Gedanken in meinem Kopf
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Es gibt Momente, da geht es mir einfach schlecht und ich bin den Tränen nah.
Freitag, 30.09.2016. Es ist in etwa 19 Uhr. Ich sitze im Bus und auf meinem Schoß sitzt der kleine 7jährige Florian. Er hatte heute einen schönen Tag. Wir waren mit einigen anderen Kindern im Skypark (Erlebnispark für Kinder mit Trampolin, Rutschen, Bälle-Becken, usw.). Der kleine Florian ist unglaublich müde vom Toben. Immer wieder fallen ihm die Augen zu. Ich frage ihn ob es ihm heute gefallen hat, da lächelt er mich an und sagt ganz euphorisch: „да!“ Anschließend senkt er seinen Kopf und kämpft erneut gegen seine Müdigkeit an. Die Kinder heute hatten einfach so viel Spaß, waren ausgelassen und fröhlich. Ich habe einen Kloß im Hals weil mir einfällt das ich den kleinen Florian jetzt wieder nach Hause bringen muss. Nach Hause bedeutet: ein kleines Zimmerchen mit Kochecke in einem Gebäude welches einem Wohnheim gleicht, allerdings in einem ziemlich schlechten Zustand. Wenn man das Gebäude betritt wird man bereits von einem unangenehmen Geruch begrüßt. Im Zimmer befinden sich ein Schreibtisch, ein Schrank und ein Doppelstockbett welches der kleine Florian sich mit seinen 3 Geschwistern teilen muss. In einer winzig kleinen Ecke befindet sich eine Toilette, jedoch keine Waschmöglichkeiten. Das Zimmer ist dreckig. Ab und an kommt die Großmutter der Kinder vorbei um nach ihnen zu schauen. Jedoch ist sie krank und hat nicht immer die Kraft dazu. Die Mutter der Kinder hingegen hat kein Interesse an ihnen.
Mit einem „до завтра“ (bis morgen), setze ich Florian dann zu Hause ab, gehe noch sicher, dass er die Haustür hinter sich schließt und begebe mich dann selbst auf den Heimweg.
Und morgen ist ein neuer Tag…
Natürlich kommen die Kinder täglich ins Peeteli, machen ihre Hausaufgaben, werden gefordert und haben Beschäftigung in unterschiedlicher Art und Weise. Natürlich nutzen einige der Kinder die Möglichkeit im Peeteli zu wohnen und dort zu leben. Sie bekommen täglich eine warme Mahlzeit und haben Betreuer oder uns Freiwillige, die sich Zeit nehmen für sie und ihnen zuhören. Aber dennoch haben sie ihren eigenen Charakter welcher sich aus ihrer häuslichen Situation heraus formt. Was passiert also wenn sie nach einem Tag im Peeteli wieder dorthin zurückkehren und konfrontiert werden mit dem Verhalten ihrer Eltern… Wie sollen sich diese Kinder eine angemessene Perspektive für die Zukunft schaffen, wenn sie noch nicht einmal wissen, was genau das bedeutet. Das Peeteli kann die Kinder tagsüber unterstützen, aber was passiert danach? Was passiert nach ihrem Schulabschluss, wenn das Peeteli nicht mehr da ist? Fragen, die ich mir so oft stelle. Fragen, die mir manchmal das Gefühl geben das die Arbeit im Peeteli keinen Wert hat. Das soll jetzt nicht den Eindruck erwecken ich würde an keines dieser Kinder glauben. Mich überkommen einfach nur immer mal wieder diese Zweifel und Bedenken und irgendwie auch eine Form von Angst um die Zukunft dieser Kinder. Es gab jedoch bereits Gespräche hinsichtlich dessen. In diesen Gesprächen wurden Ideen ausgetauscht, wie man die Kinder intensiver auf das Leben nach der Schule vorbereiten könnte. Dazu sollen einmal wöchentlich in der Zeit von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr gemeinsame Abendveranstaltungen mit den Kindern organisiert werden. Wie genau diese aussehen sollen ist noch nicht ganz sicher. Sie sollen auf jeden Fall einen gewissen Lernprozess beinhalten um den Charakter zu formen (z. B. wie verhalte ich mich gegenüber Erwachsenen, …). Ich kann derzeit noch nicht genauer darauf eingehen. Ich bin selbst sehr gespannt auf die Umsetzung dieses Projekts.
Weil im Peeteli seit geraumer Zeit einmal wöchentlich kein Koch/ keine Köchin zur Verfügung steht, muss an diesen Tagen das Mittagessen bestellt werden. Da wir ohnehin auch mal die „Deutsche Küche“ nach Estland bringen wollten, haben wir diese Gelegenheit am Schopfe gepackt und nachgefragt. Unsere Idee wurde dankend angenommen. „Westfälischen Kartoffelsalat mit Wiener-Würstchen“ sollte es geben und zum Nachtisch eine Mousse au Chocolat. Wir hatten uns ein wenig mit der Zeit verschätzt welche wir benötigen würden um ein Mittagessen für 30 Personen vorzubereiten. Schlussendlich jedoch konnten wir das Essen pünktlich 14.30 Uhr servieren. Nun hatten wir ziemlich Angst, dass es den Kindern vielleicht nicht schmecken könnte. Doch die Resonanz war positiv. So positiv, dass wir im Anschluss gefragt wurden, ob wir nicht Lust hätten ab sofort jeden Mittwoch zu kochen :). Auf los geht´s los!!! :)
Der erste Estnisch-Sprachkurs war mehr oder weniger eine Katastrophe für mich. Die Lehrerin ist wirklich nett, jedoch hat sie einfach kein System und legt ein Tempo an den Tag welches ich nicht als angemessen empfinde. Im Moment habe ich noch keine Strategie für mich entwickeln können da mitzuhalten. Noch tue ich mich ziemlich schwer mit dieser Sprache. Oft gibt es Worte, die der deutschen Sprache ähneln, aber dennoch, es fällt mir schwer mir gewisse Sachen herzuleiten und mit lediglich sturem Auswendiglernen kommt man nicht weit. Estnisch ist einfach sehr fremd und neu für mich. Ich hoffe, dass ich irgendwann mal durchblicke. Wenn ich jedoch an die 14 Fälle denke, die es in dieser Sprache gibt, dreht es mir den Magen um. Im Russischen hingegen kann ich mir noch eher mal was herleiten und logisch nachvollziehen. Ich finde es sehr schade und ein wenig unlogisch, dass es nicht automatisch parallel einen Russisch-Sprachkurs für uns gibt. Gerade weil wir im Sozialzentrum lediglich russischsprachige Kinder betreuen. Es ist nicht einfach beide Sprachen gleichzeitig zu lernen. Im Moment versuche ich täglich über einen Duolingo-Online-Sprachkurs meine Russischkenntnisse zu verbessern. Ich hoffe ich finde noch eine Strategie beide Sprachen gleichzeitig irgendwie in meinem Kopf zu verankern.
Man will es kaum glauben, aber ich hatte bereits meinen ersten Besuch aus der Heimat :) Am 3. Oktober hat die AIDA im Hafen Tallinns angelegt. An Bord waren mein lieber Cousin mit seiner Familie. Zufälligerweise beinhaltete die Route ihrer Kreuzfahrt einen Zwischenstop in Tallinn. Kurzfristig habe ich frei bekommen und durfte den Nachmittag mit ihnen verbringen :) Ein kleiner Stadtrundgang stand auf dem Programm. Die Zeit verging im Flug und es war schon wieder Zeit sich zu verabschieden. Es war komisch sie dann wieder gehen zu lassen. Für einen Augenblick hatte ich das Gefühl auch mit an Bord zu gehen. Für einen Augenblick hatte ich vergessen, warum ich eigentlich hier bin... doch dann fiel es mir wieder ein und ich habe mich darüber gefreut...:)
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