Geschichten aus ... Ankara!
Über spontane Rucksack-Reisen, Identitätsfindung und Atatürk.
Diesen Valentienstag werde ich wohl nie vergessen, denn ich hatte ein einmaliges Date: Mustafa Kemal Atatürk. Der Türke schlechthin, der Urvater der modernen Türkei. Wohin man auch geht, stehts wachen seine eisblauen Adleraugen über einen, denn sein Portrait fehlt in keinem Klassenzimmer, Ministerium oder anderen offiziellen Gebäuden.
Und so machten wir uns am großen Tag der Liebe nach Anitkabir auf, Atatürks Mausoleum und das zentrale Denkmal des Kriegsherren in Ankara- Und wir waren nicht die Ersten! Sein Sarg war bereits mit Rosen bedeckt, und ein Herz geformt aus rosafarbenen Luftballons zeugte von unsterblicher Liebe. Tatsächlich gibt es um Atatürk fast schon einen Personenkult, was der derzeitigen Regierung Erdogans widerstrebt: Sie promovieren eine Re-Islamisierung der Türkei, und versuchen Atatürks erzwungene Modernisierung zu revidieren. Und in diesem ideellen Konflikt steht die Bevölkerung der Türkei: Kopftuchverbot oder die Freihei zu entscheiden? Annäherung an Europa oder Besinnung auf alte Traditionen? Geschlechtertrennung oder Aufklärungsunterricht?
Und ich, die deutsche Freiwillige, stehe vor diesen Prozess und versuche die, teilweise sehr widersprüchlichen, Eindrücke zu einem Gesamtbild der Türkei zu vereinigen -Doch die einzelnen Facetten schillern in allen Farben und ich erkenne das Muster dahinter noch nicht.
Und als wir dann Ankara Kalesi , eine auf einem Hügel gelegene Zitadelle, besuchten, wurden wir erneut von unserer Gastheimat überrascht: Um zur Burg zu gelangen, muss man erst das antike Stadtzentrum erklimmen, eine zerfallende, vergessene Welt. Und so stolperten wir aus der moderne Wolkenkratzer-Metropole in verlassene Straßen, mit zerrupften Straßenkatzen in gähnend leeren Fensterhöhlen. Natürlich verirrten wir uns in dieser Geisterstadt, aber mit der freundlichen Unterstützung iranischer Touristen fanden wir dann auch noch unsereren Weg zur Burg. Und diese Aussicht entlohnt für jede steinige, unebene Stufe.
Atemberaubend breitet sich zu unseren Füßen Ankara, bis zum Horizont erstreckt sich diese majestätische Stadt. Und während wir lebensgefährlich auf den Ruinen der Burg spazieren, den Straßenmusikern lauschen, die von verlorener Liebe singen und dem geschäftigen Treiben zuschauen, wird mir klar, dass dies alles Teil dieses Landes ist: Der Türkei, die sich jeden Tag weiter entwickelt und ihre Identität definiert.