Germans living in London - mehr als Bratwurst und Bier
Diese Reportage beschreibt das Leben von Deutschen in London. Außerdem geben Insider Tipps für den nächsten Aufenthalt in der Hauptstadt.
Wer in London unterwegs ist, stößt unweigerlich auf Deutsche. Egal ob am Picadilly Circus, in der Oxford Street oder in Westminster. Mit Rucksack, Fotoapparat, Stadtplan und Wasser ausgerüstet, erkunden sie den Großstadtdschungel. London ist eben doch eine andere Liga als Wanne-Eickel, Regensburg oder Rostock. Fragt man deutsche Touristen, was London ausmacht, kommen die Klassiker: Taxis, rote Doppeldeckerbusse, Telefonzellen, Postkästen und die Queen. London lebt schneller, kraftvoller. Wer hier mit der Tube fährt, staunt beim ersten Mal über die langen Wege zum Bahnsteig, die Stille während der Fahrt und erfreut sich über die kostenlosen Zeitungen.
Doch nicht nur Touristen halten sich hier in London auf, sondern auch viele andere Deutsche.
Die Stadt hat rund zehn Millionen Einwohner, zusammen mit den naheliegenden Außenbezirken kommt man locker auf das Doppelte. Verschiedenste Kulturen leben hier zusammen auf rund 1.572 km².
Niklas Manhart, Pressesprecher der Deutschen Botschaft in London, gibt Auskunft: „Leider ist es auch für uns schwierig, die genaue Anzahl hier lebender Deutschen zu ermitteln, weil es - anders als in Deutschland - keine Meldepflicht bei der örtlichen Gemeinde gibt. Von Seiten der Botschaft kann ich Ihnen lediglich die Zahl der jährlichen Pass- und Personalausweisanträge nennen, nämlich 18.000. Daran können Sie zumindest abschätzen, wie viele Deutsche hier leben.“
Die letzte britische Volkszählung hat nach Angaben von Manhart ergeben, dass rund 274.000 Deutsche, in Deutschland geborene Bürger, in England und Wales leben. „125 000 unter ihnen haben einen deutschen Pass. Das Durchschnittsalter: 37,8 Jahre (in Deutschland geboren) / 34,2 Jahre (deutscher Pass)“, so der Botschaftssprecher.
Die in England lebenden Deutschen haben sich sehr gut organisiert: Zum Einen gibt es eine eigene Website sowie eine eigene Facebook-Gruppe und zum Anderen donnerstags einen traditionellen Stammtisch.
Ich habe für diese Reportage mit zwei Deutschen gesprochen. Beide halten London für eine großartige Stadt und beide teilen ihre Passion für das internationale Flair Londons. Der 35jährige Holger ist Betriebswirt und klagt über ein großes Problem, mit dem insbesondere ältere Akademiker zu kämpfen haben: Die mangelnde Anerkennung von Diplom-Abschlüssen.
Mein anderer Interviewpartner, der angehende Erzieher und gelernte Einzelhandelskaufmann Toralf wird dieses Problem nicht haben: Er ist nur für ein Auslandspratikum in London, welches Bestandteil seiner Ausbildung ist.
Ich habe für den Youthreporter bereits die Folgen der Finanzkrise – insbesondere für jungen Menschen – analysiert. Auch Holger spürt Veränderungen nach der Krise: „Viele Deutsche oder Australier bleiben hier ein bis drei Jahre und ziehen dann weiter oder gehen zurück in ihr Heimatland. Das war insbesondere nach der Finanzkrise der Fall, was die Stadt und die Leute sehr veränderte. Als ich 2007 hierherkam war die Stadt im Partyrausch. Es gab jede Menge hochbezahlter Jobs in der Financial und in der Service Industry. Nach der Arbeit und am Wochenende feierte man sorgenfrei. In den Boulevard Zeitungen hat man häufig eine Restaurant Rechnung abgelichtet gesehen, bei der die Champagne Rechnung gelegentlich bis in die Tausende ging.“
Nach dem Einbruch, so beschreibt es Holger, sei diese „Party“ vorbei gewesen, die Restaurants seien leerer und die hohen Champagner Rechnungen blieben eine Rarität. „Banken machten Verluste und deren Mitarbeiter wurden in Horden auf die Straße gestellt, ganze Abteilungen wurden komplett geschlossen. Beratungen und Agenturen haben Leute entlassen, um sich auf die neue Auftragslage einzustellen und die Bedienung hat ihren Job verloren, da die Kunden ausblieben.“ Wir haben alle noch die Bilder von Mitarbeitern renommierter Kreditinstitute im Kopf, die mit Pappkartons ihrer Habseligkeiten über Nacht auf der Straße standen. Die Stadt hat ihre Party gehabt, die Kopfschmerzen am nächsten Morgen sind aber noch nicht ganz überwunden. Immer noch gäbe es viele Leerstände und die Leichtigkeit ist vergangen – ein Zeichen der Entspannung ist nicht in Sicht.
Die Offenheit der Menschen, die Toleranz und die Freundlichkeit heben beide hervor, während teure Wohnungen und die Schwierigkeit einen Freundeskreis aufzubauen, für beide negative Aspekte ihrer Wahlheimat sind. Toralf beschreibt dieses sehr anschaulich: „Die Deutschen wirken oft sehr kühl und distanziert. Die Menschen in England sind meist etwas aufgesetzt, aber diese Herzlichkeit ist es, die das Arbeiten im Allgemeinen sehr viel einfacher macht. Dazu wird aufeinander Rücksicht genommen und man lobt und motiviert einander. Dies ist etwas, was ich in der deutschen Arbeitswelt vermisse.“
Holger hebt in seinem Gespräch noch einmal deutlich hervor, dass sich so ein Auslandsaufenthalt gut im Lebenslauf macht. Er werde, so der Betriebswirt, „heute fast von jeder Firma erwartet.“
Der Sprecher der Deutschen Botschaft in London, Niklas Manhart, weißt in diesem Zusammenhang auf den Deutschen Akademischen Austausch Dienst hin. Dieser bietet verschiedene Möglichkeiten, um im Studium ins Ausland zu gehen.
Und die Insider-Tipps von den beiden? Holger empfiehlt „das Sushi-Samba im 39ten Stock des Heron Towers bei Liverpool Street. Neben einem Restaurant, das man Wochen im Voraus buchen muss, gibt es eine tolle Cocktail Bar, von der man einem atemberaubenden Ausblick auf London hat - am besten kurz nach Sonnenuntergang!“.
Toralf hat keinen speziellen Ort, den er empfehlen würde, sondern rät einen Blick in die kleinen und versteckten Gassen zu werfen.
Vielleicht hast du ja auch Interesse an einem Leben in England. Hat dieser kleine Artikel möglicherweise sogar deine Motivation geweckt? Auf jeden sollte man einmal in seinem Leben im Ausland gelebt haben. Und – ganz ehrlich – wer kann dieser Stadt nichts abgewinnen?
Kommentare