Gemischte Gefühle.
"Ich habe das Gefühl mit dem Schnee ist auch die Zeit geschmolzen, keine drei Monate mehr und ich fahre schon wieder!" Und einen Plan für die Zeit nach ihrem Freiwilligendienst hat orangina auch schon!
Gerade wurde die neue Ausgabe des Magazins "OŚ" ins Jüdische Zentrum geliefert. OŚ ist eine Kooperation des Museums Auschwitz-Birkenau, des Jüdischen Zentrums, der Internationalen Jugendbegegnungsstätte und des Zentrums für Dialog und Gebet.
Jeden Monat werden darin Artikel und Fotostrecken zum Thema Auschwitz und Oświęcim veröffentlicht.
Wie jeden Monat nehme ich also das Paket mit den Zeitungen entgegen um sie bei uns an der Rezeption des Jüdischen Zentrums auszulegen. Wie jeden Monat schneide ich das Paketband auf und entnehme das oberste Blatt um einen Blick auf den Titel zu erhaschen. Diesen Monat: Grau! Grau mit schwarzen Ästen im unteren Drittel und ganz unten rechts: Die schwarze Schleife.
Die Schleife in der Farbe, die wohl jeden Freiwilligen in Polen nun seit knapp einer Woche begleitet: Schwarz.
Entziehen kann man sich dem kaum. Ich habe ausgerechnet bei meinem Midterm-Seminar in Torun davon erfahren. Das Seminar wurde von Tag zu Tag besser, die Stimmung auch und sogar inhaltlich war ich wirklich positiv überrascht und immer motivierter.
Bis dann Samstag morgen, mitten in einer der Reflektionsrunden Julia, eine Mitfreiwillige, zu mir kommt und mir ihr Handy unter die Nase hält, darauf zu lesen eine SMS von ihrem polnischen Freund: "Kaczynskis Flugzeug ist gerade abgestürzt. Alle tot! Unglaublich!". Ja, das trifft es wohl. Einige Minuten später stellte sich heraus, dass das kein schlechter Scherz sondern wirklich passiert war, als auch unsere Trainer uns über den Vorfall informierten. Von da an versuchten wir eine Balance zu finden aus "trotzdem irgendwie mit dem Programm weitermachen" und Gedenken beziehungsweise Innehalten.
Der Fernseher, der bei jeder Mahlzeit im Hotel-Restaurant lief, konnte einem dann schon einmal den Appetit vergehen lassen und am Nachmittag war dann auch allen klar, dass ein "normales" Weitermachen nicht so leicht ist. Wir haben dann also die abschließende Reflektionsrunde, die für Sonntag Mittag geplant war auf Samstag Abend verschoben, um früher mit dem Seminar abschließen zu können, da auch unsere Trainer darum gebeten hatten.
Trotz dieses Rückschlags bleibt mir mein Seminar in Torun aber in guter Erinnerung. Ich war vor meiner Abreise nicht gerade motiviert gewesen und nachher wirklich überrascht wie hilfreich so eine Reflektion sein kann und wie positiv sie sich auf das Projekt auswirkt!
Meine Motivation hält jedenfalls noch an, und so versuche ich nun mit Julia einen Workshop für deutsche Jugendliche zu planen. Das Thema steht allerdings noch offen, wir schwanken zwischen Antisemitismus und Judentum allgemein oder auch jüdische Gemeinden im heutigen Deutschland. Vielleicht wird es auch eine Mischung aus allem.
In Torun sollten wir uns auch intensiv mit unserer Zukunft auseinandersetzen, auch das war durchaus hilfreich und so hat sich für mich nun mein Plan gefestigt in Prag zu studieren (oder es wenigstens zu versuchen). Auf Englisch allerdings. Deshalb stecke ich nun auch mitten in Bewerbungen, versuche aber trotzdem auch meine letzte Zeit hier in Polen zu genießen!
Ich habe das Gefühl mit dem Schnee ist auch die Zeit geschmolzen, keine drei Monate mehr und ich fahre schon wieder! In der nächsten Zeit möchte ich aber auf jeden Fall nochmal Warschau und Łódź besuchen, Krakau und Katowice natürlich sowieso.
Am Montag fand hier in Auschwitz der jährliche Marsch der Lebenden statt, an dem jüdische und nicht-jüdische Jugendliche aus aller Welt teilnehmen und von Auschwitz nach Birkenau laufen. Ich war an diesem Tag im Jüdischen Zentrum, habe aber trotzdem etwas davon mitbekommen, durch die zahlreichen Gruppen, die zum Beten und Singen in unsere Synagoge gekommen sind. Unter anderem auch eine Gruppe mit behinderten und nicht behinderten Jugendlichen aus Israel, die teilweise in Gebärdensprache gesungen haben - sehr beeindruckend!
Meine Osterfeiertage waren dieses Jahr übrigens ausgesprochen nicht österlich. Ich bin zusammen mit einer lettischen Freiwilligen aus Katowice und ihrem deutschen Freund nach Tschechien gefahren. Daraus sollte eigentlich eine Rundreise werden, im Endeffekt sind wir dann aber irgendwie "hängen" geblieben in Litomerice, bei Sascha und Friedemann, die ihren Freiwilligendienst in Theresienstadt machen. Immerhin habe ich aber nun das Programm von zwei Besuchergruppen dort mitmachen können und somit einen Einblick in eine andere Gedenkstätte erhalten und auch viel über das ehemalige Ghetto Terezin erfahren.
Hat sich also doch wirklich gelohnt, und auch von Prag konnte ich nun mehr entdecken. Auch wenn ich bei dieser Stadt wirklich das Gefühl habe, dass zwei Besuche noch nicht annähernd ausreichen!
Nach dieser Reise war ich übrigens das erste Mal froh "nur" Polnisch lernen zu müssen, die tschechischen Laute kamen mir nämlich noch um einiges unaussprechlicher vor!
Ich werde meine Motivation weiter ausnutzen und mich Prag und meiner Zukunftsplanung widmen. Ich wünsche euch schöne Frühlingstage! :)