"Holla, was seh ich da?" - Gleiches Symbol, unterschiedliche Bedeutung, anderes Land.
An meinem ersten Tag in meinem EFD-Projekt in Strasbourg entdeckte ich auf dem Schulhof etwas für mich "Außergewöhnliches"...
An meinem ersten Tag hier in Strasbourg zeigte mir mein Tutor die Schule, die Cafeteria, das Empfangstor und vieles andere. Dabei überquerten wir auch den Pausenhof und sofort stieß mir besonders eine Sache sofort ins Auge.
Auf dem Boden des großen Schulhofs waren Bilder aufgemalt –„ von den indischen Austauschschülern, die gerade zu Besuch sind“, wie mir mein Tutor mitteilte. Diese Bilder waren quadratisch, wirkten fast wie ein Teppich aus Plusterfarbe. Sie waren kaum zu übersehen, da Warnkegel um sie herum aufgestellt waren, damit kein Schüler darüberrenne und sie zerstöre. (Das ist natürlich trotzdem passiert und der jeweilige Schüler hat ordentlich laut gesagt bekommen, dass er das nicht darf.)
Doch das, was mir eigentlich sofort ins Auge stach, waren Hakenkreuze, die ins Bild integriert waren. Ja, Hakenkreuze. Da waren teils viele kleine in roter Farbe außerhalb des Fokus des gesamten Bildes, also zum Schmuck. Dort war aber auch ein Bild, in dessen Zentrum ein großes, dickes Hakenkreuz zu sehen war.
Meine Gedanken kreisten förmlich und ich konnte kaum noch wegschauen; diese Bilder hatten mich in ihrem Bann. Ich weiß nicht, ob die französischen Schüler der sixième und cinqième, die die Schule besuchen, wissen, was diese Symbole in Deutschland bedeuten und bedeutet haben. Ich weiß auch nicht, was andere Deutsche an meiner Stelle gedacht oder getan hätten, wenn sie das gesehen hätten. Nun, gewiss bemerkten meine Kollegen meine verdutzte Betrachtung der Bilder auf dem Schulhof, auf dem tagein tagaus viele Schüler im jungen Alter rennen und ihre Zeit verbringen. Meine Reaktion war zuerst lediglich eine totale Verblüffung. Außerdem fragte ich mich, wieso so etwas von indischen Gastschülern gemalt worden ist.
Nun, das in Deutschland bekannte und vermeintlich lediglich negativ assoziierte Hakenkreuz stammt ursprünglich aus dem asiatischen Raum. Dort grenzt sich dessen Bedeutung vom heute assoziierten „Symbol der Vernichtung“ gänzlich ab. Denn in Indien, im Buddhismus, in germanischen Stämmen und auch in Teilen Afrikas impliziert dieses Zeichen einen ewigen Kreislauf und steht für Licht und Glück. In indischen Stämmen galt die Swastika seit jeher als heilbringendes Zeichen. Die germanischen Stämme taten das Symbol als Schmuckstück kund. Im Buddhismus dagegen sei auf die Winkelung des Hakenkreuzes zu achten: das rechtsgeflügelte Hakenkreuz bedeutet Aufstieg, Geburt und Glück; das linksgeflügelte dagegen Niedergang und Tod. Die auf dem Schulhof dargestellten Hakenkreuze waren rechtsgeflügelt dargestellt, was mich auf deren vermeintlich positive Bedeutung schließen ließ.
Nichtsdestotrotz ist es für mich als aus Deutschland stammendes Mädchen irgendwie einfach bizarr und unangenehm, ein solches Zeichen – unabhängig von dessen anderer Bedeutung in einem anderen Land – auf einem sehr offenen, zugänglichen Platz zu sehen. In Deutschland ist die öffentliche Darstellung des Hakenkreuzes, egal ob rechts- oder linksgeflügelt, seit Ende des Zweiten Weltkriegs verboten. Es wird mit mit Vernichtung und Tod verbunden, mit einem grausamen Kapitel in der deutschen Geschichte. Aufgrund dessen kam meine enorme Verblüffung über den „Fund“ auf, den ich auf unserem Schulhof machte. In Deutschland wäre dies undenkbar, da verboten, ein solches Zeichen auf Wände, Mauern oder dem Boden anzubringen. Ich fand bemerkenswert zu erkennen, dass die Swastika und ihre Bedeutung offensichtlich im und für den Nationalsozialismus Mitte des 20. Jahrhunderts missbraucht wurde – mit dem Wissen, was das damals seit mehreren Jahrhunderten existierende Zeichen bedeutete.
Was für eine andere Kultur etwas Kraftvolles, Helles und Gutes heißt, kann sich in einem anderen Land, wenn auch erst viel später, für etwas Gegensätzliches entwickeln. Nun weiß ich, dass man auch bei Symbolen differenzieren sollte und sensibel damit umgeht, dass Symbolik von der Kultur eines Landes oder Stammes und deren Geschichte abhängt.