier der versprochene Bericht über meine sonstigen Erlebnisse in der Türkei. Dabei werde ich trotz überwiegend schöner Erfahrungen die negativen nicht gänzlich aussparen können.
Dieser Blog ist wie eine Gradwanderung: Wie weit kann ich gehen, wie ehrlich und offen kann ich schreiben ohne jemanden zu verletzten aber trotzdem ein möglichst getreues Bild von meinem Leben und den Erfahrungen, die ich hier mache, vermitteln.
Zwei Monate, im Flug vergangen, liegen hinter mir. Langsam beginne ich, die Türkei fassen zu können. Nur sehr, sehr langsam, aber immerhin.
Schon vor ein paar Wochen musste aus dem Wohnheim ausziehen und wohne jetzt wieder alleine in der Wohnung, in der ich meine erste Nacht hier verbracht habe. Als ich angekommen bin, hat mich beinahe der Schlag getroffen, ein Ausdruck kann man angesichts des Zustands der Wohnung schon mal benutzen kann. Seit über einem Jahr war außer mir für eine Nacht keiner mehr dort gewesen und die Situation hatte sich sogar noch verschlimmert: Alle Fenster und Türen standen sperrangelweit offen, was die Tauben wiederrum als Einladung verstanden dort einzuziehen. Die gesamte Wohnung war süffig und übersät von Vogelfedern! Der von der Decke und den Wänden bröckelnde Putz, die nicht funktionierende Dusche (im Hochsommer!), schwarz vom Schimmel, kaputte Wasserhähne, Modergeruch im Bad und Essensreste in der Küche haben nicht gerade dazu beigetragen, dass ich mich willkommen gefühlt habe. Ich habe immer noch kein Sofa, Fernseher, Telefon, Regal oder irgendeinen Gegenstand, den man nicht unbedingt in einer Wohnung braucht, aber mit großartiger Hilfe meiner Freundin haben wir innerhalb einer beinahe 10stündigen Putzaktion die Wohnung bewohnbar gemacht. Danke Basak!! Mittlerweile habe ich mich recht gut an die Wohnung gewöhnt, wobei ich auch viel Unterstützung erfahren habe: Vorhänge, Bettwäsche, Ventilator (noch einmal: es war Hochsommer!), Leselampe und sogar einen Teppich habe ich von Freunden und Kollegen bekommen. Gastfreundschaft wird großgeschrieben und als Kulturgut begriffen. Sie führt dazu, dass ich mich trotz aller Hürden und aufkommender Probleme sehr willkommen fühle.
Ich habe Ramazan Bayram mit meiner Freundin Basak und ihrer Familie verbracht. Genauergesagt haben wir sie alle besucht: Verwandte 1., 2., 3. Grades, Freunde und Nachbarn, Freunde und Nachbarn 1., 2., 3. Grades, deren Verwandte,… An Bayram ist die ganze Türkei unterwegs um zu den jeweils Familienältesten zu fahren. Dann sitzt man zusammen, redet, isst unglaublich viele süße Sachen und trinkt Tee. Ich habe Bayram sehr in mein Herz geschlossen, weil es wirklich primär ums Zusammensitzen geht und Familie, die man lange nicht gesehen hat. Vor allem Kinder küssen aber auch den älteren die Hand und bekommen dafür Geld.
Bei Ausflügen ans Meer, nach Pamukkale/Hirapolis und Cavdarhisar, einer kleinen Stadt Kütahyas ein paar Autostunden von Izmir auf dem Weg nach Ankara entfernt, habe ich die Schönheit und Historie der Türkei kennengelernt sowie einen Einblick in das Leben und die harte Arbeit auf dem Land bekommen.
Mein Sprachkurs ist leider beendet und jetzt muss ich versuchen, mir Türkisch alleine beizubringen. Viele Kontakte, die ich dort geknüpft habe, sind zurück in ihren Heimatländern. Das war im Sommer ein generelles Problem. Viele nette Bekanntschaften waren nur bei ihren Familien hier in Izmir zu Besuch und sind zu Unibeginn wieder in die Städte zurückgefahren, in denen sie studieren. Dieses Kommen und Gehen und immer wieder von vorne Anschluss finden, wird sich jetzt aber hoffentlich legen.
Ganz aktuell bin ich dabei meine Visumsprobleme zu regeln. Dabei zählt wie bei allem hier Vitamin B, denn Anliegen, die nicht sehr einfach zu lösen sind, werden zumindest in den Behörden einfach als ‚impossible‘ abgelehnt. Sollte mein Visum also in 3 Wochen auslaufen, werde ich wohl einen Tagesurlaub auf der griechischen Insel Chios oder dem türkischen Teil Zyperns einlegen und bei Wiedereinreise in die Türkei automatisch eine neue Aufenthaltserlaubnis für 3 Monate bekommen.
Ein Paradebeispiel für die Wichtigkeit von gegenseitiger Hilfe und Mundpropaganda: Das Busfahren.
Es gibt nämlich keine Fahrpläne, zumindest gibt es sie nicht an den Busstationen und es orientiert sich keiner danach. Die meisten denken, sowas gibt es gar nicht. Man wartet also einfach bis zu einer halben Stunde bis der Bus, den man braucht, kommt. Welcher Bus das ist? Dafür muss man sich umhören, denn es gibt nicht nur keine Fahrpläne an den Haltestellen, sondern keinerlei Informationen. So also auch nicht, welche Buslinie bedient wird oder die jeweilige Route. In einem großen Dreieck von A nach B fahren ist für mich also auch keine Seltenheit.
Es grüßt ganz lieb Kücük Kugu (kleiner Schwan), Casiye (Türkischer Mädchenname) und Schweinsteiger – eine kleine Auswahl meiner zahlreichen Spitznamen. ‚Swantje‘ ist den Türken dann doch wohl ein bisschen zu schwer auszusprechen.
Von den Männern wird übrigens generell angenommen, dass sie Hans heißen.
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