Familie, Geburtstag et plus
Salut mes amis !
Salut mes amis !
Zur vergangen Woche. Ich muss es zugeben. Ich fühle mich hier heimisch. Daheim ist man überall dort, wo man geliebt wird, und das werde ich hier. Das zeigte sich deutlich während meiner Trauerphase um Johanna. Da war Julie, die mir ihre Gedichte vorlas. Sonia, die einfach mal hören wollte wie’s mir geht. JP der mich ein bisschen auf andere Gedanken gebracht hat. Es tut gut zu wissen, dass man nicht allein ist.
Also, was habe ich diese Woche in good old Frankreich so gemacht? Dienstag war hier Feiertag, was zwar bedeutet, dass ich nicht arbeiten musste, aber da auch kein anderes Geschäft offen hatte, waren die Möglichkeiten begrenzt. Als ich morgens über den Hof ging kam ich mir ein bisschen vor wie in diesen alten Western, in denen man förmlich schon darauf wartet, dass ein Busch durchs Bild rollt. Es war LEER. Die braven katholischen Franzosen waren nämlich allesamt in der Kirche und ich vollkommen allein in der JH.
Am Nachmittag sind Sonia und Julie in der Jugendherberge vorbeigekommen, wir haben ein bisschen diskutiert, eine Runde «Wizard» gespielt und ich habe den beiden alles gezeigt. Abends sind Sonia und ich noch ins Triskel gegangen, eine gemütliche Bar in der Innenstadt und zudem die einzige, die an diesem Feiertag offen hatte. War witzig, Floflo und Mathieu sind auch da gewesen ^^. Flo versucht immer ein bisschen deutsch zu sprechen, wenn ich was nicht verstehe. Allerdings verstehe ich Französisch inzwischen besser als seine Übersetzungen.
Donnerstag habe ich mich das erste Mal ins Kino gewagt, in einen durch und durch französischen Film (das heißt französischer Regisseur und ebensolche Schauspieler): «La boîte noire», zu Deutsch Blackbox. Ein Psychothriller, obwohl mehr Psycho als Thriller wenn Ihr mich fragt! War trotzdem genial, der Film. Man kommt raus und muss immer noch über ihn nachdenken. Es geht um einen Mann, der bei einem Autounfall sein Gedächtnis verliert und ins Koma fällt. Während dieses Komas redet er vor sich hin, anscheinend völlig belanglose Sachen ohne Sinn. Aber eine Krankenschwester hat alles notiert, in ihr kleines schwarzes Notizbuch. Alles, was ihn sein Unterbewusstsein, seine persönliche Blackbox, hat sagen lassen, ist dort festgehalten. Seine Identität, alle Zusammenhänge sind darin verborgen und er versucht, sein Leben wieder zusammenzupuzzeln, als er erwacht. Voller Symbole, dieser Film, die auf eine Interpretation warten. Und Mord. Ich möchte die Wendung nur ungern verraten, genauso wenig wie das Ende, für den Fall das der Film nächstes Jahr mit Ciné-Fête nach Kassel kommt. Nur zu empfehlen! Ich werde mir die DVD holen, soviel ist sicher.
Freitag war Julies Geburtstag, aber da sie tagsüber auf einem Lehrgang war, sollten wir uns erst gegen 22.30 Uhr sehen. Davor sind Sonia, Phillipe, Dimitri, Clémence und ich Schlittschuhlaufen gewesen, langsam entwickele ich mich zu einem echten Profi! Allerdings hatte Dimitri que de conneries (= nur Dummheiten) im Kopf und hat uns ganz schön auf Trab gehalten! Man musste stets aufpassen, sonst hatte man ziemlich schnell Eis im Nacken. Aber ich bin nicht einmal gefallen, au contraire! Ich habe Bremsen gelernt.
Anschließend haben wir bei Sonia zu Hause die Geschenke geholt und sind zusammen ins Triskel gegangen, wo Julie schon auf uns wartete. Als sie in Sichtweite kam, haben wir gleich «Joyeux anniversaire» angestimmt. Und sie hat nur den Kopf geschüttelt, weil sie vorher noch gemeint hat, sie wolle keine Geschenke, das größte Geschenk sei unsere Freundschaft. Was unserer Meinung nach aber nicht heißt, das man auf alles andere verzichten muss! Ausnahmsweise kann man auch beides haben ^^.
Samstag. Ich habe mein Paradies gefunden. Ich gebe Euch noch ein paar Zeilen zum Raten, was mein Paradies sein könnte. Fluch oder Segen. Nennt es Schicksal, Fügung, Glück, höhere Gewalt oder was weiß ich wie, jedenfalls bin ich hier in einer Stadt gelandet. In einer Stadt voller Literatur. Jedes Jahr findet hier die «Foire du Livre» statt, eine riesige Buchmesse, die innerhalb Frankreichs einen ziemlichen Bekanntheitsgrad besitzt und ich war dabei! Ich habe mich natürlich erst mal mit französischer Literatur eingedeckt (drei Bücher sind sogar von den Autoren signiert!) und einfach die Atmosphäre genossen! Die Schlange war ewig lang, über die gesamte Länge des Marktplatzes musste ich anstehen; im Endeffekt habe ich 45 Minuten gewartet um reinzukommen! So etwas habe ich das letzte Mal bei einem Konzert erlebt! Die wohl bekannteste Autorin, die ich getroffen habe, war Amélie Nothomb. Von ihr habe ich auch ein signiertes Exemplar von «Antéchrista», ein Roman der dermaßen bekannt ist, dass selbst ich schon von ihm gehört habe in der kurzen Zeit, die ich hier bin.
Samstagabend, Fortsetzung der Geburtstagsfeier von Julie in «Les ecuries du roy» (= die Stallungen des Königs). Eine größere Disco hier in der Nähe, bei der der Name Programm ist: sie steht mitten im Wald. Ich war schon leicht überrascht, als wir die Autobahn verließen und einem schmalen Feldweg folgten. Eine Disco? Hier? Soll das ein Scherz sein? War es aber nicht. Und ab 3.00 Uhr waren derart viele Menschen dort, dass man sich kaum mehr auf der Tanzfläche bewegen konnte. Bin immer noch erstaunt. Hat schon Stil diese Disco, aber die Musik war nicht so mein Fall. Und die Preise. No comment! Der Eintritt ist für Frauen zwar frei, aber ich habe fünf Euro für eine Cola bezahlt. D’accord! Den Rest des Abends habe ich mich auf Wasser beschränkt, das ist hier überall gratis.
Als ich zurückgekommen bin (das war so gegen 4.00 Uhr) war hier in der JH immer noch Feier angesagt, da war eine Gruppe Medizinstudenten, die durchgemacht haben (und ich gezwungenermaßen auch). Als ich zurückkam, waren sie schon derart angetrunken, dass sie nicht mehr begriffen haben, dass ich nicht zur Gruppe gehöre. Es war derart laut, ich habe kein Auge zugemacht. So etwas habe ich noch nie erlebt! Der Boden im Fernsehsaal war schwarz. Ein einziger Saustall, kann ich Euch sagen. Und noch am nächsten Morgen sind einige in Verkleidungen rumgelaufen. Jaaa, schon klar… Irgendwie habe ich ein bisschen Angst, wenn das die neue Generation Ärzte ist.
Montag. Ich war in der Ecole Nationale de la Musique um mich einzuschreiben beziehungsweise die Modalitäten zu klären. Es ist unsicher, ob noch ein Platz frei ist, aber Donnerstag habe ich einen Termin mit dem Professor, der das Atelier du chant leitet. Drückt mir die Daumen! Wäre zu schön, wenn das klappt. Komplett finanzierter Gesangsunterricht. Danach habe ich wieder einen mutigen Schritt gemacht: Ich war beim Frisör! Die weiblichen Wesen unter Euch kennen das Problem: Frisörbesuch, das ist Vertrauenssache. Zwei Dinge haben das Problem hier zusätzlich verkompliziert: Ich hatte die Qual der Wahl und unzureichendes Fachvokabular. In Brive ist nämlich eine Frisörschule und dementsprechend viele Leute dieses Berufsstandes sind hier anzutreffen. Ich habe mich mal in einen Laden in der Innenstadt gewagt. Abgesehen davon das es Sch…teuer war (32 Euro!), sieht es gar nicht mal so schlecht aus. Ich mach die Tage mal ein Beweisfoto!
Zu guter Letzt: Wissenswertes über Frankreich, aufgeschnappt während meiner Diskussionen mit Abdoul. Wie ihr vielleicht wisst, gibt es in Frankreich die Laizität, das heißt, die strikte Trennung von Staat und Kirche. Was bedeutet dieser Satz aber im Alltag? Die Kirchen erhalten keinerlei finanzielle Unterstützung (es sei denn es handelt sich um was kulturell wertvolles wie Notre Dame) vom Staat, sie müssen von der Kollekte leben. Können sie das nicht, passiert es schon mal, das Kirchen verkauft werden! Klar doch, ich wollte immer schon mal eine Kirche haben. Ist doch auch viel komfortabler als so ein ödes Haus, das hat ja jeder! Wo muss ich unterschreiben?
Ein kleine Geschichte am Rande, die mal wieder unter die «Eltern-Zensur» fällt. Ich treffe hier ja wirklich eine Menge Leute, aber irgendwie beginne ich mich zu fragen ob «animatrice» im Französischen vielleicht doppeldeutig ist. Aber von vorne: da ist Paul. Paul, wer ist eigentlich Paul? Ein Stammgast, der aufgrund seiner Arbeit regelmäßig hier war. War, weil er dabei ist, nach Brive zu ziehen. Er ist schätzungsweise so Ende 40, Anfang 50. Könnte also mein Vater sein. Er hat mir Bolotte beigebracht, ein klassisch französisches Kartenspiel, dass ich mit den anderen Stammgästen (meiner «Familie») gespielt habe. Generell haben wir uns gut verstanden. Aber eines Abends fiel der Satz, vor dem ich mich leicht zu fürchten beginne: «J’ai envie de toi». Oookay. Frankreich ist tatsächlich ein Land, das keine Grenzen kennt.
Soweit erst mal, je vous embrasse! Bianca J.