Extase im Büro
Definitiv der bisher beste Tag des Praktikums in Warschau, findet Johannson. Erst besucht er das Analysebüro der Parlamentskanzlei, dann lernt er noch einen Verfassungsrechtler kennen.
Das Analysebüro
Donnerstag war der bisher beste Tag im Praktikum. Ich habe das Analysebüro der Parlamentskanzlei (Biuro Analyz Sejmowych – BAS) besucht, den Ort, der mich am meisten interessiert. Dort sitzen die Analysten, die uns Berichte, Stellungnahmen und Meinungen vorbereiten. Das heißt, da sind die Experten, die mir die neuesten Entwicklungen Polens erzählen können, genau was ich eigentlich erfahren wollte auf dem Praktikum. Vertreter sind regelmäßig auf unseren Ausschusssitzungen, um uns bei Rechtsfragen zu beraten, die ja im Gesetzgebungsausschuss Hauptthemen sind. Da wurde der Vizedirektor einfach mal angesprochen, und im Widerspruch zu allen meinen Erfahrungen hat der tatsächlich Zeit, ein ganzes Besuchsprogramm für mich kleinen Praktikanten anzulegen. Und zwar innerhalb von zwei Tagen, mit mehreren mehrstündigen Besuchen, zuerst bei den Rechtsexperten, dann bei den Wirtschaftlern und so weiter. Und als das Programm erstellt war hat er mich angerufen und informiert und nicht umgekehrt.
Donnerstag bin ich dann zum Treffen mit einem Verfassungsrechtler, angestellt im Büro und an einer der Warschauer Unis. Und der hat sich den gesamten Tag für mich reserviert. Er ging gleich auf Du, Brot und Wurst kam auf den Tisch, danach Kuchen. Der hat in Deutschland studiert, noch während des Kommunismus, spricht super Deutsch, aber ist nicht enttäuscht wenn ich Polnisch bevorzuge. In jedem Fall wurde mein Name erstmal in Jan polonisiert. Im Büro unter der Dachschräge stehen ausgediente Sessel und ein Kickertisch. Es spielt Radio und dabei wurde ich ausführlich beraten zu allem was ich wissen wollte, am Ende nahm er mich noch mit auf eine Gewerkschaftskonferenz.
Das Verfassungsgericht
Wie angekündigt war ich mal im Verfassungsgericht. Das ist gleich um die Ecke und jeder kann ohne Anmeldung in die Verhandlung. Die Abgeordneten unseres Ausschusses geben dort oft Stellungnahmen ab, die vorher vom Analysebüro ausgearbeitet wurden. Die Plädoyers dauern Ewigkeiten, aber es macht Spaß, wenn der Gerichtsdiener zu Beginn und Ende auf einmal schreit und alle in Hab-Acht-Stellung springen. Den vorsitzenden Verfassungsrichter habe ich dann einige Tage später im Analysebüro wieder getroffen.
Verdrängung in Aktion
Letztens waren wir im Café und ich machte mir gerade Gedanken, ob die alte Frau am Nebentisch nicht Probleme hätte Deutsch zu hören. Da spricht sie uns an wie schön es wäre diese Sprache zu hören. Sie war ja im zweiten Weltkrieg mit der halben Familie bei Dresden auf Zwangsarbeit ach und die Deutschen waren so nett, ihr Bruder hat zwar Mauthausen nicht überlebt aber was sie für schöne Erinnerungen hat.