Es war einmal
Wie dem auch sein, ich war auf dem Weg, Aufregung und Vorfreude im Gepäck. Als ich in „station centraal“ in Amsterdam ankam, musste ich mir die Person, die mich abholen sollte, erst Mal selbst suchen. Und das war ja nur der Anfang.
Es war einmal vor gar nicht allzu langer Zeit, da machte ich mich auf die Reise zu meinem Europäischen Freiwilligendienst-Projekt in Amsterdam. Die Projektbeschreibung erzählte mir von der Arbeit mit einwanderungswilligen Frauen und deren Problemen. Dass das nicht mein Einsatzbereich sein würde, erfuhr ich schon im Vorfeld.
Wie dem auch sein, ich war auf dem Weg, Aufregung und Vorfreude im Gepäck. Als ich in „station centraal“ in Amsterdam ankam, musste ich mir die Person, die mich abholen sollte, erst mal selbst suchen. Die Gute, doppelt so verwirrt wie ich, geleitete mich auf dem nächsten Umweg zum Freiwilligen-Haus, sie kannte sich ja schließlich auch nicht aus.
Das Haus, ein Schock! Verwahrlostes Gemäuer, liebevoll gefüllt mit Sperrmüll-Möbeln. Diese hatten die letzten Generationen von EFD-Freiwilligen mühsam zusammen geramscht.
Meine Mit-Freiwilligen waren aus halb Euroland zusammengewürfelt, so dass einem zu Hause nie so richtig langweilig werden konnte. Nebenbei haben sich Grundlagen der niederländischen Sprache in meinem Gehirn eingenistet, was ich anfangs gar nicht zu hoffen gewagt habe. Das Niederländische ist verwirrender als man so glaubt.
Da es für meine persönliche Entwicklung wichtig zu sein schien, musste ich mir anhand des „network“ (einer Adressliste) meinen eigenen Arbeitsplan machen. Was ein kleines Kunststück ist, wenn man weder Telefon noch Internet-Zugang hat und zu Anfang noch kein Niederländisch spricht. Aber ob Herausforderung oder Vernachlässigung, ich fand meine Arbeitsplätze:
Montags ging‘s mit Niederländischunterricht los und nachmittags hielt ich mir für private Erledigungen und so genannte „incidental works“ frei.
Dienstags war „creativ empowerment“ (CM) angesagt. Eine Art Unterricht, in dem man, unter (un)gewisser Anleitung, zu seiner eigenen Kreativität finden sollte. Nun, leider verlief der Unterricht etwas unkoordiniert, so dass ich mir nicht sicher bin meiner Kreativität näher gekommen zu sein, aber es war trotzdem eine interessante Erfahrung.
An den Nachmittagen arbeitete ich in einer Kindertagesstätte „Boeng doti“ für Kinder von zumeist surinamesischen Wenigverdiener-Familien. Eine sehr anstrengende Arbeit, denn zu zweit waren die Festangestellte und ich mit den bis zu 20 Kindern oft überfordert. Windeln wechseln, füttern, mal was aufwischen, Boden fegen, mit zur Toi gehen, sich ein bisschen mit den Kleinen beschäftigen, reden, singen.. Da bleibt nicht viel Zeit zum Verschnaufen. Aber welch Wonne, wenn die Kids am nächsten Dienstag Freude strahlend auf einen zu gerannt kamen. Mittwochs war immer ein mehr oder minder hilfreiches „volunteers meeting“ angesetzt, auf dem Termine abgeklärt und die Planung der Folgewoche abgesprochen wurde. Themen, wie Mäuse im Haus, verstopfte Abflüsse und blockierte Hausschlösser, verspätete Zahlungen und (z.T. heftigste) Konflikte mit Mitfreiwilligen wurden hier auch angeschnitten.
Donnerstags morgens ging’s wieder einmal zum CE und nach der Mittagspause ans andere Ende der Stadt. Fast alle Arbeitsplätze lagen außerhalb des Zentrums, „local transport“ war teuer, deshalb ging‘s bei Wind und Wetter zu Fuß überall hin. „Amoc - deutscher Hilfsverein“ war der Name des Hauses in dem ich beschäftigt war. Eine Anlaufstelle für alle nicht-niederländischen Hilfsbedürftigen.
Dort kochte ich mit einer/einem PraktikantIn für ca. 30 - 40 Hungrige. Da war alles dabei, Obdachlose, Drogenabhängige, Prostituierte und auch solche die in Amsterdam gestrandet waren, weil jemand sie ausgeraubt hatte. Freitags erst Niederländischunterricht, dann nachmittags zum Bürgerzentrum „de havelaar“. An dieses war eine „kinderboederij“ (Kinderbauernhof) angeschlossen und in einem Kooperationsprojekt habe ich gearbeitet. Der Kurs für Grundschulkinder hieß „boederij club“. Wir haben Vögel seziert, Nester gebaut und die Tiere in der Farm gefüttert etc. Eine Abenteuer-Übernachtung mit den Kids im Bauernhof war auch dabei. Liebe Kinder in einem ganz anderen Alter und aus ganz anderen sozialen Verhältnissen als die „Boeng doti“-Kinder. Das war’s auch schon, was mich in Amsterdam auf Trab gehalten hat! Viele unersetzliche Erlebnisse, wunderschöne Momente und herbe Enttäuschungen haben sich gleichermaßen in meine Gehirnwindungen eingebrannt.
Trotz allem oder grade deshalb stehe ich immer noch in engem Kontakt zu vielen der anderen Ex-Freiwilligen aus dem Projekt. Unsere Aufnahmestelle gibt es übrigens als solche nicht mehr. Die Organisation gibt es noch, aber sie nimmt keine EFDlerInnen mehr auf, was auch besser so ist, denke ich zumindest.
Meine Entsendeorganisation hier in Deutschland hat sich bemüht mich/uns in dem Amsterdamer Chaos zu unterstützen. Aber letzt endlich haben wir mit der Nationalagentur vor Ort natürlich mehr erreichen können. Die Menschen dort waren sehr hilfsbereit. Die Trainings, die wir bekommen haben, waren auch nicht schlecht gewesen.
Jetzt sitze ich wieder in Deutschland, studiere fröhlich Biologie und arbeite an meinem Future Capital Projekt www.WollenTier.de! Da geht’s drum ehemalige Freiwillige mit zukünftigen Freiwilligen zusammen zu bringen, Erfahrungen zu tauschen und Tipps weiter zugeben.